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Die Riemann'schen geometrischen Vorstellungs- weisen sind darin durchweg in den Vordergrund gestellt; dabei wird aber versucht, unter angemessener Einschränkung der Voraussetzungen diejenige Schärfe der Beweisführung zu erreichen, die niemand mehr entbehren kann, dem einmal in der Schule von Weierstrass die Augen geöffnet sind. ELEMENTARE MECHANIK als Einleitung in das Studium der theoretischen Physik. Von Dr. Woldemar Voigt, 0. ö. Professor der Physik an der Universität Göttingen. Mit 55 Figuren im Text. gr. 8. 1889. geh. 12 Ji. Auszug aus dem Vorwort des Professor Eugenio Beltrami zu Rom zur italienischen Übersetzung von Dr. A. Sella: Das ausgezeichnete Werk des Professor Voigt kommt einem Bedürfnis entgegen, welches sich unter den deutschen und englischen Studenten schon seit einiger Zeit fühlbar gemacht hat. Die elementare Mechanik wird im allgemeinen von zwei sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet, ent- weder als die herkömmliche Vorschule für das rein technische Studium der Ingenieure, in welchem Falle sie sich auf die elementarsten und trockensten Kapitel beschränkt, oder als eine Sammlung geometrischer und analytischer Übungen, wobei die eigentliche mechanische Grundlage verschwindet, um den ohne Zweifel sinnreichen Anwendungen der analytischen und projektiven Geometrie, der Theorie der Differential-Gleichungen und der Variationsrechnung Platz zu machen. Diese zwei sich fast entgegenstehenden Ansichten haben in sehr hohem Maße das historische Ziel der Mechanik verwischt, das durch Galilei und Newton aufgestellt und von den Physikern ersten Ranges, wie Lagrange, Green, Kirchhoff, Maxwell und Helmholtz, unablässig weiter verfolgt worden ist. Das Buch des Professor Voigt bietet eine neue Anleitung dar, wie man sie sich gar nicht besser wünschen könnte, zu diesem Studium der Mechanik, als der rationellen Wissenschaft der materiellen Welt. — — " r • ■ - ■ 1 : Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. LEHKBUCH DER ORGANISCHEN CHEMIE. Von Dr. Victor Meyer und Dr. Paul Jacobson, Professoren an der Universität Heidelberg. / In z^?vei Bünden. Erster Band: Allgemeiner TeiL — Verbindungen der Fettreihe. Mit Holzstichen im Text und einer Tabelle. Lex. 8. 1893. geh. 26 ^, geb. in Halbfranz 28 Ji, 50 ^. Zweiter Band, erste und zweite Abteilung: Chemie der Kohlenstoffringe. IMit Holzstichen im Text. Lex. H. 1895 u. 1897. geh. 13 jH, 20 ^. Mit der dritten Abteilung des zweiten Bandes wird die Chemie der Kolilenstoffringe abgeschlossen. GESCHICHTE DER CHEMIE von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Zugleich Einführung in das Studium der Chemie. Von Dr. Ernst von Meyer, Professor der Chemie an der Technischen Hochschule zu Dresden. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage. gr. 8. 1895. geh. 10 ^, geb. in Halbfranz 12 ^. In dieser „Geschichte der Chemie" wird die Eutwickelung des chemi- schen Wissens, inbesondere der daraus abgeleiteten allgemeinen Lehren der Chemie, von ihren Anfangen bis auf den heutigen Tag dargelegt. In jedem Zeitalter wird nach einer allgemeinen Darstellung der Hauptrichtungon, welche die Chemie eingeschlagen hat, die spezielle Ausbildung einzelner Zweige derselben mehr oder weniger eingehend besprochen. Bei den allgemeinen Darlegungen ist besonderer Wert auf die Ent- stehung einzelner wichtiger Ideen und deren Entfaltung zu bedeutsamen Lehrmeinungen oder umfassenden Theorien gelegt. Dabei sind die Träger und Förderer solcher Ansichten in ihrem Wirken geschildert, um eine leben- dige Darstellung der einzelnen Zeitabschnitte und ihrer Eigentümlichkeiten zu erzielen. In den speziellen Teilen werden dagegen grundlegende Thatsachen, nach einzelnen Gebieten gesichtet und eng gedrängt, zusammengefaßt, um ein mögliclist scharfes Bild des jeweiligen Standes der chemischen Kennt- nisse zu geben. Dabei ist eine übersichtliche Darlegung der wichtigsten j Lehren und Thatsachen, welche den heutigen Besitzstand der Wissenschaft \ beerUndet haben, angestrebt worden. ^^ « ^^ ' SCIENCE IDEPT. T\an6V< 3TDM Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. LEHRBUCH EXPERIMENTAL-PHYSIK zum eigenen Studium und zum Gebrauch bei Vorlesungen von Dr. Eduard Biecke, 0. ö. Professor der Physik an der Universität Göttingen. Zwei Bände. Mit gegen 700 Figuren Im Text. gr. 8. 1896. geh. 18 ^, geb. in Ganzleinen 20 ^. In diesem ausgezeichneten, durchaus auf dem Boden der netten An- schauungen imd Forschungen stehenden Werke, welches in xwei handlichen Bänden das ganxe Gebiet der Physik umfaßt, wird ein wirklich lesbares Lehrbuch der Physik geboten. Mathematische Entwickelungen sind nur sparsam darin enthalten und, wo sie nicht zu vermeiden waren, in elemen- taren Grenzen gehalten. Das Buch wendet sich an alle, welche der Physik wissenschaftliches Interesse entgegenbringen, an die Hörer an Unirersifäten und technischen Hochschulen, an den Lehrer, an den großen Kreis derer, die, auf verwandten Gebieten im Dienste der theoretischen Forschung oder der technischen Anwendungen thätig, ihre Kenntnis von der Entwickelung der Physik wieder ergänzen möchten. Das Buch ragt weit über die gebräuchlichen Lehrbücher der Physik hinaus. Manches ist darin im Zusammenhang behandelt, was, oft nur sehr schwer zugänglich, in Zeitschriften oder Sammelwerken zerstreut ist; man findet darin aber auch sehr vieles, was man in anderen Lehr- büchern vergeblich suchen wird (z. B. Strömungen und Wirbel der Flüssigkeiten, die Maxwell'sche elektromagnetische Theorie des Lichtes, die Teslaströme, ausführliche Darstel- lung der Hertz'schen Versuche, Elektrolyse). PRAKTISCHER LEITFADEN der GEWICHTSANALYSE. ^ Von Dr. Paul Jannasch^ Professor der Chemie an der Universität Heidelberg. Mit zahlreichen Abbildungen im Text. gr. 8. 1897. geb. in Ganzleinen 6 ^ 50 ^. Das Buch enthält außer den gebräuchlichsten und bewährtesten Methoden auch viele neue, die von dem Verfasser herrühren. Es beruht auf einer Summe langjähriger eigener Erfahrungen im Laboratorium und bringt nichts, was nicht von dem Verfasser selbst praktisch erprobt ist. Es wird sich überall als ein durchaus zuverlässiger Ratgeber erweisen. VORLESUNGEN ÜBER THERMODYNAMIK VON Dr. MAX PLANCK, PROFESSOR DER THEORETISCHEN PHYSIK AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. MIT FÜNF FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1897. 1 THENEWYORK PUBLIC LIBRARY A8TOR, LENOX ANO TILDEN FOUNDATlONS. 1897. Druck von Metager A Wittig in Leipsig. Vorwort. Die erste Anregung zur Abfassung des vorliegenden Buches empfing ich durch mehrfach an mich ergangene Aufforderungen, meine in das Gebiet der Thermodynamik fällenden Abhandlungen gesammelt herauszugeben bez. zu einer zusammenfassenden Dar- stellung zu verarbeiten. Wenn auch das erstere Verfahren als das einfachere näher gelegen hätte, zumal ich keine Veranlassung gefunden habe, an dem in meinen bisherigen Arbeiten befolgten Gedankengang etwas Wesentliches zu ändern, so entschied ich mich doch für eine neue Ueberarbeitung des ganzen Stoffes, einmal aus dem Grunde, weil mir daran lag, manche in dem knappen Styl einiger Abhandlungen etwas kurz gerathene allge- meine Ueberlegungen und Beweise ausführlicher und verständ- licher zu gestalten, hauptsächlich aber deshalb, weil sich auf diese Weise Gelegenheit bot, mittelst einer entsprechenden Er- weiterung des behandelten Themas das ganze Gebiet der Thermodynamik in eine einheitliche Darstellung zusammenzu- fassen. Hiedurch ist dem Werke allerdings der Charakter einer Forschungsarbeit genommen und ihm mehr derjenige eines Lehr- buches gegeben, bestimmt zur Einführung in das Studium der Thermodynamik für Jeden, der einen Anfängerkurs in Physik und Chemie durchgemacht hat und mit den Elementen der Differential- und Integralrechnung vertraut ist. Immerhin glaube ich nicht, dass mit diesem Buche meine früheren Publikationen über denselben Gegenstand ganz überflüssig geworden sind. Denn abgesehen davon, dass dort die Darstellung in gewissem Sinne ursprünglicher gehalten ist, finden sich auch manche Einzelheiten der vorgetragenen Theorie dort noch aus- führlicher entwickelt, als in der hier gebotenen umfassenderen IV Vorwort. Behandlung zulässig erscheint. Um daher dem Leser in ein- zelnen Fällen einen Vergleich oder ein Zurückgehen auf die ursprüngliche Form zu erleichtern, ist am Schluss des Buches ein Verzeichniss meiner bisherigen thermodynamischen Schriften aufgeführt, und jeder derselben ein Hinweis auf diejenigen Stellen dieses Buches beigegeben, in welchen das gleiche Thema be- handelt ist. Die in den beispielsweise durchgeführten Anwendungen der Theorie benutzten Zahlenwerthe stammen fast alle aus den Originalarbeiten; nur einige durch häufige Messungen bestimmte Grössen sind tabellarischen Zusammenstellungen, namentlich denen in F. Kohlrausch's Leitfaden der praktischen Physik, entnommen. Doch unterlasse ich nicht hervorzuheben, dass die benutzten Einzelzahlen, bei aller angewendeten Sorgfalt, doch bei Weitem nicht denselben Grad von kritischer Sichtung erfahren haben, wie die mitgetheilten Sätze und Ableitungen allgemeineren Inhalts. In der bisherigen Entwicklung der Thermodynamik lassen sich deutlich drei von einander verschiedene Methoden der Forschung unterscheiden. Die erste greift am tiefsten hinein in das Wesen der betrachteten Vorgänge, sie wäre daher, wenn sie sich exakt durchführen Hesse, jedenfalls als die vollkommenste zu bezeichnen. Nach ihr wird die Wärme bedingt durch be- stimmte Bewegungen der als diskrete Massen gedachten che- mischen Moleküle und Atome, die für gasförmige Körper ver- hältnissmässig einfache Eigenschaften haben, während sie sich für feste und flüssige Körper bisher nur in rohen Zügen angeben lassen. Diese kinetische Theorie hat seit ihrer Begründung durch Joule, Waterston, Krönig und Clausius besonders durch Maxwell und Boltzmann wesentliche Erweiterung und Ver- tiefung erfahren, scheint aber in ihrer weiteren Entwicklung auf vorläufig unüberwindliche Hindernisse zu stossen, die nicht nur in der hochgradig complicirten mathematischen Durchführung der angenommenen Hypothesen, sondern vor allen Dingen in principiellen, hier nicht näher zu erörternden Schwierigkeiten bei der mechanischen Deutung der thermodynamischen Haupt- sätze begründet sind. Derartige spezielle Schwierigkeiten vermeidet eine zweite, namentlich von Helmholtz ausgebildete, Methode der Thermo- Vonoort v dynamik, indem sie sich auf die wichtigste Voraussetzung der mechanischen Wärmetheorie beschränkt, dass Wärme auf Be- wegung beruht, dagegen auf ein Spezialisiren der Vorstellungen von der Natur dieser Bewegungen zunächst grundsätzlich ver- zichtet. Dieser Standpunkt ist Sicherer als der vorige, er gewährt auch die volle philosophische Befriedigung, die die mechanische Naturauffassung überhaupt liefert, aber der Halt, den er bietet, ist bis jetzt nicht breit genug, um darauf eine Theorie im Ein- zelnen aufzubauen. Alles, was man von ihm ausgehend erreichen kann, ist die Bestätigung einiger allgemeiner schon anderweitig direkt aus der Erfahrung abgeleiteter Gesetze. Am fruchtbarsten hat sich bisher eine dritte Behandlung der Thermodynamik erwiesen. Diese Methode unterscheidet sich von den beiden zuerst besprochenen wesentlich dadurch, dass sie die mechanische Natur der Wärme nicht in den Vordergrund stellt, sondern, indem sie sich bestimmter Annahmen über das Wesen der Wärme ganz enthält, statt dessen direkt von einigen sehr allgemeinen Erfahr ungsthatsachen, hauptsächlich von den sogenannten beiden Hauptsätzen der Wärmelehre, ausgeht. Daraus ergeben sich dann auf rein logischem Wege eine grosse Reihe neuer Sätze der Physik und Chemie, die sich weitgehender Anwendungen fähig gezeigt und bis jetzt überall ausnahmslos bewährt haben. Diese letzte, mehr induktive, Behandlungsart, welche im vorliegenden Werke ausschliesslich benutzt ist, entspricht wohl am besten dem heutigen Stande der Wissenschaft, sie ist aber kaum als die abschliessende zu betrachten, sondern wird wahr- scheinlich künftig einmal einer mechanischen oder vielleicht auch einer elektromagnetischen Betrachtungsweise Platz machen müssen. Denn wenn es auch eine Zeitlang Vortheil gewähren mag, die einzelnen Wirkungen der Natur: Wärme, Bewegung, Elek- tricität u. s. w. zunächst als qualitativ verschieden voneinander einzuführen und die Frage nach ihrer etwaigen Wesensgemein- schaft zu unterdrücken, so wird doch unser durch die Ent- deckung des Princips der Erhaltung der Energie so mächtig ge- fordertes Streben nach einer einheitlichen Naturänschauung, sei es auf mechanischer oder auf anderer Grundlage, sich nie- mals auf die Dauer zurückhalten lassen ; würde doch schon heute ein Zurücktreten von der Annahme der Wesensgleichheit aller VI Vorwart. physikalischen Vorgänge gleichbedeutend sein mit dem Verzicht auf das Verständniss einer Reihe l)ereits erkannter Gesetz- mässigkeiten zwischen verschiedenen Gebieten der Natur. Dann werden selbstverständlich die hier aus den beiden Hauptsätzen der Wärmelehre abgeleiteten Ergebnisse nicht erschüttert werden, sondern es werden nur diese beiden Sätze nicht mehr selbst- ständig eingeführt, sondern ihrerseits aus anderen noch all- gemeineren Sätzen abgeleitet werden. Es ist aber bis jetzt die Zeit noch nicht abzusehen, in welcher der weite Weg zu diesem Ziel zurückgelegt werden kann. Berlin, im April 1897. Der Verfasser. Inhalt. Seite Erster Abschnitt. Grundthatsachen und Definitionen 1 I. Capitel. Temperatur 1 II. Capitel. Molekulargewicht 19 III. Capitel. Wärmemenge . 28 Zweiter Absclinitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetlieorie . . 34 I. Capitel. Allgemeine Formulirung 34 IL Capitel. Anwendungen auf homogene Systeme ... 41 III. Capitel. Anwendungen auf nichthomogene Systeme . 61 Dritter Absclinitt* Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 71 I. Capitel. Einleitung 71 II. Capitel. Beweis 80 III. Capitel. Allgemeine Folgerungen 97 Vierter Abselinitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewiehts- zustsinde 110 I. Capitel. Homogenes System 110 II. Capitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 122 III. Capitel. System von beliebig vielen unabhängigen Be- standtheilen 163 IV. Capitel. Gasförmiges System ... 196 V. Capitel. Verdünnte Lösungen 210 Verzeichuiss der thermodynamischen Schriften des Verfassers . . . 248 Erster Abschnitt. Grundthatsachen und Definitionen. I. Capitel. Temperatur. § !• Der Begriff „Wärme" entspringt aus derjenigen Sinnes- empfindung, die uns bei der direkten Berührung eines Körpers unmittelbaren Aufschluss über den Unterschied zwischen Warm und Kalt liefert. Ein quantitatives, wissenschaftlich brauchbares Maass für den Wärmezustand eines Körpers lässt sich aber aus der unmittelbaren Empfindung, die nur qualitative und je nach den äusseren Umständen veränderliche Resultate ergibt, nicht ableiten. Man benutzt zu diesem Zweck eine andere Erscheinung, die erfahrungsgemäss bei allen Körpern gleichzeitig mit der Er- wärmung auftritt, wenn der äussere Druck constant bleibt, und die den Vortheil einer genauen Messung darbietet: die Volumen- änderung. Bei den meisten Substanzen ist mit der Erwärmung eine Volumenvergrösserung verbunden. Sonach lässt sich nicht blos durch Betastung, sondern auch durch eine rein mechanische Beobachtung, und zwar durch letzteres Mittel in viel feinerem Grade, entscheiden, ob ein Körper wärmer oder kälter wird. Auch lässt sich genau angeben, wenn ein Körper einen früher einmal innegehabten Wärmezustand wiederum einnimmt. § 2. Wenn zwei Körper, die sich sehr verschieden warm anfühlen, z. B. eine erhitzte Metallmasse und kaltes Wasser, in Berührung gebracht werden, so findet man immer, dass der wärmere sich abkühlt, der kältere sich erwärmt, bis zu einer gewissen Grenze, wo jede Veränderung aufhört Dann sagt man mit einem aus der Mechanik übertragenen Sprachgebrauch: Die beiden Körper stehen im Wärmegleichgewicht. Ein solches Wärmegleichgewicht tritt erfahrungsgemäss schhessUch immer PLA17CK, ThennodTDamik. 1 Orundthatsachen und Definitionen. ein, auch wenn nicht zwei, sondern beliebig viele verschieden warme Körper in beliebige wechselseitige Berührung miteinander gebracht werden. Hieraus folgt sogleich der wichtige Satz: Wenn ein Körper Ä mit zwei anderen Körpern B und G im Wärmegleichgewicht steht, so stehen auch B und G unter sich im Wärmegleichgewicht. Verbindet man nämlich die Körper Äf Bj G hintereinander zu einem Ringe, so dass jeder der drei Körper die beiden andern berührt, so besteht nach der Voraus- setzung an den Berührungsstellen (AB) und (^(7) Wärmegleich- gewicht, folglich auch an der Stelle {BC)'^ denn sonst würde über- haupt kein allgemeines Wärmegleichgewicht möglich sein, was der durch den vorigen Satz angegebenen Erfahrung wider- spräche. § 3. Hierauf beruht die Möglichkeit, den Wärmezustand irgend zweier Körper B und G zu vergleichen, ohne sie direkt miteinander in Berührung zu bringen. Man bringt nämlich jeden einzeln mit dem als Messinstrument dienenden, zunächst beliebig ausgewählten Körper A zusammen (z. B. einem in ein enges Rohr ausmündenden Quecksilbervolumen) und kann so durch jedesmalige Beobachtung des Volumens von A entscheiden, ob B und G im Wärmegleichgewicht stehen oder nicht, bez. welcher von beiden Körpern der wärmere ist. Den Wärmezustand des Körpers A und somit auch jedes mit A im Wärmegleichgewicht befindlichen Körpers kann man einfach deiiniren durch das Volumen von A, oder auch, wie gewöhnlich, durch die Differenz des Volumens von A und desjenigen Volumens, welches der Körper A einnimmt, wenn er sich mit schmelzendem Eis unter Atmosphärendruck im Wärmegleichgewicht befindet. Ist die Einheit dieser Volumendifferenz so gewählt, dass sie gleich 100 wird, wenn sich A mit dem Dampfe siedenden Wassers unter Atmosphärendruck im Wärmegleichgewicht befindet, so heisst sie die Temperatur in Grad Celsius in Bezug auf den Körper A als thermometrische Substanz. Zwei Körper von gleicher Temperatur stehen also immer im Wärmegleichgewicht, und um- gekehrt. § 4« Die Temperaturangaben zweier verschiedener thermo- metrischer Substanzen stimmen, ausser bei 0® und bei 100^, im Allgemeinen niemals überein, weshalb in der bisherigen Definition der Temperatur noch eine grosse Willkühr herrscht. Dieselbe TemipercAur. kann hier nur bis zu einem gewissen Grade beseitigt werden, nämlich durch die Benutzung der Erfahrung, dass die verschie- denen Gase, besonders die schwer condensirbaren, wie Wasser- stoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd, als thermometrische Substanzen innerhalb eines beträchtlichen Temperaturbereichs eine fast vollkommene, für die meisten Messungen genügende üebereinstimmung in den Temperaturangaben hefem. Ja noch mehr: auch die absolute Grösse der Ausdehnung ist bei allen diesen Gasen insofern die nämliche, als gleiche Volumina der- selben sich bei gleichzeitiger Erwärmung immer um gleichviel ausdehnen, constanten äusseren Druck vorausgesetzt. Der Be- trag dieser Ausdehnung ist für eine Erwärmung von 0^ auf 1® etwa der 273 te Theil des Volumens. Da nun endlich auch der Einfluss des äusseren Druckes auf das Volumen eines dieser Gase durch ein sehr einfaches Gesetz dargestellt wird, so ist der Schluss gestattet, dass diese Begelmässigkeiten auf einer besonders einfachen Constitution dieser Substanzen beruhen, und dass es daher rationell ist, die von ihnen angegebene gemeinschaft- liche Temperatur als Temperatur schlechthin zu detiniren. Es müssen also die Angaben aller anderen Thermometer auf das Gas- thermometer (speziell Wasserstoffthermometer) reducirt werden. § h. Bei Genauigkeitsanforderungen, für welche die üeber- einstimmung in den Angaben der verschiedenen Gasthermometer nicht genügt, bleibt die Willkühr in der Definition der Temperatur bestehen, da kein Grund vorliegt, ein bestimmtes Gas vor den anderen zu bevorzugen. Eine von den Eigenschaften einzelner Körper vollkommen unabhängige Definition der Temperatur, gültig für alle Wärme- und Kältegrade, wird erst möglich auf Grund des zweiten Hauptsatzes der Wärmetheorie (siehe unten § 160 ff.). Bis dahin wird daher nur von solchen Temperaturen die Rede sein, welche durch das Gasthermometer mit hin- reichender Schärfe definirt sind. § 6« Wir beschäftigen uns im Folgenden vorwiegend mit homogenen isotropen Körpern von beliebiger Form, die im Innern gleichmässige Temperatur und Dichte besitzen und einem gleich- massigen überall senkrecht auf ihre Oberfiäche wirkenden Druck unterworfen sind, folglich auch den nämlichen Druck nach Aussen hin ausüben. Von Oberflächenerscheinungen sehen wir dabei ab. Der Zustand eines solchen Körpers ist bestimmt durch y OrundtMtscuskm mtd Definitionen. sehie chemi6<3he Natur^ seine Masse M^ sein Ydiumen V und seine TVmperatur t. Alle anderen Eigenschaften des Zustandes müssen al«o von den angegebenen in bestimmter Weise abhängig sein, vor Allem der Druck, welcher gleichmäseig im ganzen Innern harscht und ebenso nach Aussen hin wirkt Der Druck p wird gemessen durch die Kraft, welche auf die Flächeneinheit der Oberfläche wirkt, also im d G* S.- System durch Dynen pro Quadratcentimeter, wobei ein Dyn die Kraft ist, welche der Ma»se eines &ramm in einer Sekunde die G-eschwindigkeit von einem Oentimeter in der Sekunde ertheili § 7. In der Praxis misst man gewöhnlich den Druck in Atmosphären, und es soll daher hier der Werth einer Atmo- sphäre im absoluten CG-S^-System berechnet werden. Der Druck einer Atmosphäre ist die Kraft^ welche eine Quecksilber- säule von 0^ Cete., 76 cm Höhe und 1 qcm Querschnitt durch ihre Schwere auf ihre Grundfläche ausübt, wenn sie an einem Orte mittlerer geogr. Breite aufgestellt ist Der letzte Zusatz ist nothwendig^ weil die durch die Erdanziehung bedingte Schwere «ich mit dem Orte ändert Das Volumen der Queok* silbersäule beträgt 76, ihre Masse, durch Multiplication des Volumens mit der Dichte des Quecksilbers bei 0^, 76- 13^596; daher ihre Schwere, durch Multiplication der Masse mit der Beschleunigung der Schwere an einem Orte mittlerer Breite: 76 • 13,596 . 981 = 1 013 650 ^ oder ^ , Dies ist also der Druck einer Atmosphäre im absoluten C. G S> System. Würde man als Krafteinheit nicht das Dyn, sondern, wie es früher in der Mechanik üblich war, die Schwere eines Gramms in einem Orte mittlerer geogr. Breite benutzen', so würde der Druck einer Atmosphäre betragen: 76-13,596 = 1033,3. § 8. Da der Druck des betrachteten Körpers offenbar nur von seiner inneren Beschaffenheit, nicht aber von seiner äusseren Forin und seiner Masse abhängt, so folgt, dass p ausser von der Temperatur nur von dem Verhältniss der Masse M zum Volumen F, d. h. von der Dichte, abhängt, bez. von dem um- gekehrten Verhältniss, dem Volumen der Masseneinheit: V weiches wir, wie üblich, als das spezifische Volumen des Körpers Thrnpenduir^ 5 bezeichnen. Es existirt also eine besümmta^ jeder Substanz eigenthümliohe Beziehung, welche die Z^stands^leichung der Substanz genannt wird Die Funktion f besitzt fiir Gase stets positive, für flüssige und feste Körper unter umständen auch negative Werthe. § 9. Ideale Gase. Am einfachsten gestaltet sich die Form der Zustandsgieichung flir diejenigen Substanzen, welche wir oben § 4 zur Deänition der Temperatur benutzt haben^ Wird nämlich die Temperatur constant gehalten, so ist nach dem Gesetz von Boyle (Mabiotte) das Produkt aus Druck und spezifischem Volumen constant: pv=T (1) wobei T, ausser vom der Natur des Gases, allein von dey Tem- peratur t abhängt Wenn aber der Druck constant gehalten wird, so ist nach der Definition § 3 die Temperatur proportional der Differenz des jeweiligen Volumens v und des Volumens bei 0** : v^, d. h. t^{v^v,) P (2) worin P nur vom Druckj? abhängt. Hierbei ist nach Gleichung (1) P% = T, (3) wenn T^ den Werth bezeichnet, den die Temperaturfunktion T för ^ = annimmt EndUoh benutzen wir noch die ebenfalls schon oben, § 4, angeführte Erfahrung, dass der Betrag de? Ausdehnung bei einer Erwärmung von 0^ auf 1^ für alle idealen Gase der nämKdie Bruchtheil a (etwa = -— -) des Volumens bei 0® ist (Gesetz von Gay Lussac). Setzt man also < = 1, so wird v — Vq = (jcVq, und die Gleichung (2) geht über in: l = av,P (4) Durch Elimination von P, v^ und v aus den Gleichungen (1), (2), (3), (4) ergibt sich die Temperaturfunktion: also linear abhängig von der Temperatur, und die Zustands- gieichung (1) wird: 6 Onmdthatsachen und Definitionen, § 10. Diese Gleichung nimmt eine wesentlich einfachere Form an, wenn man den im § 3 willkührlich festgesetzten Null- punkt der Temperatur um — Grad verlegt, indem man den « j Schmelzpunkt des Eises nicht = 0®, sondern =^ (etwa = 273^ setzt. Schreibt man nämlich: ^ + - = i9- « (absolute Temperatur), uxid setzt zur Abkürzung die Constante aTQ = Cf so wird die Zustandsgieichung: (5) p = ^'&=^C'^.& Die Einführung der absoluten Temperatur kommt offenbar im Grunde darauf hinaus, dass man die Temperatur nicht, wie in § 3, durch eine Volumenänderung, sondern durch das Volumen selbst misst. § II, Die für die Natur eines idealen G^ses charakteri- stische Constante G ist bestimmt, wenn man für irgend ein Werthenpaar von & undj?, z. B. 0^ Geis, und Atmosphärendruck, das spezifische Volumen v des Gases kennt, und zwar verhalten sich offenbar für verschiedene Gase, bei derselben Temperatur und demselben Druck genommen, die Werthe der Constanteri C wie die spezifischen Volumina v, oder umgekehrt wie die Dichten — . Man kann also sagen: Bei derselben Temperatur und demselben Druck genommen stehen die Dichten aller idealen Gase in un- veränderlichen Verhältnissen. Man charakterisirt daher oft auch ein Gas durch das constante Verhältniss seiner Dichte zu der Dichte eines Normalgases bei demselben Druck und derselben Temperatur (spezifische Dichte in Bezug auf Luft oder auf Wasserstoff). Bei 0^ Geis. {& = 273) und 1 Atmosphäre Druck ist die Dichte von: Wasserstoff 0,00008988 gr Sauerstoff 0,0014291 cm» Stickstoff ....... 0,0012507 „Atmosphärischer" Stickstoff 0,0012571 Luft 0,0012930 woraus die entsprechenden Werthe von C in absolutem Maass leicht zu berechnen. Temperaiwr, Durch die Zustandsgieichung einer Substanz lasisen sich alle Fragen nach dem Verhalten > der Substanz in Bezug auf beliebige Aenderungen det* Temperatur, des Volumens und des Druckes vollständig beantworten. ^ § 13. Verhalten bei constantem l)ruck. (Isopiestische Aenderungen.) Ausdehnungscoeffizient heisst das Verhältniss der Zunahme des Volumenö bei Erwärmung um 1^ zu dem Volumen bei 0^ Geis. Für ein ideales Gas beträgt die Zunahme des Vo- lumens bei Erwärmung um l^nach der Zustandsgieichung (5) — . Das Volumen bei 0® Geis, beträgt nach derselben Gleichung CM * 273, also das Verhältniss beider, d.h. der Ausdehnungs- coeffizient des Gases: 073'^^' § 13. Verhalten bei constantem Volumen. (Isochorische oder isopyknische Aenderungen.) Spannungscoeffizient heisst das Verhältniss der Zunahme des Druckes bei Erwärmung um 1® zu dem Druck bei 0® Gels. Für ein ideales Gas beträgt die Zunahme des Druckes bei Erwärmung um 1 ® nach der Zustands- gieichung (5) ~yr. Der Druck bei O^Cels. beträgt-F^-273, also das Verhältniss beider, d. h. der Spannungscoeffizient des Gases: -— , gleich dem Ausdehnungscoeffizienten a. § 14. Verhalten bei constanter Temperatur. (Isothermische Aenderungen.) Elasticitätscoeffizient heisst das Verhältniss einer unendlich kleinen Zunahme des Druckes zu der dadurch be- dingten Contraktion der Volumeneinheit. Für ein ideales Gas ist die Contraktion eines beliebigen Volumens V bei Zunahme des Druckes um dp nach der Zustandsgieichung (5) --dV=—-^dp = —dp p^ P Die Contraktion der Volumeneinheit also =- = — , und daher V P der Elasticitätscoeffizient des Gases: d^:-^ = p, also gleich dem Druck Der reciproke Werth des Elasticitätscoeffizienten, nämlich das Verhältniss einer unendlich kleinen Contraktion der Volumen- einheit zu der entsprechenden Druckvermehrung, heisst Com- pressibilitätscoeffizient. S Onmdthatseuikitn tmd Definitionen, § 16, Die drei Goefüzienten, welohe das Verhalten einer Substaius bei iaopiestischen^ igochorischen und isothermischen Aenderungen kennzeichnen^ sind nicht unabhängig von einander, sondern, für jede beliebige Substanz^ durch eine feste Beziehung verknüpft Durch Differentiation der Zustandsgieichung ergibt sich nämlich allgemein: wobei, wie üblich, der angefügte Index diejenige Variable be- zeichnet, welche bei der Differentiation constant zu halten ist. Setzt man nun dp = 0, so erhält man die Bedingimg, welche ftlr eine isopieatische Aenderung zwischen den Differentialen d %t und dv gilt, also entsprechend geschrieben: (dp) (6) (l^] — v^^A ^ ^ \d &)p "" /dp_\ Man kann daher f)ir jeden Zustand einer Substanz eine der drei Grössen: Ausdehnungscoeffizient, Spannungscoeffizient, Compressibilitätscoeffizient, aus den beiden anderen berechnen. Nehmen wir z. B. Qu^ksilber bei 0^ Gels, und Atmosphären- druck. Der Ausdehnungscoeffizient ist nach § 12 Der Compressibilitätscoeffizient, bezogen auf Atmosphären, nach § 14 _ (4^] Jl = 0,000003 Also nach (6) der Spannungscoeffizient (§ 13), bezogen auf Atmosphären: ( dp \ _ _ (d^\ ( dv \ ^ \d(^)p ^ 0,00018 ^ g^ \d&)v \dv)^'[d^)p ldv\ 0,000 008 d. h. um Quecksilber bei der Erwärmung von 0^ auf 1^ aul C0nstaQ,tem Volumen zu erhalten, bedarf es einer Druckzunahme von 60 Atmosphären. § 16, ICisohuBgen idealer Gase. Wenn verschiedene be- liebig grosse Quantitäten eines und desselben Gases von gleicher Temperatur, 9 Temperatur und gleichem Druck, welche Anüaiigs durch Scheide- wände getrennt sind, mittelst plötzlicher Beseitigung derselben in Berührung gebracht werden, so ist und bleibt selbstverständlich das Volumen des gesammten Systems gleich der Summe der Einzelvolumina^ Wenn aber die in Berührung gebrachten Gase verschiedener Natur sind, so zeigt die Erfahrung, dass auch dann, bei constant gehaltener gleichmässiger Temperatur und Druck, das Gesammtvolumen dauernd gleich der Summe der ursprünglichen Einzelvolumina bleibt, obwohl sich gleichzeitig ein langsamer Mischungsvorgang, die DiflFusion, vollzieht, der erst dann sein Ende erreicht, wenn die Zusammensetzung der Mischung in jedem noch wahrnehmbaren Baumtheil überall die nämliche, d. h. die Mischung physikalisch homogen ge- worden ist. § 17. Man kann sich das entstandene Gemisch von vorn- herein in zweierlei Weise constituirt denken. Entweder könnte man annehmen, dass bei der Vermischung jedes einzelne Gas sich in unwahmehmbar viele kleine Theile spaltet, deren jeder aber sein Volumen und seinen Druck unverändert beibehält, und dass diese kleinen Theile der verschiedenen Gase sich bei der Diffusion nebeneinandermengen, ohne sich gegenseitig zu durch- dringen; dann hätte auch nach beendigter Diffusion jedes Gas noch sein altes Volumen (Partialvolumen) und alle Gase hätten denselben gemeinsamen Druck. Oder aber — und diese Auf- fassung wird sich weiterhin (§ 32) als die allein berechtigte er- weisen — man kann annehmen, dass die Einzelgase sich auch in ihren kleinsten Volumtheilen verändern und durchdringen, dass also nach beendigter DiflFusion jedes Einzelgas, soweit man überhaupt noch von einem solchen reden kann, das Volumen des ganzen Gemisches einnimmt und demzufolge unter einem geringeren Druck als früher steht. Man kann diesen Druck eines Einzelgases in der Mischung, seinen sog. Partialdruck, leicht berechnen. § 18. Bezeichnet man die einzelnen Gase durch angefügte Zahlenindices, während Temperatur & und Druck p ohne Index gelassen werden, so ist vor Beginn der DifiFusion naoh der Zu- standsgleichung (5): 10 Oi'undthatsaehen und Definitionen, Das Gesammtvolumen: r^Fi + F^ + ... bleibt nach § 16 diircli die DiflFusion unverändert Da nun nach beendigter Diffusion jedem einzehien Gas das ganze Volumen F zugeschrieben wird, so sind dann die Partialdrucke nach der Gleichung (5) und nach den letzten Gleichungen: l*) Pl = V — "V^^ ^2— y — — -y^P' ••• Durch Addition ergiebt sich: (8), P^ +P^ + . . . = y. P=^P Das Gesetz von Dalton, welches besagt, dass in einer homogenen Gasmischung der Druck gleich ist der Summe der Partialdrucke aller einzelnen Gase. Gleichzeitig sieht man, dass (9) p^ : p^ : , . . = F^ : F^ : . . . =s 0^ M^ : C^ M^ : . . . d. h. die Partialdrucke der Einzelgase stehen in demselben Ver^ hältniss wie die Volumina, welche die Gase vor der Diffusion hatten, bez. wie die Partialvolumina, welche die Gase nach der im § 17 zuerst geschilderten Auffassung in der Mischung ein- nehmen würden. § 19. Die Zustandsgieichung der Mischung lautet nach (8) und (7): (10) p=^(C,M,+C,M, + ...)^ entspricht also ganz der Zustandsgieichung (5) eines idealen Gases, dessen charakteristische Constante ist: Daher kann durch die Untersuchung der Zustandsgieichung niemals entschieden werden, ob ein ideales Gas chemisch einfach ist oder eine Mischung verschiedener chemisch einfacher Gase bildet. § 30. Die Zusammensetzung einer Gasmischuüg definirt man entweder durch die Verhältnisse der Massen M^^ M^ . , . oder durch die der Partialdrucke /?j, /?2 • • • bez. Partialvolumina Fj, Tg . . . der Einzelgase. Je nachdem spricht man entweder Temperatur. 11 von Gewichtsprozenten oder von Volumenprozenten. Nehmen wir z. B. atmosphärische Luft, eine Mischung von Sauerstoff (1) und von „atmosphärischem" Stickstoff (2). Das Verhältniss der Dichten von Sauerstoff, atmosphärischem Stickstoff und Luft ist nach § 11 0,0014291 : 0,0012571 : 0,0012930 = ^:^:^. Unter Berücksichtigung der Beziehung (11) berechnet sich hieraus das Verhältniss M^:M^ = 0,2998 d. h, 23,1 7o Sauerstoff und 76,9 7^ Stickstoff nach Gewichts- Prozenten. Femer das Verhältniss G,M, : C^M, =.p^:p^=.V,:V, = 0,2637 d. h. 20,9 7^^ Sauerstoff und 79,1 7^ Stickstoff nach Volumen- Prozenten. § 31. Znstandsgleichung anderer Substanzen. Stellt schon für die bisher beispielsweise behandelten Substanzen die Zu- standsgleichung idealer Gase nur eine, wenn auch bedeutende, Annäherung an die Wirklichkeit dar, so zeigen die anderen gasförmigen Körper, besonders diejenigen, die sich leicht con- densiren lassen, und die daher früher in die besondere Klasse der Dämpfe zusammengefasst wurden, ein von den Eigenschaften idealer Gase deutlich abweichendes Verhalten, so dass für sie eine Modification der Zustandsgieichung eintreten muss. Dabei ist jedoch bemerkenswerth, dass die Abweichungen von dem Verhalten idealer Gase um so geringer auszufallen pflegen, je kleiner die Dichte genommen wird, weshalb man im Allgemeinen sagen kann, dass sich die gasförmigen Substanzen bei genügend geringer Dichte wie ideale Gase verhalten. Die Zustands- gieichung beliebiger Gase und Dämpfe wird sich also als eine Verallgemeinerung derjenigen für ideale Gase darstellen müssen, welche für grosse Werthe von t? in die spezielle oben behandelte Form (5) übergeht. § 23. Von dem Sinn und der Grösse der Abweichungen von dem idealen Gaszustand kann man sich auf graphischem Wege eine Vorstellung verschaffen, und zwar auf verschiedene 12 Orundthatsc^chen Whd Definitionen, Weise. Mun kwm ^ 6. eine isotbenoisiQbe Curve au&eichnen, indem man für eine beliebige oonstant gehaltene Temperatur i^ je zwei zusammengehörige Werthe von v und p als Absdisse und Ordinate eines Puixktes in einer Ebene auffas^b Die Scbaar aller Isothermen liefert ein vollständiges Bild der Zustands- gieichung. Je mehr nun sich das Verhalten des betrachteten Gases dem idealen nähert, um so enger schliessen sich die Isothermen an die gleichseitigen Hyperbeln an, welche die Coordinatenaxen zu Asymptoten haben. Denn für ein ideales Gas ist die Gleichung einer Isotherme: pv = con8t. Die Ab- weichung von der Form dieser Hyperbel gibt also zugleich ein Maass für die Abweichung von dem idealen Gaszustand. § 33. Augenscheinlicher noch werden diese Abweichungen, wenn man die Isotherme in der Art zeichnet, dass nicht p, sondern das Produkt pv ais Ordinate, und als Abscisse etwa p erscheint. Für ein ideales Gas sind dann die Isothermen offenbar gerade, der Abscissenaohse parallele Linien. Für die wirklichen Gase zeigt nun eine solche Linie ein allerdings flach verlaufendes Minimum, dessen Lage und Betrag natürlich von der Temperatur und von der Natur des Gases abhängt Für kleinere Drucke (links vom Minimum) nimmt also das Volumen ndt steigendem Druck schneller, für höhere Drucke (rechts vom Minimum) nimmt es mit steigendem Druck langsamer ab als bei idealen Gasen. Im Minimum selber ist die Compressibilität gerade die eines idealen Gases. Beim Wasserstoff liegt das Minimum sehr weit Unks, und konnte bisher nur bei sehr tiefen Temperaturen nachgewiesen werden. § 34. Die erste auch für den flüssigen Zustand brauchbare analytische Formiilirung der verallgemeinerten Zustandsgleiohung rührt her von van dbb Waals, der zugleich auch eine physika- lische Erklärung für die Abweichunigen vom idealen Gaszustand, vom Standpunkt der kinetischen Gastheorie aus, gegeben hat« Da wir uns hier von den Voraussetzungen der kinetischen Theorie frei halten woUen, haben wir es nur mit der van DEnWAALs'schen Formel selber^ als einem angenäherten Ausdruck der Thatsachen^ zu thun. Sie lautet: __ R& a wobei Rj a und b Constante sind, die von der Natur der Substanz abhängen. Für grosse v geht die Gleichung in der That in die Temperatur, 1 3 eines idealen Gases über; für kleine v und entsprechende & stellt sie die Zustandsgieichung der tropfbar flüssigen Sub- stanz dar. Wenn der Druck p in Atmosphären ausgedrückt und das spezifische Volumen t? für i9- = 273 und ;? = 1 gleich 1 gesetzt wird, so ist nach van dee Waals für Kohlensäure: R = 0,00369 a = 0,00874 h = 0,0023. Da das Volumen von 1 gr, Kohlensäure bei 0® Geis, und Atmosphärendruck 505 ccm beträgt, so hat man die aus der Formel sich ergebenden Werthe von v noch mit 505 zu multi- pliciren, um die spezifischen Volumina in absolutem Maasse za erhalten. § 35* Da die van deb WAALs'sche Formel sich als nicht vollständig exakt herausgestellt hat, so ist sie von Clausius durch Einführung einer weiteren Constanten einer Ergänzung unterzogen worden. Die ÜLAUSius'sche Formel lautet: ^ ~ V^^ "" ^{v -k- 6)« ^ ^ Auch diese Formel ergibt für grosse v die Zustandsgieichung eines idealen Gases. In denselben Einheiten wie oben ist nach Clausius flir Kohlensäure: R = 0,003688 a = 0,000843 h = 0,000977 c = 2,0935. Die ANDEBWs'schen Beobachtungen über die Compressibilität gasförmiger und flüssiger Kohlensäure bei verschiedenen Tem- peraturen werden durch die letzte Formel ziemlich befiriedigend dargestellt. § 36. Wenn man die Schaar der Isothermen, wie sie durch die Clausius' sehe Formel für Kohlensäure dargestellt werden, aufzeichnet, indem man für je einen constant gehaltenen Werth der Temperatur die Werthe von v als Abscissen, die von p als Ordinaten der Punkte einer Curve aufträgt, so erhält man ein eigenthümliches, in Fig. 1 versinnlichtes Bild.^) Für hohe Temperaturen erscheinen gleichseitige Hyperbeln, wie auch aus der Zustandsgieichung (12) zu erkennen; im All- gemeinen aber ist eine Isotherme eine Curve 3. Grades, da einem bestimmten Werth von p im Allgemeinen 3 Werthe von *) Die Berechnung und Zeichnung der Curven ist nach der Clausius- schen Zustandsgieichung von Herrn Dr. Richard Apt ausgeführt worden. ao w \ \ \ \ \ \ IS 6S \ ^j: X \ \ \ \ s v^ \ \ \ A ^ , ^ i^ \ \ /1 \ \ \ .\ \ SS / / ' /^ ^ \ \ ,\ \ V / ^ \ ^ w / ^ \ iw" w 3Q / / SO J5 30 '. ^ / *■ CubitceHtinatT p Temperatur. 15 t; entsprechen. Mithin wird eine Isotherme im AUgemeinen in 3 Punkten Ton einer der Abscissenaxe parallelen Geraden ge- schnitten. Zwei derselben können aber imaginär sein, wie das für grosse Werthe von & thatsächlich zutriflfL Für hohe Tem- peraturen gibt es also bei gegebenem Druck nur ein einziges reelles Volumen, während für tiefere Temperaturen einem be- stimmten Werth des Druckes 3 reelle Werthe des Volumens entsprechen können. Von diesen 3 Werthen, die in der Figur beispielsweise durch die Punkte a, ß, y dargestellt sind, können nur der kleinste {u) und der grösste (y) einen stabilen, in der Natur herstellbaren, Zustand der Substanz bedeuten. Denn für den mittleren (ß) steigt offenbar auf der Isotherme der Druck mit wachsendem Volumen an, die Compressibilität ist also nega- tiv. Ein derartiger Zustand hat daher zunächst nur theoretische Bedeutung. § 37. Der Punkt ce entspricht der flüssigen, der Punkt y der gasförmigen Kohlensäure bei der Temperatur der Isotherme und bei dem Druck der Geraden aßy. Doch ist im Allge- meinen auch von diesen beiden Zuständen nur einer stabil (in der Fig. der Zustand u). Denn wenn man gasförmige Kohlen- säure, die etwa in einen Cylinder mit beweglichem Kolben ein- geschlossen ist, comprimirt und dabei die Temperatur der be- trachteten Isotherme (in der Fig. 20^) constant aufrecht erhält, so werden die aufeinanderfolgenden Zustände zunächst durch die ganz rechts gelegenen Punkte der Isotherme bezeichnet. Mit Verkleinerung des Volumens rückt der den Zustand bezeich- nende Punkt auf der Isotherme immer weiter nach links, bis er eine bestimmte Stelle G erreicht. Bei weiterer isothermer Compression der Substanz rückt nun der Punkt über diese Stelle nicht hinaus, sondern die Substanz condensirt sich zum Theil, d. h. sie spaltet sich in einen flüssigen und einen gasförmigen Theil, die selbstverständlich gemeinschaftlichen Druck und ge- meinschaftliche Temperatur besitzen. Der Zustand des gas- förmigen Theils wird bei fortschreitender Compression nach wie vor immer durch den Punkt C, der des flüssigen Theils daher durch den Punkt Ä der nämlichen Isotherme charakterisirt. G heisst der Sättigungspunkt der gasförmigen Kohlensäure. Bei dem ganzen isothermischen Compressionsvorgang besteht die einzige Aenderung darin, dass sich immer mehr Dampf nieder- 16 Orundthatscu^ten und Definitionen, schlägt, während die inneren Zustände der heiden Theile der Suhstanz (Druck, Temperatur, spezifische Volumina) während des ganzen Gondensationsprozesses immer durch die nämlichen Punkte A und C dargestellt werden. Schliesslich, wenn aller Dampf condensirt ist, befindet sich die ganze Substanz im flüssigen Zustand A, verhält sich also nun wieder homogen. Die weitere isothermische Compression ergibt dann wieder Zunahme der Dichtigkeit und Steigerung des Druckes längs der Isotherme, wobei auch der Punkt a der Fig. überschritten wird. Auf dieser Seite ist, wie aus der Fig. zu erkennen, die Isotherme viel steiler als auf der andern, d. h. die Compressibilität viel ge- ringer. Bisweilen gelingt es bei der Compression eines Dampfes, die Isotherme über den Punkt G hinaus nach y hin eine Strecke weit zu verfolgen und sogenannten übersättigten Dampf herzu- stellen. Man erhält aber dann nur mehr oder weniger labile Gleichgewichtszustände, wie sich daraus zu erkennen gibt, dass bei minimalen Störungen des Gleichgewichts eine plötzliche Con- densation, also ein sprungweiser Uebergang in den stabilen Zu- stand erfolgen kann. Immerhin erhält durch das Studium der übersättigten Dämpfe auch das theoretische Stück der Isotherme zum Theil eine unmittelbare Bedeutung. § 38. Nach dem Gesagten besitzt jede Isotherme, die für gewisse Werthe von p 3 reelle Volumina zulässt, zwei bestimmte Stellen Ä und G, die den Zustand der Sättigung angeben. Ihre Lage lässt sich aus der Zeichnung der Isotherme nicht ohne weiteres ersehen. Doch führen die Sätze der Thermodynamik zu eiiier einfachen Construktion dieser Punkte, die im vierten Abschnitt (§ 172) abgeleitet werden wird. Je höher die Tem- peratur genommen wird, um so mehr schrumpft das Gebiet der Geraden zusammen, welche die Isothermen in 3 reellen Punkten schneiden, und um so näher rücken sich diese 3 Punkte. Den Uebergang zu den hyperbelähnlichen Isothermen, welche von jeder zur Abscissenaxe Parallelen nur in 1 Punkt geschnitten werden, bildet eine bestimmte Isotherme, für welche jene 3 Schnittpunkte in einen einzigen zusammenfallen. Dieser Punkt stellt also einen Wendepunkt der Isotherme vor, in welchem die Tangente der Curve parallel der Abscissenaxe verläuft. Es ist der kritische Punkt K der Substanz (s. Fig.), er bezeichnet die kritische Temperatur, das kritische spezifische Volumen, und Temperatur, 1 7 den kritischen Druck; für ihn wird der gesättigte Dampf mit seinem Niederschlag identisch. Oberhalb der kritischen Tem- peratur und oberhalb des kritischen Druckes gibt es überhaupt keine Condensation, wie leicht aus der Fig. zu ersehen. Daher mussten alle Versuche scheitern, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff zu condensiren, solange die Temperatur nicht unter die kritische Temperatur, die bei diesen Substanzen sehr tief liegt, erniedrigt wurde. § 29. Man sieht aus der Fig. 1 auch, dass es garkeine bestimmte Grenze gibt zwischen dem gasförmigen und dem flüssigen Zustand, da man leicht aus dem Bereich der ent- schieden gasförmigen Zustände, z. B. vom Punkte G aus, auf einer Curve, die um den kritischen Punkt oben herumführt, in das Gebiet der entschieden flüssigen Zustände, z. B. nach A kommen kann, ohne irgendwo einen gesättigten Zustand zu überschreiten. Man erwärme z. B. den Dampf bei constantem Volumen über die kritische Temperatur hinaus und kühle ihn hierauf bei constant gehaltenem Drucke bis unter das kritische Volumen ab. Dann tritt niemals Gondensation ein, und doch befindet man sich schliesslich im Gebiet der unzweifel- haft flüssigen Zustände. Die frühere principielle Unterscheidung zwischen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen muss daher als nicht mehr durchführbar fallen gelassen werden. Auch der in neuerer Zeit gemachte Vorschlag, diejenigen Zustände, welche einer höheren Temperatur als der kritischen angehören, als gasförmig, die übrigen dagegen als dampfförmig oder flüssig zu bezeichnen, je nachdem sie in der Fig. 1 rechts oder links yon den theoretischen Gebieten liegen, hat gewisse Unzuträglichkeiten im Gefolge, da hiedurch namentlich eine Grenze einerseits zwischen Flüssigkeit und Gas, andrerseits zwischen Dampf und Gas festgesetzt wird, die keine unmittel- bare physikalische Bedeutung hat. Denn das Ueberschreiten der kritischen Temperatur bei einem anderen als dem kritischen Druck unterscheidet sich in keiner wesentlichen Hinsicht von dem Ueberschreiten irgend einer anderen Temperatur. § 30. Der kritische Punkt lässt sich leicht aus det allge- meinen Zustandsgieichung berechnen. Denn für ihn gelten nach § 28 die Gleichungen: , Planck, Thermodynamik. 2 18 Orundtkatsachen und Definitionen. TOD denen die erste besagt^ dass die Tangente der Isotherme in K parallel der Abscissenaxe verläuft, die zweite, dass die Isotherme in K einen Wendepunkt besitzt Legt man die CLAüSius'sche Zustandsgieichung (12) zu Grunde, so ergibt sich hienach für den kritischen Punkt: also für Kohlensäure nach den mitgetheilten Zahlen: i?. = 304 = 273« + 31% i? = 77Atm., «; = 2,27^^. gr Qualitativ gelten für jede Substanz dieselben Gesetzmässigkeiten wie für Kohlensäure^ aber die Werthe der Constanten sind sehr verschieden. § 31« Auch bezüglich des Uebergangs aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand lassen sich genau dieselben Be- trachtungen anstellen, wie für den aus dem gasformigen in den flüssigen, auch hier kann man das System der Isothermen zeich- nen, und auch hier würde man wahrscheinlich, wenn die Hilfs- mittel der experimentellen Forschung so weit reichten, sowohl „theoretische" Gebiete der Isothermen als auch einen kritischen Punkt constatiren können, dessen Umgehung einen continuir- lichen Uebergang aus dem flüssigen in den festen Aggregat- zustand ermöglicht. In der That gibt es ja gewisse Substanzen, die schon unter gewöhnUchem Druck beim Erwärmen ohne jeden erkennbaren Sprung aus dem festen in den flüssigen Zu- stand übergehen, wie z. B. Pech, während wieder bei anderen Substanzen einer bestimmten Temperatur ein ganz bestimmter Schmelzdruck (oder Erstarrungsdruck) entspricht, bei welchem sich die Substanz in zwei diflferente Aggregatzustände spaltet; doch ist der Schmelzdruck mit der Temperatur ausserordentlich viel stärker veränderlich als der Druck des gesättigten Danipfes. Für die physikalische Berechtigung der geschilderten Auffassung sprechen besonders die Versuche von Baeüs und die von Spbing, bei denen die Drucke innerhalb weiter Grenzen variirt wurden. Die vollkommenste Zustandsgieichung wäre eine solche, welche zugleich den gasförmigen, flüssigen und festen Aggregat- zuständ umfasste. Die Aufstellung derselben ist aber bis jetzt für keine Substanz versucht worden. Molekulargewicht. 19 § 32« Miflchnngen verschiedener Substanzen. Während sich die Zustandsgieichung einer Mischung idealer Gase, wie wir in §19 sahen, in einfacher Weise auf die der einzelnen Com- ponenten zurückführen lässt, ist das bei Mischungen beliebiger Substanzen im Allgemeinen nicht mehr der Fall. Nur bei Gasen und Dämpfen gilt^ wenigstens mit grosser Annäherung, das ÜAiiTON'sche Gesetz, dass der Gesammtdruok einer Mischung gleich ist der Summe der Einzeldrucke, welche jedes Gas (oder Dampf) ausüben würde, wenn es allein bei derselben Temperatur das ganze Volumen ausfüllte. Dieser Satz gestattet es offenbar, die Zustandsgieichung einer beliebigen Gasmischung anzugeben, falls die der einzelnen Gase bekannt ist, er liefert ausserdem auch die Entscheidung der oben § 17 unbeantwortet gelassenen Frage, ob man den einzelnen Gasen in einer Mischung gemein- samen Druck und verschiedene Volumina, oder ob man ihnen gemeinsames Volumen und verschiedenen Druck zuschreiben muss. Dass die letztere Auffassung die allein zulässige ist, folgt aus der Betrachtung eines Dampfes, der sich weit von dem idealen Gaszustand entfernt: Nehmen wir z. B. eine Mischung atmosphärischer Luft und Wasserdampf bei 0^ Cels. unter Atmo- sphärendruck, so kann man den Wasserdampf unmöglich als unter dem Druck einer Atmosphäre befindlich annehmen, weil Wasserdampf bei 0^ Cels. unter diesem Druck nicht existirt. Es bleibt also nur übrig, der Luft und dem Wasserdampf ein gemeinsames Volumen (dasjenige der Mischung) und verschiedene Drucke (Partialdrucke) zuzuschreiben. Für Mischungen fester und flüssiger Substanzen ist kein allgemein gültiges Gesetz bekannt, welches die Zustandsgieichung auf diejenige der einzelnen Substanzen zurückführt. II. Capitel. Molekulargewicht. § 33« Es ist im Bisherigen immer nur von solchen Zu- standsänderungen die Eede gewesen, welche allein die Tempe- ratur, den Druck und die Dichte betreffen, dagegen die che- mische Natur des betr. Stoffes oder der Mischung ganz unberührt lassen. Es kommt aber auch häufig, — und viel häufiger, als man früher annahm — vor, dass durch eine Aenderung der Temperatur oder des Druckes auch die chemische Beschaffenheit 20 Orundthatsachen und Definitionen, einer Substanz geändert wird. Dass auch vom thermodynamischen Standpunkt aus ein principieller unterschied zwischen physika- lischen und chemischen Aenderungen einer Substanz, der einen continuirlichen Uebergang Ton den einen zu den andern aus- schliessty constatirt wetden muss, ist im Lauf der neuem Ent- wicklung der Thermodynamik immer deutlicher hervorgetreten (vgl. § 42 f. und § 238), wenn es sich auch bis jetzt als unmög- lich gezeigt hat, ein für alle Fälle geeignetes praktisches Unter- scheidungsmerkmal aufzustellen. Denn wie auffallend auch oft die chemischen Aenderungen sich von den physikalischen abheben, entweder durch die Plötzlichkeit und Heftigkeit ihres Verlaufes oder durch irgendwelche augenfällige Discontinuitäten (Wärme- erzeugung, Aenderungen der Farbe und anderer Eigenschafben), so gibt es doch andererseits zahlreiche Prozesse unzweifelhaft chemischer Natur, z. B. Dissociationsvorgänge, die sich voll- kommen stetig und verhältnissmässig langsam abspielen. Es wird eine der nächsten Hauptaufgaben der physikalischen Chemie sein, diesen principiellen Unterschied immer klarer herauszu- arbeiten. § 34. Die Erfahrung lehrt, dass alle chemischen Um- setzungen nach Constanten Gewichtsverhältnissen erfolgen. Da- her kann man als charakteristischen Ausdruck für die Natur einer chemisch homogenen Substanz, sei sie ein Element oder eine Verbindung, eine Gewichts- (richtiger Massen-) Grösse be- nutzen: das Aequivalentgewicht. Für irgend ein bestimmtes Element setzt man das Aequivalentgewicht willkührlich fest, z. B. für Wasserstoff = 1 gr, und findet dann für ein anderes Element, z. B. Sauerstoff, das zugehörige Aequivalentgewicht als diejenige Gewichtsmenge, welche sich mit 1 gr Wasserstoff ver- bindet. Die Gewichtsmenge der Verbindung ist dann zugleich auch das Aequivalentgewicht derselben. So fortschrritend ge- langt man leicht zu Werthen des Aequivalentgewichts für alle chemisch homogenen Stoffe, auch für solche Elemente, die sich gamicht direkt mit Wasserstoff verbinden, da immer eine An- zahl von Elementen aufgefunden werden kann, welche sich so- wohl mit dem fraglichen Element als auch mit Wasserstoff ver- binden und so den Uebergang zwischen beiden vermitteln. Das Gesammtgewicht eines Körpers, dividirt durch sein Aequivalentgewicht, heisst die im Körper enthaltene Zahl der Molekulargewicht, 21 Aequivalente. Daher kann man auch sagen: Bei jeder che« mischen Umsetzimg reagiren gleichviel Aequivalente der ver- schiedenen Stoffe aufeinander. § 35« Indessen leidet diese Definition an einem Mangel. Denn zwei Elemente können häufig mehr als eine einzige Ver- bindung mit einander eingehen, und dadurch wird die Grösse des Aequivalentgewichts mehrdeutig. Doch zeigt die Erfahrung, dass in einem solchen Falle die verschiedenen möglichen Ge- wichtsverhältnisse immer einfache Multipla oder Submultipla eines bestimmten Verhältnisses sind. Daher reducirt sich die Vieldeutigkeit in dem Werth des Aequivalentgewichts auf einen einfachen ganzzahligen Faktor im Zähler oder Nenner dieser Grösse, und man muss den Schlusssatz des vorigen Paragraphen, dass gleichviel Aequivalente aufeinander reagiren, dahin verall- gemeinem, dass die Aequivalente nach einfachen Zahlenverhält^ nissen aufeinander reagiren. So z. B. verbinden sich 16 Ge- wichtstheile Sauerstoff mit 28 Gewichtstheilen Stickstoff zu Stickstoffoxydul, oder mit 14 Theilen zu Stickstoffoxyd, oder mit 9\ Theilen zu Salpetrigsäureanhydrid, oder mit 7 Theilen zu Untersalpetersäure, oder mit 5f Theilen zu Salpetersäure- anhydrid, so dass man, wenn das Aequivalentgewicht des Sauer- stoffs zu 16 angenommen wird, dem Stickstoff jede beliebige der obigen Zahlen als Aequivalentgewicht zuschreiben kann. Dieselben stehen aber in einfachen rationalen Verhältnissen, da 28 : 14 : 9^ : 7 : 5| = 60 : 30 : 20 : 15 ; 12 . § 86. Die durch die letzte Zahlenreihe illustrirte Unbe- stimmtheit in der Definition der für den Stickstoff charakte- ristischen Gewichtsgrösse wird nun dadurch beseitigt, dass man aus ihr eine bestimmte Zahl herausgreift und sie als Mole- kulargewicht des Stickstoffs bezeichnet. In der Definition des Molekulargewichts als einer ganz bestimmten, .nur von dem eigenen Zustand einer Substanz abhängigen, von etwaigen che- mischen Umsetzungen mit anderen Stoffen aber unabhängigen Grösse, liegt eine der wichtigsten und fruchtbarsten Errungen- schaften, welche die theoretische Chemie aufzuweisen hat. Die- selbe lässt sich allerdings bis jetzt nur für spezielle Fälle exakt aussprechen, nämlich für ideale Gase und für verdünnte Lösungen. Da der letztere Fall sich, wie in der Folge gezeigt werden wird. 22 Orundthatsachen und Definitionen, mittelst der Thermodynamik als durch den ersten mitbestimmt darstellen lässt, so haben wir es hier nur init jenem zu thim. Die Definition des Molekulargewichts flir ein chemisch homogenes ideales Gas wird ermöglicht durch den weiteren Er- fahrungdBatz, dass die idealen Gase sich nicht nur^ wie überhaupt alle Stoflfe, nach einfachen Aequivalentzahlen, sondern auch, bei gleicher Temperatur und gleichem Druck genommen^ nach ein- fachen Völumenverhältnissen yerbinden (Gay Lussac). Daraus folgt sogleich, dass die in gleichen Volumina yerschiedener Gase enthaltenen Aequivalentzahlen in einfachen Verhältnissen stehen. Die Werthe dieser Verhältnisse schwanken ab^, gemäss der beschriebenen Willkühr in der Wahl des Aequivalentgewichts. Die Willkühr wird aber beseitigt durch die Definition des Mole^ kulargewichts. Setzt man nämlich diese Verhältnisse allgemein =1, d. h. stellt man die Bedingung auf, dass die Zahlen der in gleichen Gasvolumina enthaltenen Aequivalßnte einander gleich sind, so trifft man damit eine spezielle Auswahl unter den ver- schiedenen Möglichkeiten und erhält so ein bestimmtes Aequi- valentgewicht für jedes Gas, das nun als Molekulargewicht des Gases bezeichnet wird, und ebenso für eine gegebene Gasmenge durch Division des Geöammtgewichts durch das Molekulargewicht eine bestimmte Aequivalentzahl, welche die Anzahl der in der Gasmenge enthaltenen Moleküle genannt wird. In gleichen Volumina besitzen also alle idealen Gase gleichviel Moleküle (AvoGADEo). Daher werden in chemisch homogenen Gasen die Verhältnisse der Molekulargewichte direkt durch die in gleichen Volumina enthaltenen Massen, d. h. durch die Dichten, gegeben. Das Verhältniss der Dichten ist gleich dem Verhältniss der Molekulargewichte. § 37. Setzt man das Molekulargewicht des Wasserstoffs = m^,, so ist mithin das Molekulargewicht irgend eines chemisch homo- genen Gases gleich dem Produkte von m^ und der spezifischen Dichte des Gases, bezogen auf Wasserstoff (§ 11). Folgende Tabelle enthält für einige Gase die spezitischen Dichten, bezogen auf Wasserstoff, und das Molekulargewicht Spezifische Dichte Molekulargewicht WasserstoflP 1 Wo Sauerstoff 16 16 Wo Stickstoff 14 14 Wo Wasserdampf 9 9 Wo Ammoniak 8,5 8,5 Wo Molekulargewicht, 23 Da nun Wasserdampf sich aus 1 Gewichtstheil Wasserstoff und 8 Gewichtstheilen Sauerstoff zusammensetzt, so bestdit das Molekül 9 niQ des Wasserdampfes nothwendig aus m^ Gewichfe- theilen Wasserstoff und 8 w^ Gewichtstheilen Sauerstoff, d. h. nach der Tabelle aus einem Molekül Wasserstoff und einem halben Molekül Sauerstoff. Da femer Ammoniak isich nach der Analyse aus 1 Gewichtstheil Wasserstoff und 4^/3 Gewichts- theilen Stickstoff zusammensetzt, so besteht das Molekül 8,5 m^ des Ammoniak nothwendig aus 1,5 w^ Gewichtstheilen Wasser- stoff und aus 7 w^ Gewichtstheilen Stickstoff, d. h. nach der Tabelle aus P/^ Molekülen Wasserstoff und einem halben Molekül Stickstoff. In derselben Weise fortfahrend kann man auf Grund des AvoGADKo'schen Gesetzes für jedes chemisch homogene Gas, dessen Dichte und chemische Zusammensetzung bekannt ist^ den Aufbau des Moleküls aus den Molekülen der Elemente in ganz bestimmten Zahlen angeben. § 88. Die kleinste Gewichtsinenge eines chemisch ein- fachen Stoffes, welche in den Molekülen der Verbindungen des Stoffes vorkommt, nennt man ein Atom. Daher heisst ein halbes Molekül Wasserstoff ein Atom Wasserstoff: H, ebenso ein halbes Molekül Sauerstoff ein Atom Sauerstoff: 0, und ein halbes Molekül Stickstoff ein Atom Stickstoff: N. Das Molekül jedes dieser Elemente besteht also aus zwei Atomen: Hg, Og und Ng. Bei Quecksilber z. B. dagegen ist das Atom gleich dem ganzen Molekül, weil in den Molekülen der Quecksilberverbindungen immer nur ganze Moleküle des Quecksilberdampfes vorkommen. Setzt man, wie üblich, das Atomgewicht des Wasserstoffs H = 1, so ist das Molekulargewicht des Wasserstoffs Hg = 2 = m^, und die Molekulargewichte der obigen Tabelle werden: Wasserstoff 2 = Hg Sauerstoff 32 = Oj Stickstoff 28 = Na Wasserdampf 18 = HjO Ammoniak 17 = HgN § 39. Allgemein ist also das Molekulargewicht eines chemisch homogenen Gases gleich seiner doppelten spezifischen Dichte, bezogen auf Wasserstoff. Umgekehrt lässt sich, wenn das Molekulargewicht m eines Gases bekannt ist, seine spezifische Dichte und somit auch die Constante G in der Zustandsgieichung 24 Qrundthaiaachen und Definitionen. (5) angeben. Bezeichnet man die auf Wasserstoff bezüglichen Grössen mit dem Index 0, so ist bei beliebiger Temperatur und Druck für Wasserstoff: l? = «'o für ein anderes Gas bei derselben Temperatur und demselben Druck: « - ^^ Daher: (13) FolgKch: Q^^^O^ m Nun ist Wq = 2, während die Constante G^ sich aus der Dichte des Wasserstoffs bei O^Cels. und Atmosphärendruck (§11) berechnet Denn hierfür ist: «^0 = 0,00008988 Mithin j9 = 1013650 (§ 7) & = 273, (7o=^ und nach (13) oder: (7 = 2 . 1013650 82600000 w • 273 • 0,00008988 w Setzt man zur Abkürzung die Zahl 82 600 000 = Ä, so ist die allgemeine Zustandsgieichung eines idealen chemisch homogenen Gases mit dem Molekulargewicht m: (14) 7^=-.-, worin R von der Natur des Gases unabhängig ist und daher ge- wöhnlich als die absolute Gasconstante bezeichnet wird. Mit Hülfe von R kann man also auch das Molekulargewicht m direkt aus der Zustandsgieichung ableiten^ da (15) ^ = "ä- MolektUargewicht. 25 Führt man in (14) statt des spezifischen Volumens v die Masse M und das Volumen V ein, so ergibt sich: p m Nun ist aber — die Zahl der im Grase enthaltenen Moleküle: m M — = w m folglich v=—.n d. h. das Volumen eines Gases bei bestimmtem Druck und Temperatur hängt nur Yon der Anzahl der darin enthaltenen Moleküle, im Uebrigen aber gamicht von der Natur des Gases ab. § 40. In einer Mischung von chemisch homogenen Gasen mit den Molekulargewichten m^ , m^ , . . . ist nach (9) das Ver- hältniss der Partialdrucke: P\ ' Pi ' - ' ' = ^1 ^\ • ^2 -^2 * • • • Da aber nach (15): n — ^ n ^ ^ W«, ^ Wj so ist dies Verhältniss: V'y • Xro • • • • ~^ • • • • • "~~ IVm • /va • • • • ^^ ^^ nii m^ 12 d. h. das Verhältniss der Partialdrucke gibt zugleich das Ver- hältniss der in der Mischung enthaltenen Molekülzahlen n^^n^^ . . . an. Femer ist nach (10) V = P P V^i ^h I d. h. das Volumen der Mischung bestimmt sich aus der Ge- samfntzahl n der in der Mischung enthaltenen Moleküle genau ebenso wie bei einem chemisch homogenen Gas. § 41. Dagegen kann man offenbar nicht von einem Mole- kulargewicht der Mischung sprechen , sondern höchstens von einem „scheinbaren" Molekulargewicht, indem man darunter das- 26 Orundthaisaeken und Definitionen. jenige Molekulargewicht yersteht, welches ein chemisch homogenes Gas hahen würde^ wenn es in derselben Hasse dieselbe Mole- külzahl wie die Mischung enthielte. Bezeichnen wir das schein- bare Molekulargewicht mit m, so ist die Molekülzahl Ml + M^ + ,,. _ M^ , -Mg , — -f- "f- • * • folglich Ml ■\- M^ -h , . . • m = ^'+^ + ... m^ m. Daraus berechnet sich z. B. das scheinbare Molekulargewicht der Luft folgendermassen. Da m^ =^0^ = 32 , m^ = N^ = 28 , ifj ; M^ = 0,3 nach § 20, so ist 32 "^2B etwas grösser als das Molekulargewicht des Stickstoffs. § 43. Ergibt somit die Zustandsgieichung für jedes ideale Gas, sei es chemisch homogen oder nicht, nach (16) unmittelbar die Gesammtzahl der darin enthaltenen Moleküle, so liefert sie, wie schon § 19 hervorgehoben wurde, kein Mittel, um zu ent- scheiden, ob die Moleküle gleichartig sind oder nicht. Bei der Untersuchung dieser Frage ist man auf andere Methoden an- gewiesen, von denen aber keine in allen Fällen praktisch brauchbar ist. Häufig führt die Beobachtung der Dififusion, namentlich durch eine poröse oder noch besser semipermeable Wand zum Ziele, indem die einzelnen Gase einer Mischung sich durch ihre ungleiche DifiFusionsgeschwindigkeit, die bei semi- permeablen Wänden bis auf Null herabsinken kann, von ein- ander trennen und so die chemische Inhomogenität der Substanz verrathen. Oft gibt auch die Entstehungsgeschichte des Gases unmittelbaren Aufschluss über seine chemische Beschaffenheit. Eine principielle Definition für ein chemisch homogenes Gas liefert erst der Ausdruck der Entropie, § 237. § 43. Wenn ein Gas oder ein Dampf den für ideale Gase gültigen Gesetzen nicht folgt, mit anderen Worten: wenn es eine von der Temperatur oder dem Druck abhängige spezifische Dichte besitzt, so kann man dennoch die AvoGADEo'sche De- finition § 39 des Molekulargewichts zur Anwendung bringen; Molekulargewicht. 27 nur ergibt sich dann offenbar keine constante, sondern eine von dem augenblicklichen Zustand abhängige Molekülzahl. Man steht also hier Yor der Wahl, für diesen Fall entweder wirklich eine veränderliche Molekülzahl anzunehmen, oder aber die AvoGADEo'sche Definition für die Molekülzahl überhaupt nicht anzuwenden, mit anderen Worten: die Ursache der Abweichung von dem idealen Gaszustand entweder in chemischen oder in physikalischen umständen zu suchen. Nach der letzteren An- schauung bleibt die chemische Natur des Grases erhalten, also die Moleküle auch bei veränderter Temperatur und verändertem Druck dieselben, sie unterliegen nur einer complicirteren Zustands- gieichung als der Boyle-Gay LussAc'schen, z. B. der van beb WAAiiS'schen oder der CLAUsius'schen. Wesentlich davon ver- schieden ist aber die andere Auffassung, nach welcher ein Gas, das Abweichungen von den Gesetzen idealer Gase zeigt, nichts anderes ist als eine Mischung mehrerer verschiedener Molekül- arten (bei Untersalpetersäure NgO^ und NOg, bei Phosphorpenta- chlorid PClg, PClg und Clg), deren Volumen in jedem Augenblick genau den durch die Gesammtzahl der Moleküle für eine Mischung idealer Gase bestimmten Werth besitzt und sich bei einer Aenderung der Temperatur und des Druckes nur deshalb nicht wie bei einem idealen Gase ändert, weil durch gleichzeitige chemische Umsetzungen die verschiedenartigen Moleküle zum Theil ineinander übergehen und dadurch ihre Gesammtzahl stetig ändern. Diese Anschauung hat sich am fruchtbarsten in allen den Fällen erwiesen, wo es sich um bedeutende Aende- rungen der Dichten handelt, um die sogenannten abnormen Dampfdichten, und dies namentlich dann, wenn die spezifische Dichte des Dampfes jenseits eines gewissen Temperatur- oder Druck-Intervalls wieder constant wird. Dann ist nämlich die chemische Umsetzung vollständig geworden und die Moleküle verändern sich nicht mehr. So z. B, verhält sich Bromwasser- stoffamylen sowohl unterhalb 160® als auch oberhalb 360® wie ein ideales Gas, doch im letzteren Zustand mit halber Dichte, entsprechend einer Verdoppelung der Molekülzahl: C,H,,Br=C,H,o + HBr. Sind aber die Abweichungen von den Gesetzen idealer Gase unbedeutend, so schiebt man sie gewöhnlich auf physikalische Ursachen, wie bei Wasserdampf und Kohlensäure, und fasst sie 28 Qrundthataachen v/nd Definitionen, als Vorboten der Condensation auf. Eine principielle Trennung der chemischen von den physikalischen Einflüssen und damit eine Vervollständigung der Definition des Molekulargewichts fllr alle yariablen Dampfdichten lässt sich zur Zeit praktisch noch nicht durchführen; so könnte man die Zunahme der spezifischen Dichte, welche viele Dämpfe in der Nähe ihres Condensations- punktes zeigen, ebensowohl chemischen Vorgängen zuschreiben, nämlich der Bildung einzelner Doppelmolektile oder überhaupt vielfacher Moleküle. In der That bestehen über diesen Punkt noch öfters Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. beim Molekular- gewicht des Schwefeldampfes unterhalb 800^, das gewöhnlich zu Sq = 192, von Einigen aber auch gemischt mit Molekülen Sg = 256 und Sg = 64, von Anderen noch anders angenommen wird. Im Allgemeinen wird man in zweifelhaften Fällen am sichersten gehen, die Frage einstweilen noch offen zu lassen und sowohl physikalische als auch chemische Veränderungen als Ursache der Abweichungen von den Gasgesetzen anzunehmen. Nur so- viel — und dies ist ein wichtiger Punkt, von dem wir später Gebrauch machen müssen — lässt sich mit Sicherheit behaupten, dass bei geringen Dichten die physikaüschen Einflüsse hinter den chemischen immer mehr zurücktreten werden. Denn nach allen Erfahrungen nähern sich alle Gase mit abnehmender Dichte dem idealen Zustand (§ 21). III. Capitel. Wärmemenge. § 44. Taucht man zwei gleich schwere Stücke von Eisen und von Blei, beide auf 100^ erhitzt, in zwei gehörig isolirte, ganz gleiche Gefässe mit gleichviel Wasser von 0^ ein, und wartet für jedes Gefäss den Zustand des Wärmegleichgewichts ab, so zeigt das Gefäss mit dem Eisenstück eine bedeutend grössere Temperaturerhöhung als das mit dem Bleistück. Umgekehrt wird ein Wasserbad von 100^ durch ein Eisenstück von 0^ be- deutend stärker abgekühlt, als durch ein gleich schweres Blei- stück von 0®. Man unterscheidet daher zwischen Temperatur und Wärmemenge und nimmt als Maass der von einem Körper abgegebenen bez. aufgenommenen Wärmemenge diejenige Tem- peraturerhöhung bez. -Erniedrigung, welche ein mit dem Körper in Berührimg gebrachter Normalkörper (Wasser) erfährt, voraus- Wärmemenge. 29 gesetzt, dass andere Ursachen der Temperaturänderung, wie Com- pression, ausgeschlossen sind. Zugleich setzt man dabei die von dem Körper abgegebene Wärmemenge gleich der von dem Normal- körper aufgenommenen Wärmemenge bez. umgekehrt. (Weiteres vgl. unten § 51). Aus dem oben beschriebenen Experiment folgt dann, dass ein Eisenstück bei Abkühlung um ein bestimmtes Temperaturintervall eine grössere (etwa die vierÜEiche) Wärme- menge abgibt als ein Bleistück von gleichem Gewicht, und um- gekehrt, dass das Eisen zu einer bestimmten Temperatur- Er- höhung der Zufuhr einer entsprechend grösseren Wärmemenge bedarf als das Blei. § 45. Als Wärmeeinheit galt früher allgemein diejenige Wärmemenge, welche einem Gramm Wasser zuzuführen ist, um es von 0® auf 1^ zu erwärmen (Nullpunktscalorie). Dieselbe ist nahezu gleich derjenigen, welche 1 gr Wasser von be- liebiger Temperatur um 1® erwärmt. Seitdem aber die calori- metrischen Messungen sich soweit verfeinert haben, dass man den Einfluss der Anfangstemperatur des Wassers berücksichtigen muss, wird häufig auch die Calorie als diejenige Wärmemenge definirt, welche 1 gr Wasser von mittlerer Zimmertemperatur (15^ bis 20®) um 1® erwärmt Dieselbe ist etwa 1,006 mal kleiner als die Nullpunktscalorie. Endlich spricht man auch von der „mittleren Calorie*' als dem hundertsten Theil derjenigen Wärme- menge, welche 1 gr Wasser von 0® auf 100® erwärmt, und welche ungefähr ebensogross ist wie die Nullpunktscalorie. Jeder dieser sogenannten ,Jdeinen'* Calorieen entspricht eine „grosse" Calorie, welche sich auf 1 Kilogramm Wasser bezieht, also den 1000 fachen Werth hat. § 46. Das Verhältniss der von 1 gr eines Stoffes aufge- nommenen Wärmemenge Q zu der durch sie bewirkten Tem- peraturerhöhung &' -^ ß- := Aß- heisst die mittlere spezifische Wärme oder die auf 1 gr bezogene mittlere Wärmecapacität des Stoffes zwischen den Temperaturen & und &'\ Danach ist die mittlere spezifische Wärme des Wassers zwischen 0® und 1® gleich einer Nullpunktscalorie. Geht man zu unend- lich kleinen Temperaturintervallen über, so erhält man die spe- zifische Wärme des Stoffes bei der Temperatur xf-: 30 GrundthcUsachen und Definitionen, Ö =0 welche im Allgemeinen mit der Temperatur veränderlich ist, jedoch für die meisten Stoffe sehr langsam. Daher ist es ge- wöhnlich gestattet, für die spezifische Wärme hei irgend einer Temperatur die mittlere spezifische Wärme in einem henach- harten massig grossen Temperaturintervall zu setzen. § 47. Bei festen Körpern und Flüssigkeiten ist die Wärme- capacität nahezu unabhängig davon, ob die Erwärmung bei con- stantem oder veränderlichem äusseren Druck vollzogen wird, weshalb man bei der Definition der Wärmecapacität in der Eegel keine besondere Bedingung hinsichtlich des Druckes hin- zufügt Bei Gasen aber wird der Werth der Wärmecapacität wesentlich davon beeinfiusst, unter welchen äusseren Umständen die Erwärmung erfolgt; daher muss hier die Definition der Wärmecapacität vervollständigt werden durch die Angabe dieser äusseren Umstände. Als Wärmecapacität eines Gases schlecht- hin gilt die Wärmecapacität bei constantem Atmosphärendruck, welche der experimentellen Bestimmung am bequemsten zu- gänglich ist. § 48. Die Reduktion der Wärmecapacitäten verschiedener Stoffe auf die Masseneinheit ist ganz willkührlich und aus dem Umstand entsprungen, dass sich verschiedene Mengen eines Stoffes am bequemsten durch Wägen vergleichen lassen. Man könnte z. B. ebensogut die Wärmecapacitäten auf die Volumen- einheit beziehen. Am rationellsten ist aber die Vergleichung solcher Gewichtsmengen verschiedener Stoffe, welche im Ver- hältniss der Molekulargewichte bez. Atomgewichte stehen, weil sich hier auf den ersten Blick gewisse Regelmässigkeiten er- geben. Die so zu vergleichenden Grössen erhält man durch Mul- tiplication der auf 1 gr bezogenen Wärmecapacität (der spezi- fischen Wärme) mit dem Molekulargewicht bez. Atomgewicht, und bezeichnet dann dies Produkt kurz als Molekül arwärme bez. Atomwärme. § 49. Die Atomwärmen der chemischen Elemente erweisen sich als nahezu constant = 6,4 (Dulong und Petit) und zwar besonders für Elemente mit hohem Atomgewicht. Strenge Gültig- keit kann dies Gesetz schon deshalb nicht beanspruchen, weil die Wärmecapacität sowohl von der molekularen Constitution Wärmemenge, 31 des Elementes (z. B. für Kohle) und dem Aggregatzustand (z. B. für Quecksilber), als auch von der Temperatur abhängt, und zwar letzteres bezeichnenderweise in besonders hohem Grade bei denjenigen Stoffen (Kohle, Bor, Silicium), welche die grössten Abweichungen von dem DuLONG-PETiT'schen Gesetze zeigen. Daraus ist zu schliessen, dass diesem Gesetz ein allge- meines Naturgesetz zu Grunde liegt, dessen genaue Formulirung aber bis jetzt noch nicht gelungen ist. § 50. Wie die Atom wärmen der Elemente, so zeigen auch die Molekularwärmen der Verbindungen, besonders solche, die eine ähnliche chemische Constitution aufweisen, gewisse Regel- mäßigkeiten. Nach dem Gesetz von F. Neümann, welches später von Regnault bestätigt worden ist, haben chemisch ähnlich zusammengesetzte Stoffe im festen Aggregatzustand gleiche Molekularwärmen. Dieses Gesetz wurde von Joule und Wobsttn noch weiter dahin ausgedehnt, dass die Molekularwärme einfach die Summe der Atomwärmen ist, indem jedes Element in jeder Verbindung die ihm eigenthümliche Atomwärme behält, mag sie nun dem DuLONG-PETiT'schen Gesetz entsprechend = 6,4 sein oder nicht Doch besitzt auch diese Beziehung nur angenäherte Gültigkeit § 51. Da alle calorimetrischen Messungen gemäss der in §44 gegebenen Definition immer nur die Beträge zugeführter oder abgeleiteter Wärmemengen ergeben, so liefern sie durchaus keinen Aufschluss über die Frage nach der Grösse der in einem Körper von bestimmter Temperatur im Ganzen „enthaltenen" Wärmemenge. Es würde nämlich widersinnig sein, die in einem Körper von gegebener Temperatur, Dichte u. s. w. enthaltene Wärmemenge etwa gleich der Anzahl der Calorieen zu setzen, welche dem Körper zugeführt werden müssen, um ihn in den betrachteten Zustand zu bringen, ausgehend etwa von einem gewissen Normalzustand. Denn die Grösse dieser Zahl würde ganz verschieden ausfallen je nach der Art und Weise, wie der Körper aus dem einen in den andern Zustand gebracht wird. tFm z. B. ein Gas von 0® unter Atmosphärendruck auf 100® und lOfachen Atmosphärendruck zu bringen, kann man entweder so verfahren, dass man das Gas zuerst bei constantem Atmosphären- druck auf lÖO® erwärmt und dann bei constant gehaltener Tem- peratur bis auf den lOfachen Druck comprimirt; oder man kann 82 OrundthcUaaohen und Definitionen. das Gas zuerst bei 0^ isotherm bis zu 10 Atmosphären com- pnmiren und dann isopiestisch auf 100^ erwärmen, oder maü kann endlich Gompression und Erwärmung gleichzeitig in ganz beliebig wechselndem Verhältniss vornehmen. In jedem aller dieser unendlich vielfach verschiedenen Fälle erhält man als Gesammtzahl der zugeführten Galorieen eine andere Grösse (vgl. die im § 77 ausgeführte Berechnung von (J), so dass man in diesem Sinne gamicht von einer bestimmten Wärmemenge reden kann, die der Körper aufzunehmen hat, um aus dem alten Zustand in den neuen zu kommen. Will man also die ,,ge- sammte in einem Körper enthaltene Wärme^^ als eine zahlen-- massig bestimmbare Grösse in die Betrachtung einführen (wie das z. B. in der kinetischen Wärmetheorie geschieht, wo die in einem Körper enthaltene Wärme als die lebendige Kraft seiner inneren Bewegungen aufgefasst wird), so hat man dieselbe jedenfalls anders zu definiren als durch die Summation der dem Körper zugeflihrten Wärmemengen. Wir werden aber im Folgenden dieses Begriffes gamicht bedürfen und daher auch keiue derartige Definition versuchen. § 52. Im Gegensatz zu der soeben geschilderten Sachlage musste die ältere CAKNOT'sche Theorie der Wärme, die von der Auffassung der Wärme als eines unzerstörbaren Stoffes ausging,, mit Nothwendigkeit zu der Folgerung kommen, dass die in einem Körper enthaltene Wärme lediglich bedingt ist durch die Zahl der von Aussen aufgenommenen oder nach Aussen ab- gegebenen Galorieen. Wird daher ein Körper auf andere Weise als durch Zuleitung von Wärme, z. B. durch Gompression oder durch Reibung, erwärmt, so blieb nach jener Theorie die im Körper enthaltene Wärme durch einen solchen Vorgang ganz ungeändert, und da doch thatsächlich eine höhere Temperatur entsteht, so war nur die Annahme übrig, dass die Wärmecapacität eines Körpers sich durch Gompression oder Keibung derartig verkleinert, dass die nämliche Wärme in ihm eine bedeutend höhere Temperatur hervorruft, ähnlich wie ein angefeuchteter Schwamm durch Gompression noch feuchter erscheint, obwohl die Menge der aufgesogenen Flüssigkeit dieselbe geblieben ist Doch schon Eümfckd und Davy bewiesen durch direkte Ver- suche, dass geriebene Kölner, in denen man doch durch ge- hörigen Aufwand von Arbeit beliebig viel Wärme erzeugen kann^ Wärmemenge, 33 bei nachträglicher Untersuchung nicht die geringste Aenderung ihrer Wärmecapacität zeigen. Auch hat zuerst Regnault durch genaue Messungen festgestellt, dass die Wärmecapacität von Gasen gamicht oder nur sehr wenig vom Volumen abhängt, sich also auch durch Gompression nicht so stark verkleinern kann, wie es für die Erklärung der Gompressionswärme nach der CAENOT'schen Theorie nothwendig wäre. Endlich haben W. Thomson und Joule durch sorgfältige Versuche gezeigt, dass ein Gas, wenn es sich ohne Ueberwindung eines äusseren Druckes ausdehnt, keine oder nur eine sehr kleine Temperatur- änderung erfährt (§ 70), weshalb die gewöhnlich bei der Aus- dehnung eines Gases beobachtete Abkühlung nicht der Volumen- vergrösserung des Gases an sich, sondern der dabei geleisteten Arbeit zuzuschreiben ist. Jedes dieser Resultate für sich allein genommen genügt, um den Satz von der ünzerstörbarkeit der Wärme zu widerlegen und so die Haltlosigkeit jener älteren Wärmetheorie darzuthun. § 58. Während im Allgemeinen die Wärmecapacität sich stetig mit der Temperatur ändert, gibt es für jede Substanz bei bestimmtem äusseren Druck gewisse singulare Temperaturpunkte, für welche mit anderen Eigenschaften auch die Wärmecapacität unstetig wird. In diesen Punkten kommt eine von Aussen zu- geführte Wärmemenge nicht mehr dem ganzen Körper zu Gute, sondern nur einem Theil desselben, und dient ausserdem nicht zur Erhöhung der Temperatur, sondern zur Veränderung des Aggregat- zustandes, und zwar zum Schmelzen, Verdampfen oder Subümiren, je nachdem die Substanz aus dem festen in den flüssigen, oder aus dem flüssigen in den gasförmigen, oder aus dem festen in den gas- förmigen Zustand übergeht Erst wenn der ganze Körper bei der nämlichen Temperatur im neuen Aggregatzustand homogen ge- worden ist, steigt bei weiterer Wärmezufuhr die Temperatur, und es wird wieder eine Wärmecapacität definirbar. Die Wärmemenge, welche nöthig ist, um 1 gr einer Substanz aus einem Aggregat- zustand in einen andern zu bringen, heisst latente Wärme, speziell Schmelz-, Verdampfungs- oder Sublimationswärme. Bei der Rückkehr in den früheren Aggregatzustand wird der näm- liche Betrag von Wärme wieder frei. Auch die latente Wärme wird, ebenso wie die Wärmecapacität (§ 48), am zweckmässigsten nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht bez. Planck, Thermodynamik. 3 34 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie, Atomgewicht bezogen; ihr Betrag hängt übrigens wesentlich mit ab von den äusseren Bedingungen, unter denen die Um- waädlung vollzogen wird (§ 47), und von denen ein constant gehaltener Druck die wichtigste ist, •§ 54. Aehnlich wie eine Aenderung des Aggregatzustandes ist auch jeder Mischungs- oder Lösungsvorgang, sowie jede chemische Umwandlung im Allgemeinen von einer grösseren oder geringeren, auch nach den äusseren Umständen veränder- lichen, Wärmeentwicklung begleitet. Dieselbe wird als die Wärmetönung des betr. Prozesses, speziell als Mischungs-, Lö- sungs-, Verbindungs-, Dissociations- u. s. w. Wärme bezeichnet, positiv, wenn Wärme frei oder entwickelt, d. h. nach Aussen abgegeben wird (exothermische Vorgänge), negativ, wenn Wärme gebunden oder absorbirt, d. h. von Aussen aufgenommen wird (endothermische Vorgänge). Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie. I. Capitel. Allgemeine Formullrung. § 55. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie ist nichts an- deres, als das Princip der Erhaltung der Energie, angewendet auf die Erscheinungen, welche unter Wärme -Produktion oder -Absorption verlaufen. Um einen allgemeinen deduktiven Beweis dieses Princips zu finden, kann man zwei verschiedene Wege einschlagen. Entweder: man stellt sich von vorneherein auf den Boden der mechanischen Naturauffassung, d. h. man nimmt an, dass alle Veränderungen in der Natur sich zurückfuhren lassen auf Bewegungen materieller Punkte, zwischen denen Kräfte wirken, die ein Potential haben. Dann ist das Energieprincip einfach der aus der Mechanik bekannte Satz der lebendigen Kraft, verallgemeinert auf behebige Naturvorgänge. Oder aber: — und dieser Weg entspricht der hier eingehaltenen Darstellung — man lässt die Frage nach der Reduktion der Naturvorgänge auf AUgemeiThe FormuUrung. 35 Bewegangen ganz offen und geht allein aus von der durch jahr- hundertelange menschliche Arbeit geprüften und in allen Fällen stets aufs Neue bewährten Thatsache, dass es auf keinerlei Weise, weder mit mechanischen, noch thermischen, noch chemischen, noch anderen Apparaten möglich ist, ein perpetuum mobile zu bauen, d. h. eine periodisch wirkende Maschine zu construiren, durch welche fortdauernd Arbeit oder lebendige Kraft aus Nichts gewonnen werden kann. Inwieweit dieser Erfahrungssatz für sich allein genommen, ganz unabhängig von der mechanischen Naturanschauung, dazu dienen kann, das Energieprincip in seiner Allgemeinheit zu erweisen, soll jedoch an dieser Stelle nicht näher untersucht werden, und zwar namentlich aus dem Grunde, weil die Gültigkeit des Princips heutzutage wohl keinem ernsten Widerspruch mehr begegnet. Anders wird es mit dem zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie sein, dessen Beweis bei dem heu- tigen Stande der Forschung nicht leicht sorgfältig genug geführt werden kann, da theils seine Allgemeingültigkeit noch mehrfach bestritten, theils seine Bedeutung, auch von seinen Anhängern,, noch recht verschieden beurtheilt wird, § 56. Die Energie eines Körpers oder Körpersystems ist eine Grösse, welche von dem augenblicklichen Zustand abhängt, in dem sich das System befindet. Um aber die Energie eines Systems in einem gegebenen Zustand durch eine bestimmte Zahl ausdrücken zu können, ist noch die Fixirung eines gewissen „Normalzustandes*^ (z.B. 0® Geis,, Atmosphärendruck) desselben Systems nothwendig, welche von vorneherein ganz nach WiUkühr erfolgen kann. Dann ist die Energie des Systems in dem ge- gebenen Zustand, bezogen auf den nach Willkühr fixirten Nor- malzustand, gleich der „Summe der mechanischen Aequivalente aller Wirkungen, die ausserhalb des Systems hervorgebracht werden, wenn dasselbe auf irgend eine Weise aus dem gegebenen Zustand in den Normalzustand übergeht". Man bezeichnet da- her die Energie auch kurz als die dem System innewohnende Fähigkeit, äussere Wirkungen hervorzubringen. Ob der Werth der Energie je nach der Art des Ueberganges in den Normal- zustand verschieden ausfällt, darüber enthält diese Definition keine Aussage» Dagegen ist zu ihrer Vervollständigung noch die Abgabe dessen nothwendig, was man unter dem mechanischen Ae^Tliyftlent einer äusseren Wirkung zu verstehen hat. 86 Der erste Hauptsatz der Wärmetheori^, § 57. Wenn die äussere Wirkung mechanischer Natur ist^ wenn sie z. B. in der Hehung eines Gewichts oder in der üeher- windung des Atmosphärefldrucks oder in der Erzeugung leben- diger Kraft besteht, so ist das mechanische Aequivalent der hervorgebrachten äusseren Wirkung einfach gleich der mecha- nischen Arbeit, welche die von dem System ausgeübte Kraft an dem äusseren Körper (Gewicht, Atmosphäre, Geschoss) leistet^ positiv, wenn die Verschiebung in der Richtung der vom System ausgeübten Kraft erfolgt, also wenn das Gewicht gehoben, die Atmosphäre zurückgedrängt, das Geschoss fortgeschleudert wird; im entgegengesetzten Falle negativ. Wenn aber die äussere Wirkung thermischer Natur ist, wenn sie also etwa in einer Erwärmung der umgebenden Körper (Atmosphäre, calorimetrische Flüssigkeit) besteht, so ist das mechanische Aequivalent dieser äusseren Wirkung gleich der Anzahl Calorieen, welche in den umgebenden Körpern die näm- liche Erwärmung bewirkt, multiplicirt noch mit einer absoluten, nur von den Maasseinheiten der Wärmemenge und der mecha- nischen Arbeit abhängigen Constanten, dem sogenannten mecha- nischen Wärmeäquivalent. Dieser Satz erscheint hier nur als Definition, er gewinnt aber einen thatsächlichen, an der Er- fahrung zu prüfenden Inhalt durch das Princip der Erhaltung der Energie. § 68. Das Princip der Erhaltung der Energie besagt^ und zwar allgemein und ausschliesslich, dass die Energie eines Systems in einem gegebenen Zustand, bezogen auf einen be- stimmten Normalzustand, einen ganz bestimmten Werth hat; oder mit anderen Worten, wenn wir den Wortlaut der Definition der Energie § 56 hier substituiren, dass die Summe der mecha- nischen Aequivalente aller Wirkungen, die ausserhalb des Systems hervorgebracht werden, wenn dasselbe auf irgend eine Weise aus dem gegebenen Zustand in den Normalzustand über- geht, unabhängig ist von der Art des Ueberganges. Das System verursacht also beim üebergang in den Normalzustand eine ganz bestimmte Summe mechanisch gemessener Wirkungen, und diese Summe — auch der „Arbeitswerth" der äusseren Wirkungen genannt — stellt eben die Energie des Systems dar. § 59. Die Gültigkeit des Energieprincips in der Natur lässt sich also an der Erfahrung dadurch prüfen, dass man ein Allgemeine Formvlirung, 37 System aus einem bestimmten Zustand auf verschiedene Weisen in einen zweiten, hier als Normalzustand zu bezeichnenden, Zu- stand bringt und nun untersucht, ob die dabei jedesmal auf- tretenden mechanischen Aequiyalente der äusseren Wirkungen in allen Fällen die gleiche Summe ergeben. Dabei ist aber besonders darauf zu achten, dass das System in allen verglichenen Fällen auch wirklich von dem nämlichen Anfangszustand aus- geht und in den nämlichen Endzustand übergeführt wird, und dass von den äusseren Wirkungen keine übersehen und keine doppelt in Anschlag gebracht wird. § 60. Als örste Anwendung besprechen wir die berühmten Versuche von Joule. Derselbe verglich die äusseren Wirkungen, die entstehen, wenn gewisse Gewichte beim Herabsinken um eine gewisse Höhe einmal nur mechanische Arbeit hervorbringen (z. B. Hebung einer Last), ein anderes Mal mittelst geeigneter Vorrichtungen durch Reibung Wärme erzeugen. Hiebei kann man die Anfangs- und die Endruhelage der Gewichte als ersten und zweiten Zustand des Systems, die erzeugte Arbeit und die erzeugte Wärme als äussere Wirkungen betrachten. Im ersten Falle, wo durch das Herabsinken der Gewichte nur mechanische Arbeit erzeugt wird, ist die Berechnung des mechanischen Aequivalents der äusseren Wirkungen einfach und erfordert keinen besonderen Versuch: es ist nach den Gesetzen der Mechanik immer das Produkt der Schwere der Gewichte und der durchfallenen Höhe. Im zweiten Falle ist eine genaue Messung der Temperaturerhöhung erforderlich,, welche die ge- riebenen umgebenden Körper (Wasser, Quecksilber) erleiden, so- wie deren Wärmecapacität, um daraus die Anzahl Calorieen be- stimmen zu können, welche in ihnen die nämliche Temperatur- erhöhung bewirkt. Dabei kommt es natürlich gamicht darauf an, welche Vorstellungen man sich über den Vorgang der Wärme- erzeugung durch Reibung im Einzelnen macht, sowie über den Verbleib der in den geriebenen Körpern erzeugten Wärme, sondern einzig und allein darauf, dass der durch Reibung in der betr. Flüssigkeit hervorgerufene Zustand identisch ist mit einem, der durch Zuführung einer bestimmten Anzahl Calorieen herbeigeführt werden kann. Indem mm Joule die dem Fall der Gewichte entsprechende mechanische Arbeit gleichsetzte dem mechanischen Aequivalent 38 Der erste Hauptsatx der Wärmetheorie. der durch die Reibung erzeugten Wärme, wie sie durch die Anzahl der gewonnenen Calorieen bestimmt wird, fand er, das& das mechanische Aequivalent einer gr Calorie unter allen Um- slÄnden gleich ist der Arbeit, welche durch die Hebung eines Gramms um 423,55 ^ dargestellt wird. Dass sich bei allen Versuchen mit verschiedenen Gewichten, Substanzen, Tempera- turen, stets wieder diese nämliche Zahl ergibt, ist ein Beweis für die Eichtigkeit des Princips der Erhaltung der Energie. § 61. Bei der Berechnung des mechanischen Wärme- äquivalents im absoluten Maasse ist zunächst zu berücksichtigen^ dass die JouLE'sche Zahl sich auf Zimmertemperaturcalorieen (§ 45) und auf die Angaben eines Quecksilberthermometers bezieht. Bei Zimmertemperatur bedeutet aber P des Queck- silberthermometers ein im Verhältniss von etwa 1 : 1,007 kleineres Temperaturintervall als P des Gasthermometers; folglich hat eine auf das Gasthermometer (§ 4) bezogene Calorie ein ent- sprechend grösseres mechanisches Aequivalent, d. h. das Aequi- valent 423,55-1,007 =427. Ferner ist noch die Grösse der Beschleunigung der Schwere zu berücksichtigen, da die Hebung eines Gramms um eine be- stimmte Höhe an verschiedenen Orten im Allgemeinen ver- schiedene Arbeiten darstellt. Der absolute Betrag der geleisteten Arbeit wird erhalten durch Multiplication der Schwerkraft, also des Produkts aus Masse und Beschleunigung der Schwere, mit der Höhe. Hieraus ergibt sich mit Rücksicht auf die oben § 45 über die Grössenverhältnisse der verschiedenen Calorieen ge- machten Angaben folgende Tabelle der Werthe des mechanischen Wärmeäquivalents : Wärmeeinheit bezogen auf Gasthermometer Entsprechende Höhe in™ der Hebung von 1 gr an einem Orte mittlerer geogr. Breite Absoluter Werth im C. G. S. System (Erg) Zimmertemperaturcalorie Nullpunktscalorie . . 427 430 419.10» 422-10'^ Die Zahlen der zweiten Columne entstehen aus denen der ersten durch Multiplication mit 98100, entsprechend der Be- schleunigung der Schwere 981 und der Beduktion von Metern auf Centimeter. Die Resultate von Joule sind durch die neueren Allgemeine Formulinmg. 39 sorgfältigen Messungen von Rowland u. A. im WesentUclieri be- stätigt worden. § 62. Man kann die Kenntniss des mechaiiischen Wärme- äquivalents benutzen I um Wärmemengen, anstatt in Calorieen, direkt in Erg auszudrücken^ und erreicht dadurch den Vortheil, dass eine Wärmemenge nicht nur proportional, sondern unmittel- bar gleich ist ihrem mechanischen Aequivalent, wodurch sich der mathematische Ausdruck der Energie vereinfacht. Diese Einheit der Wärmemenge soll in den folgenden Gleichungen überall angewendet werden; bei Zahlenrechnungen kann man jeden Augenblick durch Division mit 419-10^ zu Calorieen zu- rückkehren. § 68. Aus der oben gegebenen Formulirung des Energie- princips ergeben sich sogleich einige weitere Sätze. Da die Energie U durch den augenblicklichen Zustand des Systems be- dingt ist, so wird sich ihr Werth ändern, sobald der Zustand sich ändert. Um den Betrag der Energieänderung zu finden, die eintritt, wenn das System aus einem Zustand (1) in einen anderen Zustand (2) übergeht, und die durch die Differenz C7j — U^ bestimmt wird, hat man nach der Definition der Energie den Arbeitswerth {§ 58) aller äusseren Wirkungen zu messen, welche beim üebergang des Systems, einmal aus dem Zustand 1, das andere Mal aus dem Zustand 2, in den Normalzustand ein- treten, und diese Beträge, welche die Werthe von ü^ und ü^ darstellen, voneinander zu subtrahiren. Denkt man sich nun den ersten dieser beiden Uebergänge so eingerichtet, dass er das System aus dem Zustand 1 durch den Zustand 2 hindurch in den Normalzustand bringt, so erhellt, dass als gesuchte Differenz nur der Arbeitswerth derjenigen äusseren Wirkungen übrig bleibt, welche dem üebergang des Systems aus 1 in 2 entsprechen. Daher ist C^i — ü^, d. h. die Energieabnahme eines Systems bei irgend einer Veränderung gleich dem Arbeits- werth der äusseren Wirkungen, welche bei dieser Veränderung hervorgebracht werden, oder, was dasselbe bedeutet, die Energie- zunahme des Systems bei irgend einer Veränderung ist gleich dem Arbeitswerth der bei dieser Veränderung aufgewendeten oder verbrauchten äusseren Wirkungen: C^2 - ^1 = + ^ (17) wo Q das mechanische Aequivalent der ausserhalb des Systems 40 Ber erste Hauptsatz der Wärmetheorie, verschwundenen, etwa dem System durch Leitung zugeführten Wärme, A den Betrag der von Aussen auf das System ausge- übten Arbeit bezeichnet, positiv, wenn die Veränderung im Sinne der von Aussen auf das System wirkenden Kräfte erfolgt. Man kann die Summe Q +A auch den Arbeitswerth aller von den umgebenden Körpern auf das System ausgeübten thermischen und mechanischen Einwirkungen nennen. In diesem Sinne werden wir die Grössen Q und Ä stets benutzen. Der Werth von Q + A hängt nicht von der Art des üeber- ganges aus 1 in 2 ab, und offenbar auch nicht von der Wahl des Normalzustandes des Systems; daher ist es, solange es sich nur um Energiedifferenzen eines und desselben Systems handelt, gamicht nöthig, den Normalzustand besonders zu fixiren. Dann bleibt in dem Werth der Energie selber eine additive Constante unbestimmt. § 64. Die Differenz ü^ — U^ lässt sich auch auffassen als die Energie des Systems im Zustand 2, bezogen auf den Zu- stand 1 als Normalzustand. In der That: nimmt man 1 als Normalzustand, so ist U^ = 0, weil es dann überhaupt keiner Veränderung bedarf, um das System aus dem Zustand 1 in den Normalzustand zu bringen, und es wird U^ -^ ü^ = U^, Daher wird der Normalzustand manchmal auch Nullzustand genannt. § 65. Wenn der Zustand 2 mit dem Zustand 1 identisch gewählt wird, so macht das System beim Uebergang von 1 zu 2 einen sogenannten „Kreisprozess" durch. Dann ist ü^ = U^ und daher aus (17): (18) = + ^ d. h. bei einem Kreisprozess ist der Arbeitswerth aller äusseren Wirkungen gleich Null, oder mit anderen Worten: Die äussere Wärme ist der äusseren Arbeit gleich und entgegengesetzt. Durch diesen Satz ist die Construction eines thermodynamischen perpetuum mobile, das nothwendig periodisch wirkende Maschinen, also Kreisprozesse voraussetzt, ausgeschlossen. § 66. Wenn bei einer Zustandsänderung des Systems garkeine äusseren Wirkungen aufgewendet werden (Q = 0,A = 0) so bleibt nach (17) die Energie constant (Erhaltung der Energie). Dabei können die einzelnen Grössen, welche den Zustand des Systems bedingen, sich erheblich ändern, sie unterliegen aber stets der Bedingung U = const Awuoendungen, auf homogene Systeme, 41 Ein solches System, welches sich verändert, ohne dabei äusseren Einwirkungen zu unterliegen, heisst auch ein „voll- stiLndiges'^ System. Streng genommen gibt es in der Natur gar- kein vollständiges System, weil sämmtliche materielle Körper des Weltalls in steter Wechselwirkung miteinander stehen, und insofern kann man den Satz von der „Erhaltung^' der Energie auf kein wirkliches System strenge anwenden. Doch ist es wichtig zu bemerken, dass man durch passende Wahl des Systems die äusseren Wirkungen^ die bei einer bestimmten ins Auge gefassten Veränderung auftreten, im Vergleich zu den Energieänderungen der einzelnen Theile des Systems so klein machen kann, als man nur immer will. Man kann nämlich offenbar jede äussere Wirkung dadurch eliminiren, dass man nicht nur die Körper, auf welche die Wirkung ausgeübt wird, sondern auch diejenigen, von welchen dieselbe ausgeht, mit in das betrachtete System hineinbezieht. Wenn z. B. ein Gas durch ein sinkendes Gewicht comprimirt wird, so wird dabei auf das Gas, als System gedacht, durch die von dem Gewicht geleistete Arbeit eine gewisse Wirkung von Aussen her ausgeübt und die Energie des Systems demgemäss vergrössert. Sobald man aber das Gewicht und die Erde mit in das betrachtete System hineinbezieht, lallt jede äussere Wirkung fort, und die Energie des neuen Systems bleibt constant. Dafür enthält aber der Ausdruck der Energie jetzt ein neues Glied: die potentielle Energie des Gewichts, deren Aenderung durch die der inneren Energie des Gases gerade compensirt wird. Ebenso kann man in allen anderen Fällen verfahren. II. Capitei. Anwendungen auf homogene Systeme. § 67. Wir wenden nun den ersten Hauptsatz, wie er in der Gleichimg (17) ausgesprochen ist, zunächst auf eine homogene Substanz an, deren Zustand, ausser durch ihre chemische Natur und durch die Masse if, durch 2 Variable, etwa die Temperatur & und das Volumen F, bestimmt ist. Dabei gebrauchen wir hier wie auch überall im Folgenden das Wort „homogen*' schlechthin im Sinne von „physikalisch homogen", d. h. wir nennen homogen jedes System, welches sich auch in seinen kleinsten noch wahrnehmbaren Raumtheilen als vollständig gleichartig er- 42 Der erste Hauptsatz der Warmetkeorie, weist. Es kommt hier nicht darauf an, ob die Substanz auch chemisch homogen ist, d. h. ob sie aus lauter gleichartigen Molekülen besteht^ auch nicht darauf, ob sie im Laufe der mit ihr vorzunehmenden Zustandsänderungen chemische Umsetzungen erfährt, wie das ?. B. bei einem Dampfe eintritt, der sich bei Erwärmung theilweise dissociirt, sondern nur darauf, dass der homogene Zustand durch Temperatur und Volumen eindeutig be- stimmt ist. Wenn die Substanz ruht, so besteht die ganze Energie dieses Systems aus der sogenannten „inneren" Energie U, die nur von der inneren, durch Temperatur und Dichte be- dingten, Beschaffenheit der Substanz und von ihrer Masse ab- hängt, welch letzterer sie offenbar proportional ist Im andern Falle tritt in dem Ausdruck der Gesammtenergie zu der inneren Energie U noch die lebendige Kraft der Bewegung hinzu, deren Werth aus der Mechanik bekannt ist. Um die Abhängigkeit der inneren Energie U von & und V festzustellen, muss man das System auf irgend eine Weise in einen anderen Zustand bringen und die dazu erforderlichen äusseren Wirkungen berechnen. Dann liefert die Gleichung (17) die eingetretene Aenderung der Energie. § 68. Lässt man ein Anfangs in Ruhe und auf gleich- massiger Temperatur befindliches Gas (Zustand 1) aus einem Gefäss in ein anderes vorher evakuirtes Gefäss ausströmen, etwa durch Aufdrehen eines Verschlusshahnes, so werden sich bei diesem Vorgang innerhalb des Gases zunächst eine Reihe von verwickelten mechanischen und thermischen Veränderungen voll- ziehen. Der ausströmende Tbeil des Gases wird in schnelle Bewegung gerathen, später beim Anprall gegen die Wände des zweiten Gelasses und bei der Compression durch die nachstürzenden Massen sich erwärmen, der im ersten Gefäss zurückbleibende Theil wird sich durch Ausdehnung abkühlen u. s. w. Nimmt man nun an, dass die Wände beider Gefässe absolut fest sind und die Wärme absolut nicht leiten, und bezeichnet irgend einen nach beliebiger Zeit eingetretenen Zustand des Gases mit 2, so ist nach Gleichung (17) die Gesammt-Energie des Gases im zweiten Zustand gleich der im ersten Zustand: ü^, weil auf das Gas weder thermische noch mechanische Einwirkungen von Aussen stattgefunden haben. Denn auch die von den festen Wänden vermöge ihres Widerstandes ausgeübte Kraft leistet keine Arbeit. Anwe/ndungen auf homogene Systeme, 43 Im Allgemeinen setzt sich die Energie im zweiten Zustand aus vielen Theilen zusammen, nämlich erstens aus den lebendigen Kräften der Bewegungen aller einzelnen Gastheilchen und zweitens aus ihren inneren Energieen, wobei jedes hinreichend klein genommene Theilchen als homogen und von gleichmässiger Temperatur und Dichte betrachtet werden kann. Wartet man aber so lange, bis wieder vollständig Ruhe und thermisches Gleichgewicht eingetreten ist, und bezieht den Index 2 auf den neuen Gleichgewichtszustand, so besteht die Gesammtenergie im zweiten Zustand ebenso wie die im ersten nur aus der inneren Energie ü^y und man hat: ü^= ü^. Nun sind aber die Variabein & und F, von denen TJ abhängig ist, von den Werthen &^ , T\ auf die Werthe &2 , V^ übergegangen, wobei V^ > V^ ; man kann also hieraus durch Messung der Temperaturen und Volu- mina feststellen, wie sich mit verändertem Volumen die Tem- peratur ändert, falls die innere Energie ü constant bleibt. § 69. Einen derartigen Versuch hat Joule ausgeführt und dabei gefanden, dass für ideale Gase &2 = ^i- Er stellte nämlich die beiden Gefässe, von denen das eine Anfangs etwa mit Luft unter hohem Druck gefüllt, das andere evakuirt war, in ein gemeinsames Wasserbad von der nämlichen Temperatur und fand nach Vollendung des oben beschriebenen Ausflusses und Herstellung des Gleichgewichts die im Wasserbad einge- tretene Temperaturänderung unmessbar klein. Daraus folgt so- gleich, dass auch bei thermisch isolirenden Gefässwänden die Endtemperatur der ganzen Gasmenge gleich der Anfangstem- peratur ist; denn sonst würde sich bei dem ausgeführten Ver- such die Temperaturänderung dem Wasserbade mitgetheilt haben. Wenn also die innere Energie eines nahezu idealen Gases bei stark verändertem Volumen constant bleibt, so bleibt auch die Temperatur nahezu constant, oder mit anderen Worten: Die innere Energie eines idealen Gases hängt nur von der Temperatur und nicht vom Volumen ab. § 70. Damit indessen dieser wichtige Schluss bündig er- scheint, sind noch genauere Messungen nothwendig. Denn bei dem beschriebenen JouLE^schen Versuch ist die Wärmecapacität des Gases gegen die der Gefässwände und des Wasserbades so klein, dass es schon einer sehr beträchtlichen Temperaturänderung des Gases bedurft hätte, um eine merkliche Temperaturänderung des 44 Der erste Hauptsatz der Wärmeiheorie. Wassers hervorzurufen. Zuverlässigere Eesultate liefert eine wesent- liche Modification des Verfahrens, welche von W. Thomson (jetzt Lord Kelvin) ersonnen und von ihm in Gemeinschaft mit Joule zu sorgfältigen Messungen benutzt worden ist; sie beruht darauf, dass man das Gas durch künstliche Verlangsamung des Aus- flusses unmittelbar in den zweiten Gleichgewichtszustand über- führt und dann die Temperatur &^ direkt im Gase misst. Es strömt hierbei nicht eine begrenzte Gasmasse tumultuarisch in ein Vakuum ein, sondern das Gas wird in einem unbegrenzten stationären Strom verhältnissmässig langsam aus einem Raum höheren Druckes p^ in einen Baum niedrigeren Druckes p^ (die Atmosphäre) übergeführt, indem es durch eine Röhre von Buchs- baumholz, welche an einer Stelle mit einem schwer durchlässigen Pfropfen von Watte oder gezupfter Seide verstopft ist, hindurch- gepresst wird. Was zunächst die Messungsresultate betriflft, so ergeben sie bei stationär gewordenem Zustand für Luft eine sehr kleine, für Wasserstoff eine noch sehr viel kleinere, kaum messbare Temperaturänderung des Gases, weshalb man zu dem Schluss berechtigt ist, dass für ein ideales Gas die Temperatur- änderung ganz verschwindet Hieraus lässt sich nun ein Schluss auf die innere Energie idealer Gase ziehen. Wenn nach Eintritt des stationären Zu- standes eine gewisse Masse des Gases vollständig hindurchgepresst ist, so hat diese Masse beim Uebergang von dem Volumen Fj auf das grössere Volumen V^ im Ganzen gewisse Einwirkungen von Aussen erfahren, deren mechanisches Aequivalent Q+Ä aus den in der Umgebung eingetretenen Aenderungen zu be- rechnen ist. Der Pfropfen behält seinen Zustand unverändert bei, er und die Vorgänge in ihm können also ganz ausser Be- tracht gelassen werden. Li der äusseren Umgebung findet keine Temperaturänderung statt; denn das Holz der Röhre leitet die Wärme so gut wie gamicht von oder nach Aussen; daher ist = 0. Die Arbeit endlich, welche auf das Hindurchpressen unter dem constanten Druck p-^ verwendet worden ist, und welche, wie leicht einzusehen, durch das Produkt p^ V^ dargestellt wird, ist für ein ideales Gas nach dem BoYLE'schen Gesetz gerade gleich derjenigen Arbeit jOg Fg, welche auf der anderen Seite beim Zurückschieben des kleineren Druckes p^ durch das grössere Volumen V^ bei der nämlichen Temperatur wieder gewonnen Anwendungen auf homogene Systeme. 45 worden ist. Daher ist auch die Summe der von Aussen her ausgeübten Arbeiten: Ä = und nach Gleichung (17) C^ = C^, Da aber nach den mitgetheilten Messungen die Temperatur wesentlich constant geblieben ist, während das Volumen sich sehr beträchtlich verändert hat, so kann die innere Energie eines idealen Gases nur von der Temperatur abhängen und nicht vom Volumen, d. h. /^ TT\ (19) M =0 Für nahezu ideale Gase, wie es Wasserstoff, Luft u. s. w. that- sächUch sind, ergibt die gemessene Temperaturänderung einen Aufschluss über die Abhängigkeit der inneren Energie vom Volumen. Doch gehört hiezu auch noch die Berücksichtigung des ümstandes, dass bei solchen Gasen die äussere Arbeit nicht verschwindet und daher auch die innere Energie nicht constant bleibt. Näheres darüber s. unten § 158. § 71. Von besonderer theoretischer Wichtigkeit sind die- jenigen thermodynamischen Prozesse, welche, wie man sagt, un- endlich langsam verlaufen und daher aus lauter Gleichgewichts- zuständen bestehen. Wörtlich genommen ist zwar diese Aus- drucksweise undeutlich, da ein Prozess nothwendig Veränderungen, also Störungen des Gleichgewichts zur Voraussetzung hat. Aber man kann diese Störungen, wenn es nicht auf die Schnelligkeit» sondern nur auf das Resultat der Veränderungen ankommt, so klein nehmen wie man irgend will, namentlich auch beliebig klein gegen die übrigen Grössen, welche im Zustand des be- trachteten Systems eine Rolle spielen. So kann man ein Gas sehr langsam um einen beliebig grossen Bruchtheil seines Volumens comprimiren, indem man den äusseren Druck in jedem Augenblick nur um ein äusserst Geringes grösser macht als den Druck des Gases, und man begeht, wenn es sich um die Grösse des äusseren Druckes handelt, z. B. bei Berechnung der zu einer bestimmten endlichen Compression aufgewendeten Arbeit, nur einen sehr kleinen Fehler, wenn man statt des äusseren Druckes den Druck des Gases setzt. Beim üebergang zur Grenze ver- schwindet auch dieser kleine Fehler, d. h. bei „unendlich lang- samer** Compression wird das so gewonnene Resultat strenge richtig. Das Gesagte gilt sowohl für eine Compression bei con- 46 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie, stantem, als auch für eine solche bei veränderlichem Druck. Im letzteren Falle muss man dem äusseren Druck, etwa durch Hinzufiigung oder Fortnahme kleiner Gewichtsstücke, in jedem Augenblick gerade die erforderliche Grösse ertheilen. Dies kann durch manuelle Eingriffe (Abschieben der Gewichtsstücke nach der Seite) oder durch eine besondere Regulirungsvorrichtung geschehen, welche nur auslösend wirkt und daher ohne Arbeits- leistung funktionirt. § 73. Ebenso wie bei der äusseren Arbeit ist es mit der Zuleitung öder Ableitung von Wärme. Wenn es sich nicht um die Zeit, sondern nur um den Betrag der Wärmemenge handelt, welche das System aus der Umgebung empfangen oder dahin abgegeben hat, so genügt es, die Temperatur der verwendeten Wärmequelle um einen beliebig kleinen Werth grösser oder kleiner als die Temperatur des Systems anzunehmen, je nach- dem die Wärme zu- oder abgeleitet werden solL Dieser kleine üeberschuss bestimmt lediglich die Richtung des Prozesses, seine Grösse kommt aber nicht in Betracht gegen die ganze durch den Prozess schliesslich herbeigeführte Veränderung des Systems. Daher spricht man, wie von der Compression eines Gases durch einen äusseren Druck, der dem Druck des Gases gleich ist, so auch von dem Wärmeübergang von einem Körper zu einem andern von der nämlichen Temperatur, und anticipirt damit nur das Resultat, das sich aus dem Grenzübergang von einer endlichen kleinen zu einer unendlich kleinen Temperaturdifferenz beider Körper ergibt. Auch hier sind nicht nur isothermische Vorgänge, sondern auch solche von variabler Temperatur mit einbegriffen. Für letztere kommt man freilich mit einem einzigen Wärmebehälter von constanter Temperatur nicht aus, sondern man bedarf ent- weder eines Körpers von willkührlich veränderlicher Temperatur, also etwa eines Gases, das man durch zweckmässige Compression öder Ausdehnung beliebig erwärmt oder abkühlt, oder man ver- wendet eine hinreichend grosse Zahl von Wärmebehältem ver- schiedener bestimmter Temperaturen und setzt in jedem Augen- blick gerade denjenigen in Funktion, welcher der gleichzeitigen Temperatur des Systems möglichst nahe liegt. § 73. Die hohe Bedeutung dieser Betrachtungsweise be- steht darin, dass man jeden „unendlich langsamen" Prozess auch Anw&ndv/ngen auf homogene Systeme, 47 in entgegengesetzter Richtung ausgeführt denken kann. Besteht nämlich ein Prozess bis auf minimale Abweichungen aus lauter Gleichgewichtszuständen, so genügt oflfenbar immer eine ebenso minimale passend angebrachte Aenderung, um ihn in entgegen- gesetzter Richtung ablaufen zu lassen, und diese minimale Aenderung kann durch einen Grenzübergang ebenso ganz zum Verschwinden gebracht werden. Denn ein bestimmtes Resultat enthält immer auch einen ganz bestimmten Fehler, und wenn dieser Fehler kleiner ist als jede noch so klein angenommene Grösse, so ist er nothwendig gleich Null. § 74. Wir gehen nun über zur Anwendung des ersten Hauptsatzes auf einen solchen aus lauter Gleichgewichtszuständen zusammengesetzten und daher umkehrbaren Prozess. Derselbe lässt sich in einfacher Weise graphisch versinnlichen, dadurch dass die Reihe der nacheinander durchlaufenen Gleichgewichts- zustände des Systems als Curve in eine Coordinatenebene ein- getragen wird, auf deren Axen die Werthe der unabhängigen Variabein gemessen werden. Wir wollen als unabhängige Variable zunächst das Volumen V (Abscissenaxe) und den Druck p (Ordinatenaxe) anwenden. Dann entspricht jedem Punkt der Ebene ein bestimmter Zustand der von bestimmter Natur und Masse angenommenen Substanz, und jeder Curve eine bestimmte Reihe von stetig aufeinanderfolgenden Zustandsänderungen der- selben. Denken wir uns also einen umkehrbaren Prozess, der die Substanz aus einem Zustand 1 in einen Zustand 2 bringt, so wird er durch eine Curve cc bezeichnet, die vom Punkt 1 zum Punkt 2 geht (Fig. 2). Dann ist nach Gleichung (17) die Zunahme der Energie der Substanz: wobeie die gesammte angewendete äussere Arbeit, die im Ganzen von Aussen zugeführte Wärme bedeutet. § 75. Der Werth von Ä lässt sich unmittelbar berechnen. Zunächst setzt sich A durch algebraische Addition aus den Elementararbeiten zusammien, welche während der aufeinander- folgenden unendlich kleinen, den einzelnen Bogenelementen der Curve a entsprechenden Veränderungen der Substanz von Aussen her auf dieselbe ausgeübt werden. Da nun der äussere Druck wegen der angenommenen ümkehrbarkeit des Prozesses in jedem Augenblick gleich dem der Substanz p zu setzen ist, so ist die 48 D&r erste Hav^taatx der Wärmeiheorie, von den äusseren Kräften bei einer unendlich kleinen Ver- änderung geleistete Arbeit, wie in der Hydrodynamik gezeigt wird, einfach gleich dem Produkte des Druckes j? und der Volumenverminderung, unabhängig von der geometrischen Form der Oberfläche der Substanz, also = ^pdV, und mithin die während des ganzen Prozesses geleistete äussere Arbeit: 2 (20) Ä^-^JpdV 1 wobei die Integration über die Curve a vom Punkt 1 bis zum Punkt 2 zu erstrecken ist. Wenn p positiv, wie bei Gasen, und Fg > Fj, wie in der Fig. 2, so ist Ä negativ. «F Fig. 2. Um die Integration ausführen zu können, bedarf es der Kenntniss der Abhängigkeit des Druckes p vom Volumen F, d. h. der Kenntniss der Curve a. Solange nur die Punkte 1 und 2, nicht aber die sie verbindende Curve gegeben ist, hat das Inte- gral garkeinen bestimmten Werth. Erfolgt z. B. der Uebergang von 1 zu 2 auf einer andern Curve /9, so fallt das Integral ganz anders aus. Daher ist, wie man sagt, das Differential pdV ein „unvollständiges" Differential. Mathematisch betrachtet rührt dieser Umstand daher, dass p ausser von F im Allgemeinen noch von einer anderen Variabein, der Temperatur &^ abhängt, Anwendungen auf homogene Systeme, 49 die sich auf dem Integrationswege a in gewisser Weise mit- ändem wird. Solange nun a nicht gegeben ist, lässt sich auch nichts über die Abhängigkeit des d- von der Integrationsvariabein V aussagen und die Integration daher nicht ausführen. Die äussere Arbeit Ä hat in der Fig. 2 eine sehr anschau- liche Bedeutung. Sie ist offenbar gleich dem negativ genom« menen Flächeninhalt der ebenen Figur, welche durch die Curve a, die Abscissenaxe und die Ordinaten in den Punkten 1 und 2 begrenzt wird. Auch hieraus erkennt man, dass der Werth von Ä wesentlich durch den Verlauf der Curve a bedingt ist. Nur für unendlich kleine Zustandsänderungen, d. h. wenn die Punkte 1 und 2 einander unendlich nahe liegen und somit a auf ein Curvenelement zusammenschrumpft, ist Ä durch den Anfangs- und Endpunkt der Curve allein schon bestimmt. § 76. Die zweite der Messung zugängliche Grösse ist die von Aussen zugeführte Wärme 0, welche durch eine calori- metrische Bestimmung zunächst in Calorieen, und durch Multi- plication mit dem mechanischen Wärmeäquivalent auch in mechanischen Einheiten ausgedrückt werden kann. Fragen wir nun nach der theoretischen Bestimmung der zugeleiteten Wärme 0. Auch sie setzt sich, wie die äussere Arbeit A, durch alge- braische Summation zusammen aus den unendlich kleinen Wärme- mengen, welche während der den einzelnen Curvenelementen entsprechenden Elementarprozesse dem Körper zugeführt werden. Doch lässt sich eine solche Elementarwärme nicht, wie die gleichzeitige Elementararbeit, unmittelbar aus der Lage des Curvenelementes berechnen. Man kann zwar, um eine Analogie mit dem Ausdruck der Elementararbeit — p dV zu schaffen, die Elementarwärme etwa gleich dem Produkt der unendlich kleinen durch sie bewirkten Temperaturerhöhung c^i?* und einer im All- gemeinen endlichen Grösse G, der Wärmecapacität, setzen ; aber dann hat die Grösse G im Allgemeinen keine bestimmte Bedeutung. Denn sie hängt nicht, wie der Faktor p in dem Ausdruck der Elementararbeit, allein von dem augenblicklichen Zustand der Substanz, also von der Lage des betr. Curvenpunktes ab, son- dern zugleich auch von der Sichtung des Curvenelements. Für eine isotherme Aenderung ist G offenbar ± oo, weil dann d i9-=0, während die zugeleitete Wärme positiv oder negativ sein kann. Für eine „adiabatische" Aenderung ist (7=0, weil dann die zu- PI.ANOK, ThermodyDamik. ^ 50 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie. geleitete Wärme gleich Null ist, während die Temperatur sich beliebig ändern kann. G kann also, im Gegensatz zu p, für einen und denselben Punkt alle möglichen Werthe zwischen + 00 und — 00 haben (vgL § 47). Aus diesem Grunde ist die durch die Zerlegung der zugeleiteten Wärme in die beiden Faktoren d & und G ge&uchte Analogie mit der äusseren Arbeit in einem wesentlichen Punkte unvollständig, und führt im allge- meinen Falle nicht zu einer Vereinfachung des behandelten Problems. Dasselbe gilt von einer anderweitigen Zerlegung der zugeführten Wärmemenge in zwei Faktoren (i^- und dS, § 12ü), die nur für ganz spezielle Fälle richtig ist und daher eben- falls keine allgemeine Eigenschaft der zugeführten Wärme darstellt. § 77. Wenn sich somit der Werth der zugeleiteten Wärme Q im Allgemeinen nicht von vorneherein bestimmen lässt, so ge- stattet andrerseits die Gleichung (17) des ersten Hauptsatzes einige wichtige Schlüsse auf diese Grösse. Zunächst ergiebt sich aus ihr, wenn man den gefundenen Werth (20) von Ä substituirt: 2 (21) = Kj- U,+fpdV. 1 Daraus erkennt man, dass der Werth von Q nicht allein durch die Punkte 1 und 2, sondern auch, ebensowie Ä, durch den Verlauf der sie verbindenden Curve, cc oder ß, bedingt wird. Mit diesem Satze ist die CARNOT'sche Theorie der Wärme un- vereinbar, was schon oben (§§ 51. 52) ausführlich dargelegt wurde. § 78. Vollständig berechnen lässt sich Q für den Fall, dass die Substanz schliesslich wieder in ihren Anfangszustand 1 zurückgebracht wird, also einen Kreisprozess durchmacht. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass man sie zuerst auf dem Wege a in den Zustand 2, und dann auf dem Wege ß wieder in den Zustand 1 überführt. Dann ist, wie überhaupt bei Kreis- prozessen, nach (18), § 65 0= -A Die gesammte äussere Arbeit ist: 1 A^^fpdV, Anwefndungen auf homogene Systeme, 51 wobei das Integral über die geschlossene Curve 1 e^ 2 /9 1 zu erstrecken ist. A stellt offenbar zugleich den Inhalt des von dieser Curve umschlossenen Flächenstücks vor, positiv, wenn der Ereisprozess in der durch den Pfeil Fig. 2 angegebenen Richtung vor sich geht. § 79. Im Folgenden wollen wir uns näher mit dem spe- ziellen Fall beschäftigen, dass die für die Zustandsänderung charakteristische Curve a in ein Element zusammenschrumpft und somit die Punkte 1 und 2 sich unendlich nahe liegen. Dann erhält Ä den Werth — pdVj die Energieänderung den Werth dUf und in Folge dessen die von Aussen zugefährte Wärme nach (21) den Werth ^) , Q^dü + pdV. Auf die Masseneinheit der Substanz bezogen lautet diese Gleichung q =^ du + pdv, (22) wenn die Quotienten von 0, U und V durch die Masse M mit den entsprechenden kleinen Buchstaben bezeichnet werden. Für die folgenden Rechnungen empfiehlt es sich öfter, die Temperatur & als unabhängige Variable zu benutzen, entweder neben v oder neben jp. Wir werden die unabhängigen Variabein jedesmal im Interesse der möglichsten Einfachheit wählen und überall da, wo Verwechslungen möglich sind, den Sinn der Differentiation besonders markiren. Nun wenden wir die letzte Gleichung auf die wichtigsten umkehrbaren Vorgänge an. § 80. Wie schon wiederholt angeführt wurde, kann man die spezifische Wärme einer Substanz in ganz verschiedener Weise definiren, je nach der Art, in welcher man sich die Er- wärmung vorgenommen denkt. In jedem Falle hat man für die spezitische Wärme nach § 46 und nach (22): q du . dv ,oQ\ *) Nach Clausius' Vorgang wird dieser Ausdruck gewöhnlich, um seine unendliche Kleinheit anzudeuten, mit d Q bezeichnet. Dies hat jedoch nicht selten zu dem Missverständniss Anlass gegeben, als ob die zugeleitete Wärme das Differential einer bestimmten endlichen Grösse Q wäre. Daher bleiben wir bei der obigen Bezeichnung stehen. Einige Autoren be- nutzen auch, um das genannte Missverständniss auszuschliessen, die Be- zeichnung d^Q, 52 Der erste Hauptsatz der Warmetheorie, Damit nun die Differentialquotienten einen bestimmten Sinn haben, ist noch eine willktihrlich festzusetzende Bedingung er- forderlich, welche die Bichtung der vorgenommenen Verände- rungen anzeigt. Natürlich genügt eine einzige Bedingung, da der Zustand der Substanz nur von zwei Variabein abhängt. § 81. Erwärmung bei constantem Volumen. Hieftir ist: dv = , c = c„ die spezifische Wärme bei coüstantem Volumen. Also nach Gleichung (23) oder auch: w «.-(liKlf). § 82« Erwärmung bei constantem Druck. Hiefür ist: dp^O, c^c^ die spezifische Wärme bei constantem Druck. Gleichung (23): (26) oder auch: Also nach 'd u p dv p (27) Durch Substitution von: p (du\ , ] ldv\ (du\ ^ /du] fdu] (dv\ in (26) kann man c^ auch in der Form schreiben: 'du\ . [(du\ 1 l^^\ p di^. + ijij^+P oder mit Berücksichtigung von (24) du (28) = c 4- dvj^ + P m,- § 83. Die Vergleichung von (25) und (27) gestattet durch Elimination von u eine direkte Prüfung der Theorie an der Er- fahrung. Es ist nämlich aus (25): 'd u\ id&^ ßv)v andrerseits aus (27) 'd ( u\ (d ^A Anwendungen auf homogene Systeme. 53 Folglich durch Differentiation des ersten Ausdrucks nach v bei constantem p und des zweiten Ausdrucks nach p bei constantem V und Gleichsetzung beider Werthe: dvy^dp) " dpypdv ^) oder: / s d^d- dcp d & ^Cr d & - ,^Qv \ p v^ dpdv dp dv dv dp * ^ ' Diese Gleichung enthält nur Grössen, die der Beobachtung zugänglich sind und liefert dah^r ein Mittel zur Prüfung des ersten Hauptsatzes der Wärmetheorie an einer beliebigen homo- genen Substanz durch Messungen. § 84« Ideale Gase. Die obigen Gleichungen erfahren für ideale Gase beträchtliche Vereinfachungen. Zunächst ist hiefür nach (14) p = -^ . (30) wobei i?= 826-10'^ und m gleich dem (wirklichen oder schein- baren) Molekulargewicht des Gases. Daher wird: & = ^pv und die Gleichung (29) geht über in: ' d Cp d Cy R P « ^^ dp dv m Mehr lässt sich für ein ideales Gas, wenn nur das Boyle-Gay LussAC-AvoGADEo'sche Gesetz als gültig vorausgesetzt wird, aus dem ersten Hauptsatz allein nicht schliessen. § 85. Nun j^rollen wir die weitere, durch die im § 70 be- schriebenen Versuche von Thomson und Joule festgestellte Eigenschaft idealer Gase benutzen, dass ihre innere Energie nur von der Temperatur, nicht vom Volumen abhängt, also nach (19), auf die Masseneinheit bezogen: 'rl- 1 CD Daher geht die allgemeine Gleichung: ^"-(ii)/*+(f> für ein ideales Gas über in: 54 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie, und nach (24): (32) du^e^dS- Femer folgt dann aus (28): oder mit Berücksichtigung von (30): d. h. die Differenz der spezifischen Wärme eines idealen Gases bei constantem Druck und bei constantem Volumen ist constant. Bezieht man die Wärmecapacität nicht auf die Masseneinheit, sondern auf das Molekulargewicht m des Gases (vgl. § 48), so ist (33) mej^ — mc^=^ R, also die Differenz sogar unabhängig von der Natur des Gases. § 86. Direkt messen lässt sich nur die spezitische Wärme bei constaütem Druck, weil eine in einem geschlossenen Gefäss von constantem Volumen gehaltene Gasmenge eine viel zu kleine Wärmecapacität besitzt, um gegenüber den äusseren Körpern, zunächst den Gefässwänden, hinlänglich beträchtliche thermische Wirkungen hervorzubringen. Da nun o^ nach (24) ebenso wie u nur von der Temperatur, nicht vom Volumen abhängt, so folgt aus (33) dasselbe für c , Dieser Schluss ist zuerst durch die Messungen von Regnault bestätigt worden, welcher überdies fand, dass c^ auch innerhalb eines ziemlich weiten Temperatur- intervalls constant ist. Nach (33) ist also auch c^ in demselben Bereich constant. Wenn man die Molekularwärmen in Calorieen ausdrückt, so ist natürlich auch die Grösse R noch durch das mechanische Wärmeäquivalent a (§ 61) zu dividiren, und man hat als Differenz der Molekularwärme bei constantem Druck und der bei con- stantem Volumen: (OA^ ig _ 826.10^ -1971 ^"^^^ a - 419.10* - i,ya. § 87. Folgende Tabelle enthält für einige Gase die direkt gemessene spezifische Wärme und die Molekularwärme bei con- stantem Druck, sowie die aus Gleichung (33) durch Subtraktion von 1,97 berechnete Molekularwärme bei constantem Volumen, endlich das Verhältniss beider Grössen: ^^ = y . Ämoendtmgen auf homogene Systeme. 55 ■ Spezifische Wärme bei const. Druck Molekular- gewicht Molekular- wärme bei const. Druck Molekular- wärme bei const. Volumen Verhältniss Wasserstoff . Sauerstoff Stickstoff . • Luft . . . • • • • 3,410 0,2175 0,2438 0,2375 2 31,9 28 28,8 6,82 6,94 6,83 6,84 4,85 4,97 4,86 4,87 1,41 1,40 1,41 1,41 Bei bedeutender Temperatursteigerung nimmt die spezifische Wärme in der Regel langsam zu. Innerhalb des Temperatur- bereichs, in welchem die spezifische Wärme constant ist, lässt sich die Gleichung (32) integriren und liefert: u =^ c^& + const, (35) wobei die Integrationsconstante von der Wahl des NuUzustandes für die Energie abhängt Für den idealen Gaszustand be- trachten wir c„ und c„ als durchaus constant und daher die letzte Gleichung als allgemein gültig. § 88. Adiabatischer Vorgang. Hieftir ist charakteriBtisch q = 0, und nach Gleichung (22): ^ du + pdv. Setzen wir wieder ein ideales Gas voraus, so ergibt die Ein- setzung der Werthe von du aus (32) ujid von p aus (30): = cd& + —-dv (36) oder integrirt: R ß log & -{ log V = const. Ersetzt man hierin — nach (33) durch c„ — c und dividirt durch c^, SO kommt: log i5^ + (r ^ 1) log ^ = const. (37) (d. h. bei adiabatischer Ausdehnung sinkt die Temperatur) oder, wenn man bedenkt, dass nach der Zustandsgieichung (30): log^ + log^' — logi^" = const mit Elimination von v: — /logi?- + {y — l)log^ = const (d. h. bei adiabatischer Druckvermehrung steigt die Temperatux) 56 Der erste Hauptsatz der Wämietheorie. oder mit Elimination von &i log ^ + ;j^ logt; = const. Die Werihe der Integrationsconstanten ergeben sich aus dem Anfangszustand des Prozesses. Vergleicht man die letzte Gleichung in der Form: (38) p'Vf =^ const. mit dem BoYOj'schen Gesetz : pv = const, so erkennt man, dass bei adiabatischer Compression das Volumen langsamer mit wachsendem Druck abnimmt als bei isothermischer Compression, entsprechend der gleichzeitig eintretenden Temperaturerhöhung. Die adiabatischen Curven in der /?t;-Ebene (§ 22) verlaufen daher steiler als die hyperbelförmigen Isothermen. § 89. Die adiabatischen Vorgänge können in verschiedener Weise zur Messung des Verhältnisses y der spezifischen Wärmen benutzt werden und liefern durch die üebereinstimmung der Resultate mit den aus dem mechanischen Wärmeäquivalent be- rechneten Werthe von y eine wichtige Bestätigung der Theorie. So kann z. B. die Messung der Schallgeschwindigkeit in einem Gase zur Berechnung von y benutzt werden. Wie in der Hydrodynamik gezeigt wird, ist dieselbe in irgend einer Flüssigkeit: l/4x-» wenn ä = — die Dichte der Flüssigkeit be- deutet. Da nun wegen der geringen Wärmeleitungsfähigkeit der Gase die mit einer Schallbewegung verbundenen Compressionen und Dilatationen nicht isotherm, sondern adiabatisch erfolgen, so hängt bei einem idealen Gase der Druck p von der Dichte k nicht nach dem Boyle' sehen Gesetz pv = const., sondern nach der Gleichung (38) ab, also: ^ = const. ky woraus durch Differentiation: dp rp oder nach (30): dp ^ CL ^* dp ~dk ~~ '^ "^ ' ^ "" 'Rß^ ' ~dk ' Nun beträgt z. B. in atmosphärischer Luft bei 0^ die Schall- geschwindigkeit: i/4|^ =33280-^, also ist für Luft mit Hülfe y dk °®^ Äwupendungm auf homogene Systeme. 57 - der Zahlenwerthe für m (§ 41), i? (§ 84) und & nach der letzten GleiCl^ung: . 28,8 33 280* - ., y = • ^= 1 41 ^ 826. IQ» 273 ' in üebereinstimmung mit dem in § 87 berechneten Werth. Natürlich kann man auch umgekehrt den aus der Schall- geschwindigkeit berechneten Werth von y = -^ dazu benutzen, um c^ in Calorieen und dann aus (33) das mechanische Wärme- äquivalent zu berechnen. Dieser Weg ist zur erstmaligen ziflfer- mässigen Auswerthung des Wärmeäquivalents eingeschlagen worden von Eobebt Mater im Jahre 1842. Allerdings gehört wesentlich dazu die in Gleichung (31) ausgedrückte Voraus- setzung, dass die innere Energie der Luft nur von der Temperatur abhängt, oder mit anderen Worten, dass die Differenz der spezifischen Wärmen bei constantem Druck und bei con- stantem Volumen lediglich durch die äussere Arbeit bedingt ist — ein Satz, der erst seit den § 70 beschriebenen Ver- suchen von Thomson und Joule als direkt bewiesen angesehen werden darf. § 90. Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung eines zu- sammengesetzteren Prozesses, und zwar eines umkehrbaren Kreis- prozesses von besonderer Art, der in der Entwicklung der Thermodynamik eine wichtige Rolle gespielt hat: des sogenannten CAßNOT'schen Kreisprozesses, um auch auf ihn den ersten Haupt- satz im Einzelnen anzuwenden. Von einem gewissen Anfangszustand, welcher durch die "Werthe d-^ und Vy^ charakterisirt sein möge, ausgehend werde die Substanz von der Masse 1 erstens adiabatisch comprimirt, bis die Temperatur auf S-^ > &^ gestiegen und das Volumen auf Vg < Vj vermindert ist (Fig. 3). Hierauflasse man zweitens die Substanz sich wieder ausdehnen, aber nun. isotherm, indem sie in Verbindung mit einem Wärmebehälter von der constanten Temperatur ß-^ gehalten wird, welcher die Ausdehnungswärme ©2 hergibt; dabei möge das Volumen bis v^ wachsen. Drittens werde die Substanz noch weiter ausgedehnt, und zwar jetzt adia- batisch, so lange bis die Temperatur wieder auf &^ gesunken ist; dann habe das Volumen bis v^ zugenommen. Endlich viertens werde auch das Volumen durch isothermische Com- pression mit Benutzung eines Wärmebehälters von der constanten 58 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie, Temperatur d-^, welcher die Compressionswärme aufiummt, wieder auf den Anfangswerth Vj zurückgebracht, — Alles auf umkehr- barem Wege, wie es § 71 ff. beschrieben wurde. '&. S'. V, V. v^ v Fig. 3. Nach dem ersten Hauptsatz ist für diesen Kreisprozess (§ 65) die Summe der dem System von Aussen zugefuhrten Wärme und der von Aussen aufgewendeten Arbeit: (39) + ^ = Die der Substanz im Ganzen zugeführte Wärme beträgt hier: (40) Q^Q^+Q^ wobei Oj und Q^ die von den beiden Wärmebehältem abge- gebenen Wärmemengen bezeichnen (Oj ist hier negativ). Die äussere Arbeit A lässt sich aus der adiabatischen und aus der iso- thermischen Compressibilität der angewandten Substanz berechnen. Dieselbe beträgt nach (20): V,^, «g'^Z V^i «1^1 ^=— fpdv — Jpdv^ Jp dv — J p dv wobei die erste und die dritte Integration auf adiabatischem Wege, die zweite und die vierte auf isothermischem Wege zu erfolgen hat. Anwendungen auf homogene Systeme, 59 Setzen wir von nun an ein ideales Gas voraus, so lassen sich die vier Integrale leicht berechnen. Es wird nämlich durch Berücksichtigung von (30) und (36): Ä^jc.dß--fj^^äv+Jc.dß-^}^dv (41) Die Arbeit bei der adiabatischen Compression im ersten Theil des Prozesses ist also gerade gleich und entgegengesetzt der Arbeit bei der adiabatischen Ausdehnung im dritten Theil des Prozesses und hebt sich mit dieser fort. Es bleiben übrig die isothermischen Arbeiten; Nun ist aber der Zustand v^ &^ aus dem Zustand v^ &^ durch einen adiabatischen Vorgang entstanden, also ist nach (37): log ß'^ + iy -\) log v^ = log ^i + {r - 1) log v^ und ebenso ist für den anderen adiabatischen Vorgang, der von v^' &2 bis Vj" &^ führt: log ^2 + ir - 1) log v^' = log ß^+{y - 1) log v^\ Aus diesen beiden Gleichungen folgt unmittelbar: und daher: ?W ^ ^ ^' ^ V, f . r Da in unserem Fall &^ > ü-, und -^ = -^ > 1 , so ist hier die gesammte von Aussen auf das Gas ausgeübte Arbeit Ä negativ, d. h. es ist äussere Arbeit im Ganzen nicht aufgewendet, son- dern gewonnen worden. Dagegen ist in Folge von (39) und (40) Q=.Q^ + Q^= -A (42) positiv, d. h. der Wärmebehälter von der Temperatur &^ hat mehr Wärme abgegeben, als der Wärmebehälter von der Tem- peratur i^-j aufgenommen hat. Der Werth von A in die letzte Gleichung eingesetzt ergibt: = Oj + 0, = A (.^, - ^i)log^. (43) Die Eichtigkeit dieser Gleichung erhellt sogleich aus der direkten Berechnung der Grössen Q^ und Q^ einzeln. Während 60 Der erste Haupisatx der Wärmetheorie. nämlich der Wärmebehälter &^ in Funktion ist, dehnt sich das Gas isotherm aus, seine Energie bleibt also ungeändert^ und die von Aussen zugeführte Wärme ist der äusseren Arbeit gleich und entgegengesetzt. Daher hat man durch Vergleich mit dem zweiten Integral in (41): ^ Ä n 1 Vf' 9. l/\ ^1 ^ ~~ m 2 ^ t;2 ~" m * ^i und ebenso durch Vergleich mit dem vierten Integral in (41): 0, =^.9-, log^ = -^i^, log^ in Uebereinstimmung mit der Gleichung (43). Es besteht also zwischen den Grössen Q^^, Q^, A ausser der Eelation (42) noch die andere: (44) Q,:Q,:A = {-^ t^): ^2 -(^i " '^> § 91. Wir wollen nun das Resultat aller Wirkungen ins Auge fassen, welche bei der Ausführung des beschriebenen CAENOT'schen Kreisprozesses in der Natur auftreten. Zu dem Zweck vergleichen wir den durch den Prozess schliesslich hervor- gerufenen Zustand mit dem am Anfang des Prozesses herrschen- den Zustand. Das Gas selber hat durch den Prozess im Ganzen gar keine Aenderung erfahren, es hat gewissermassen nur als Zwischenträger gedient, um anderweitige Aenderungen zu ver- mitteln, wir können dasselbe also bei der Vergleichung des End- zustandes mit dem Anfangszustand ganz ausser Betracht lassen. Dagegen haben die beiden Wärmebehälter ihren Zustand ge- ändert und ausserdem ist eine gewisse positive äussere Arbeit A' = — Ä gewonnen worden, d. h. es befinden sich am Schluss des Prozesses etwa gewisse Gewichte, die bei der Compression und bei der Ausdehnung verwendet wurden, auf einer grösseren Höhe als am Anfang, oder es ist eine elastische Feder, die zu dem gleichen Zweck diente, am Schluss stärker gespannt als sie es am Anfang war. Andrerseits hat der Wärmebehälter &^ die Wärmemenge Q^ abgegeben, der kältere Wärmebehälter iJ-j die kleinere Wärmemenge Q^' = — Q^ empfangen, und die ver- schwundene Wärme ist äquivalent der gewonnenen Arbeit. Man kann das kurz so ausdrücken, dass man sagt: Die Wärmemenge O2 von der Temperatur ß-^ ist zum einen Theil (Q^') zur tieferen Temperatur &j^ übergegangen, zum andern Theil (O3 — 0^' =Q^ + Q^) in Arbeit verwandelt worden. Man hat also in dem CAENOT'schen Anwendungen auf nichthomogene Systeme. 61 Kreisprozess, ausgeführt mit einem idealen Gase, ein Mittel, nm einem Körper Wärme zu entziehen und dafür Arbeit zu ge- winnen, ohne dass irgend eine andere Veränderung in der Natur eintritt, als dass ausserdem eine gewisse andere Wärmemenge aus einem Körper von höherer Temperatur zu einem Körper von tieferer Temperatur übergeht. Da der beschriebene Prozess aber umkehrbar ist, so kann man ihn auch in der Weise realisiren, dass bei unveränderten Temperaturen und Volumina die Grössen 0^, O3, ^ ihr Vor- zeichen ändern. Dann ist Q^ und Ä positiv, Q2 = — Og iißg^ttv, d. h. der wärmere Behälter &^ empfängt die Wärme Q^, und zwar zum Theil {Q^) aus dem kälteren Behälter iJ-^, zum Theil aus aufgewendeter Arbeit {Ä). Man hat also in dem umgekehrt, ausgeführten CABNOT'schen Prozess ein Mittel, um Wärme aus einem kälteren in einen wärmeren Körper zu schaffen, ohne dass irgend eine andere Veränderung in der Natur eintritt, als dass ausserdem eine gewisse Arbeit in Wärme verwandelt wird. Wir werden später sehen, dass für den Erfolg des CABNOT'schen umkehrbaren Kreisprozesses die Natur des Zwischenträgers principiell unwesentlich ist, dass also ein ideales Gas darin von keiner anderen Substanz übertroffen oder unterboten wird, (vergl. § 137). III. Capitel. Anwendungen auf nichthomogene Systeme. § 92. Ein grosser Theil der im vorigen Capitel besprochenen Sätze ist ohne Weiteres auch auf den Fall anwendbar, dass die dort behandelte Substanz im Innern nicht vollständig homogen ist, und insofern kann für eine Eeihe von allgemeinen Fragen auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Hier werden vorwiegend nur diejenigen Erscheinungen Gegenstand der Unter- suchung sein, welche für die Inhomogenität eines Systems charakteristisch sind. Wir betrachten im Folgenden ein System, welches aus einer Anzahl neben einander gelagerter, durch bestimmte Tren- nungsflächen geschiedener homogener (§ 67) Körper zusammen- gesetzt ist. Ein solches System kann chemisch homogen sein oder nicht. Den ersten Fall haben wir unter Umständen bei einer Flüssigkeit in Berührung mit ihrem Dampf, insofern die 62 Der erste Hcmptsatx, der Wärmetheorie. Flüssigkeit aus ebensolchen Molekülen bestehen kann wie der Dampf. Den zweiten FaU haben wir beim Beginn irgend einer chemischen Reaktion, insofern eine Substanz mit einer chemisch differenten in Berührung ist Ob ein System physikalisch homogen ist oder nicht, lässt sich durch Aufsuchung etwaiger Trennungsflächen innerhalb des Systems, eventuell auch durch andere Mittel, z. B. bei Emulsionen durch Messung der Dampf- spannung oder des Gefrierpunktes (§ 223), in den meisten Fällen zu unzweifelhafter Entscheidung bringen, viel schwieriger und bis jetzt nur in besonderen Fällen gelungen ist die Beantwortung der Frage, ob ein System chemisch homogen ist, d. h. aus gleichartigen Molekülen besteht. Daher legen wir auch die erstere und nicht die letztere Eintheilung unserer Untersuchung zu Grunde. § 98. Ein Charakteristikum der Vorgänge in nichthomo- genen Systemen sind die im Allgemeinen beträchtlichen dabei ein- tretenden Temperaturänderungen, z. B. beim Verdampfen oder beim Oxydiren. Die Aufrechterhaltung der Anfangstemperatur und des Anfangsdrucks erfordert dann einen beträchtlichen Wärmeaustausch mit der Umgebung und eine entsprechende äussere Arbeit Ersterer ist aber in der Regel viel bedeutender als letztere, die bei den meisten chemischen Vorgängen ganz vernachlässigt werden kann. Daher misst man in der Thermo- chemie die äusseren Wirkungen: (45) Q + Ä=U,-U, gewöhnlich in Calorieen (calorisches Aequivalent der äusseren Wirkungen). Die äussere Arbeit A erscheint darin nur als ein untergeordnetes Glied. Da femer die meisten chemischen Vor- gänge mit Temperaturerhöhung, also, wenn die Anfangstemperatur wiederhergestellt wird, mit Wärmeabgabe nach Aussen verlaufen (exothermische Vorgänge), so bezeichnet man in der Thermo- chemie die behufs Wiederherstellung der Anfangstemperatur nach Aussen abzugebende Wärmemenge als „positive Wärme- tönung" des Prozesses. In unseren Rechnungen werden wir daher für einen Prozess mit positiver Wärmetönung (z. B. Ver- brennung) die von Aussen zugeführte Wärme Q negativ, für einen mit negativer Wärmetönung (Verdampfung, Schmelzung, Dissociation) diese Wärme Q positiv zu nehmen haben. Anwendungen auf nichthomogene Systeme, 63 § 94, Um die Gleichung (45) thermochemisch zu ver- werthen, ist es zweckmässig, zur Bezeichnung der Energie U eines Systems in einem bestimmten Zustand ein Symbol zu be- nutzen^ welches die chemische Natur des Systems unmittelbar erkennen lässt Ein solches Symbol hat J. Thomsen eingeführt, indem er die Formeln für das Atomgewicht oder Molekular- gewicht der betr. Substanzen in Klammem setzt und dadurch die Energie der entsprechenden Gewichtsmenge, bezogen auf einen beliebigen Nullzustand, ausdrückt So bezeichnen [Pb], [S], [PbS] die Energieen eines Atoms Blei, Schwefel und eines Moleküls Schwefelblei. Um nun auszudrücken, dass die Bildung eines Moleküls Schwefelblei aus einem Atom Blei und einem Atom Schwefel mit einer Wärmetönung von 18 400cal verbunden ist, während dagegen die äussere Arbeit zu vernachlässigen ist (§ 98), hat man zu setzen: ü, = [Pb] + [S] U, = [PbS] ^ = 0, 0=-18 400cal und die Gleichung (45) wird: - 18 400 cal = [PbS] - [Pb] - [S] oder, in der üblichen Schreibweise: [Pb] + [S] - [PbS] = 18 400 cal, d. h. die Energie von Blei und Schwefel in getrenntem Zustand ist um 18 400 cal grösser als im chemisch verbundenen Zustand bei gleicher Temperatur. Durch die Benutzung der Formeln für das Verbindungsgewicht hat man zugleich auch eine Con- trole dafür, dass die beiden verglichenen Energieen sich auf das nämliche materielle System beziehen. Einfacher noch würde die Gleichung lauten, wenn man den getrennten Zustand der Elemente Pb und S zum Nullzustand wählt. Denn dann wird (§ 64) [Pb] = und [S] = und man hat kürzer: [PbS]= - 18 400 cal. § 95. Zur genauen Definition des Zustandes einer Sub- stanz, und somit ihrer Energie, ist aber ausser der chemischen Natur und der Gewichtsmenge zunächst noch die Angabe der Temperatur und des Druckes erforderlich. Erstere wird, falls keine besondere Bemerkung darüber gemacht ist, wie auch schon 64 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie. in dem obigen Beispiel geschehen, als die mittlere- Zimmer- temperatur, also etwa 18^ C, angenommen. Ebenso wird der Druck als Atmosphärendruck vorausgesetzt; derselbe hat übrigens, bei gegebener Temperatur, nur wenig Einfluss auf die Energie, bei idealen Gasen überhaupt keinen [Gleichung (35)]. Femer bedarf es noch der Angabe des Aggregatzustandes. Man kann denselben, falls Verwechslungen zu befürchten sind, dadurch bezeichnen, dass man für den festen Zustand eckige Klammem wie oben, für den flüssigen runde, und für den gas- förmigen geschwungene Klammern anwendet. So bedeutet [H3O], (H3O), {HgO} die Energie eines Moleküls Wasser als Eis, als Flüssigkeit, und als Dampf. Daher ist für das Schmelzen bei 0^: (H2O) - [HgO] = 80.18 = 1440 cal. Endlich ist es manchmal wünschenswerth, z. B. bei fester Kohle, Schwefel, Arsen, oder bei isomeren Verbindungen, auch noch eine Angabe über die spezielle Modification der Substanz hinzu- zufügen. Das kann jedesmal in besonderer Weise geschehen. Mit diesen Symbolen lässt sich nun, wie mit bestimmten Grössen, rechnen, und dadurch manche Betrachtung wesentlich abkürzen, die sonst nur durch mehr oder minder verwickelte Ueberlegungen durchzuführen wäre. Vergl. hierzu die Beispiele weiter unten. § 96, Zur Bezeichnung der Energie einer Lösung oder Mischung mehrerer Verbindungen kann man die Formeln für die Molekulargewichte mit den entsprechenden Molekülzahlen direkt nebeneinander schreiben. So bedeutet: (H3SOJ + SCHgO) - (H2S0^.5H20) = 13 100 cal, dass beim Auflösen eines Moleküls Schwefelsäurehydrat in 5 Mole- külen Wasser die Wärme 13 100 cal frei wird. Aehnlich gibt die Gleichung: (HgSOj + lOCHgO) - (H2SO4. IOH2O) = 15 100 cal die Wärmetönung beim Auflösen in 10 Molekülen Wasser. Durch Subtraktion der beiden Gleichungen erhält man daraus: (H3SO4.5H2O) + öCHjjO) - (H2SO4.IOH2O) = 2000 cal, d. h. die Verdünnung einer Lösung von 1 Molekül Schwefel- säurehydrat in 5 Molekülen Wasser mit weiteren 5 Molekülen Wasser ergibt eine Wärmetönung von 2000 cal. \ Anwendungen auf nichthomogene Systeme, 65 § 97. Erfahrungsgemäss ruft bei sehr verdünnten Lösungen eine weitere Verdünnung keine merkliche Wärmetönung mehr hervor. Daher ist es zur Bezeichnung der Energie einer sehr verdünnten Lösung häufig gamicht nöthig, die Zahl der Moleküle des Lösungsmittels besonders anzugeben, und man schreibt kurz: (HjSOj + (aq) - (H^SO^aq) = 1 7 900 cal., um die Wärmetönung auszudrücken, welche bei unendlicher Verdünnung eines Moleküls Schwefelsäurehydrat mit Wasser auftritt Hierbei bedeutet das Zeichen aq jede beliebige Wasser- menge, die zur praktischen Herstellung einer unendlich ver- dünnten Lösung genügt. § 98. Das calorische Aequivalent der äusseren Arbeit Ä (§ 93) ist bei chemischen Prozessen, in denen nur feste und flüssige Körper vorkommen, wegen der geringen Volumverände- rungen gegen die Wärmetönung in der Regel zu vernachlässigen. Dann ergiebt also die Wärmetönung allein die Euergieänderung des Systems: ^2-^1 = und ist in Folge dessen nur vom Anfangs- und Endzustaud, nicht aber von dem sonstigen Verlauf des Prozesses abhängig. Anders ist es im Allgemeinen, wenn gasförmige Körper an der Reaktion betheiligt sind. Nur bei den Verbrennungsprozessen in der „calorimetrischen Bombe", welche durch die Forschungen besonders von Berthelot und von Stohmann weitgehende An- wendungen erfahren hat, bleibt das Volumen constant und daher die äussere Arbeit = 0. Auch hier entspricht also die gemessene Wärmetönung direkt der eingetretenen Energiedifferenz. Aber in anderen Fällen kann bei der Mitwirkung von Gasen die äussere Arbeit A einen merklichen Betrag annehmen; derselbe ist wesentlich auch durch den Verlauf des Prozesses bedingt. So kann man z. B. ein Gas sich ausdehnen lassen mit einer äusseren Arbeitsleistung, die innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Werth, bis Null herab, haben kann. Da nun die Energiedifferenz Ü^—U^ nur vom Anfangszustand und vom Endzustand des Systems abhängt, so bedingt eine grössere Arbeit, die das System bei Ueberwindung der äusseren Kräfte leistet, immer eine geringere Wärmetönung des Prozesses und umge- kehrt, und um letztere zu finden, muß man ausser den Energieen Planck, Thermodynamik. 5 66 Der erste Hauptsatz der Wärme theorie, auch noch die äussere Arbeit kennen. Hierzu bedarf es also der Angabe der äusseren Bedingungen, unter denen der Prozess verläuft. § 99. Unter allen äusseren Bedingungen, die einen che- mischen Prozess begleiten können, ist die praktisch wichtigste diejenige, dass der Druck constant gleich dem einer Atmosphäre bleibt: p = Pq» Dann ist die von Aussen her aufgewendete Ar- beit Ä nach Gleichung (20) 2 (46) A=-fp,dv=p,{r^-r,), 1 also gleich dem Produkt des Druckes und der Volumenabnahme des Systems. Dies gibt nach (45): (47) U,-U, = Q+p,{V,-V,) Die Volumenabnahme V^ — V^ des Systems kann man aber in der Regel, unter Vernachlässigung der Volumenänderungen fester und flüssiger Körper, gleich setzen der Volumenabnahme der gasförmigen Theile des Systems; also nach (16): wobei n^ und n^ die Anzahl der gasförmigen Moleküle des Systems vor und nach der Reaktion bedeuten. Daraus ergibt sich das calorische Aequivalent der äusseren Arbeit bei con- stantem Druck nach (46) und (34) A = MVr-V^) ^A^(n^ _n,) = 1,97 -»-{n, -n,) cal. und die Wärmetönung eines Prozesses bei constantem Druck: (48) -Q= L\'-'U^ + },97-&'{n^-n2) ^al. Wenn z. B. ein Molekulargewicht Wasserstoff und ein halbes Molekulargewicht Sauerstoff, beide von 18®, sich bei constantem Druck zu flüssigem Wasser von 18® verbinden, so ist zu setzen: U, = {E,} + i\0,} U, = (H^O) »»1 = 4» «3 = 0, ,9- = 291, also die Verbrenrrangswärme nach (48): - = {H,} + |{03}-(H,0) + 860 caL, Änwendu/ngefn auf nichthomogene Systeme, 67 um 860 cal. grösser, als der Abnahme der Energie, d. h. der Verbrennung ohne äussere Arbeitsleistung entspricht. § 100. Schreibt man die Gleichung (47) in der Form: {U + PoV\-{ü + p,V\=^Q, (49) so erkennt man, dass bei Prozessen, die unter constantem Druck Pq verlaufen, die Wärmetönung nur abhängt vom Anfangszustand und vom Endzustand, ebenso wie das beim gänzlichen Fortfall der äusseren Arbeit zutrifft. Aber hier ist die Wärmetönung nicht gleich der Differenz der Energieen U, sondern gleich der Differenz der Werthe, welche die Grösse {U + Pf^V) am Anfang und am Ende des Prozesses besitzt. Diese Grösse hat Gibbs daher die „Wärmefunktion bei constantem Druck" genannt. Wenn es sich also nur um Prozesse bei constantem Druck han- delt, so ist es zweckmässig, die Symbole {Hg}, (HgO) u. s. w. ein für alle Mal nicht auf die Energie ü, sondern auf die Wärme- funktion bei constantem Druck zu beziehen, deren Differenz dann immer direkt die Wäimetönung ergibt. Diese Bezeichnung wird daher auch im Folgenden angewendet werden. § 101. Um die Wärmetönung irgend eines unter constantem Druck verlaufenden chemischen Prozesses zu berechnen, genügt es also, die Wärmefunktion U + PqV des an dem Prozess be- theiligten materiellen Systems im Anfangszustand und im End- zustand des Prozesses zu kennen. Daher kommt die allgemeine Lösung dieser Aufgabe im Wesentlichen darauf hinaus, die Wärmefiinktionen aller möglichen materiellen Systeme in allen möglichen Zuständen zu finden. Sehr häufig bieten sich zur Berechnung der Wärmefunktion verschiedene Wege der Ueber- fuhrung aus dem einen Zustand in den andern dar, die dann entweder zur Prüfung der Theorie oder zur Controlle der Ge- nauigkeit der Messungen dienen können. So fand J. Thomsen als Neutralisationswärme einer Lösung von doppeltkohlensaurem Natron mit Natronlauge: (NaHCOg aq) + (NaHO aq) - (Na^COg aq) = 9200 cal. Dagegen als Neutralisationswärme einer Kohlensäurelösung; (CO, aq) + 2 (NaHO aq) - (Na^COg aq) = 20 200 cal. Die Subtraction dieser beiden Gleichungen ergibt: (COg aq) + (NaHO aq) - (NaHCOg aq) = 11 000 cal. 5* 68 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie, Das ist die Wärmetönung, welche der Verbindung von Kohlen- säure und Natronlauge zu doppeltkohlensaurem Natron ent- spricht, und die durch eine Messung von Bebthelot direkt constatirt wurde. § 102. Oft ist von zwei verschiedenen Wegen der Ueber- flihrung der eine zur calorimetrischen Verwerthung besser ge- eignet als der andere. So lässt sich die Wärmeentwicklung bei der Zersetzung von Wasserstoffsuperoxyd in Wasser und Sauer- stoff nicht gut direkt messen. Thomsen oxydirte daher eine salzsaure Lösung von Zinnchlorür einmal mit Wasserstoff- superoxyd: (SnCla • 2 HCl aq) + (HgOg aq) - (SnCl^ aq) = 88 800 caL, einmal mit Sauerstoffgas: (SnClg • 2 HCl aq) + i {O^} - (SnCl^ aq) = 65 700 cal. Die Differenz ergibt: (H^O^ aq) - i{0,} - (aq) = 23 100 cal. als Wärmetönung bei der Zersetzung von gelöstem Wasserstoff- superoxyd in gasförmigen Sauerstoff und Wasser. § 108. Die Bildungswärme des Kohlenoxydgases aus fester Kohle und Sauerstoff lässt sich deshalb nicht direkt bestimmen, weil Kohle niemals ganz zu Kohlenoxyd, sondern immer zum Theil auch zu Kohlendioxyd verbrennt. Daher bestimmten Favre und Silbeemann erstens die Wärmetönung bei voll- ständiger Verbrennung der Holzkohle: [C] + {Og} - {CO2} = 97 000 cal., zweitens die Wärmetönung bei Verbrennung von Kohlenoxyd zu Kohlendioxyd: {CO} + \[0^] - {CO2} = 68 000 cal. Daraus durch Subtraktion: [C] + \ {O2} - {CO} = 29 000 cal. , die gesuchte Bildungswärme des Kohlenoxydgases. § 104. Hienach führt die Anwendung der Theorie auch dazu, Wärmetönungen von Prozessen zu berechnen, die gamicht direkt ausführbar sind. Denn sobald die Wärmefimktion eines Systems auf irgend einem Wege gefunden worden ist, kann man sie mit beliebigen anderen Wärmefunktionen in Vergleich bringen. Awmendungen auf nicMhomog&ne Systeme, 69 Es handle sich z. B. darum, die Bildungswänne yon flüssigem Schwefelkohlenstoff aus fester Kohle und festem Schwefel, die sich nicht direkt verbinden, zu bestimmen. Hiezu kann man folgende messbare Vorgänge benutzen: Die Verbrennung von festem Schwefel zu gasformiger schwefliger Säure: [S] + {O2} - {SOj} = 71100 cal. Die Verbrennung von fester Kohle zu Kohlensäure: [C] + {Og} - {COj} = 97 000 cal. Die Verbrennung von gasformigem Schwefelkohlenstoff zu Kohlen- säure und schwefliger Säure: {CSg) + 3 [0^] - {CO^} - 2 {SO,} = 265 100 cal. Die Condensation von Schwefelkohlenstoffdampf: {CSg} - (CS2) = 6400 cal. Die Elimination aller übrigen Größen auf rein rechnerischem Wege ergibt die gesuchte Bildungs wärme: [C] + 2 [S] - (CS2) = - 19 500 caL, also negativ. Es ist die wichtigste Methode der organischen Thermo- chemie, die Bildungswärme einer Verbindung aus ihren Bestand- theilen dadurch zu bestimmen, dass man einmal die Verbindung, das andere Mal deren Bestandtheile verbrennt. Methylwasserstoff (Grubengas) liefert bei vollständiger Ver- brennung zu Kohlensäure und flüssigem Wasser: {CHJ + 2 {O3} - {CO2} - 2 (HgO) = 211 900 cal. Dagegen ist {H2} + \{0^\ - (H^O) = 68 400 cal. (50) [C] + {O2} - {COal = 97 000 cal. Folglich, durch Elimination, die Bildungswärme von Methyl- wasserstoff aus fester Kohle und Wasserstoffgas: [C] + 2 {H2} - {CHJ = 21 900 cal. § 106. Im Allgemeinen wird die einer bestimmten, unter constantem Druck verlaufenden Umwandlung entsprechende äussere Wärme Q von der Temperatur abhängen, bei der die 70 Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie. ■ . Umwandlung sich vollzieht. Hieflir liefert der erste Hauptsatz der Wärmetheorie folgende Beziehung: Aus der Gleichung (49) folgt für irgend eine Temperatur &: für eine andere Temperatur &': und durch Subtraktion: Q^' - 0^ = [{U, +PoV,)^ - {U, +i)o^2W f I d. h. die Differenz der Wärmetönungen {Q^ — Q^f) ist gleich der Differenz der Wärmemengen, die zugeführt werden müssen, um das System einmal vor der Umwandlung (Zustand 1), das andere Mal nach vollendeter Umwandlung (Zustand 2), von & auf &' zu bringen. So findet man den Einfluss der Temperatur auf die Ver- brennungswärme des Wasserstoffs zu flüssigem Wasser, wenn man die Wärmecapacität des Knallgases: IL^ + \0^ vergleicht mit derjenigen des flüssigen Wassers: Hg^O. Die erstere ist gleich der Molekularwärme des Wasserstoffs + der halben Molekularwärme des Sauerstoffs; also nach der Tabelle § 87: 6,82 + 3,47 = 10,29, die letztere ist 148 = 18. Die Differenz beider Zahlen beträgt — 7,71. Also nimmt die Verbrennungswärme eines Moleküls Wasserstoff mit jedem Temperaturgrad um 7,7 cal. ab. Einleitung, 71 Dritter Abschnitt Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie. I. Capitel. Einleitung. § 106. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie hat einen von dem ersten Hauptsatz wesentUch verschiedenen Inhalt, da er eine Frage behandelt, die von diesem gamicht berührt wird, nämlich die Frage nach der Richtung eines in der Natur ein- tretenden Prozesses. Nicht jede Veränderung nämlich, welche mit dem Princip der Erhaltung der Energie verträglich ist, genügt auch den weitergehenden Bedingungen, die der zweite Hauptsatz den in der Natur wirklich vor sich gehenden Prozessen auferlegt; oder mit anderen Worten: das Energieprincip reicht noch keineswegs aus zur eindeutigen Bestimmung der natür- lichen Vorgange. Wenn z. B. zwischen zwei Körpern von verschiedener Temperatur Wärmeaustausch durch Leitung stattfindet, so ver- langt der erste Hauptsatz oder das Princip der Erhaltung der Energie nur, dass die von dem einen Körper abgegebene Wärmemenge gleich ist der von dem andern Körper auf- genommenen Wärmemenge. Ob aber die Wärmeleitung in der Eichtung vom wärmeren zum kälteren Körper erfolgt oder um- gekehrt, daraus lässt sich aus dem Energieprincip allein nicht das Mindeste schliessen. Ueberhaupt ist die Frage nach der Grösse der Temperatur dem Energieprincip an sich fremd, wie schon daraus hervorgeht, dass man durch dieses Princip nicht zu einer exakten Definition der Temperatur geführt wird. Ganz ebenso enthält die allgemeine Gleichung (17) des ersten Hauptsatzes keine Aussage über die Richtung des betr. Vorgangs, z. B. die spezielle Gleichung (50): {Hai + i {0,} - (H^O) = 68 400 cal. bedeutet nur, dass, wenn sich Wasserstoff und Sauerstoff bei constantem Druck zu flüssigem Wasser verbinden, die Her- stellung der anfänglichen Temperatur eine bestimmte Wärme- 72 Der xweite Hofuptaatx der Wärmetheorie. abgäbe an die Umgebung erfordert, und umgekehrt, dass diese Wärme gebunden wird, wenn das Wasser sich in Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt; sie ertheilt aber keinen Aufschluss darüber, ob sich Knallgas wirklich zu Wasser verbindet, oder ob sich Wasser in Knallgas zersetzt, oder ob der Prozess über- haupt in irgend einer Richtung direkt vor sich gehen kann (vgl. § 104). Vom Standpunkt des ersten Hauptsatzes aus be- trachtet erscheinen also Anfangszustand und Endzustand eines jeden Prozesses als vollkommen gleich werthig. § 107, Es gibt allerdings einen singulären Fall, wo das Energieprincip allein einem Prozesse eine ganz bestimmte Eichtung vorschreibt; dieser Fall tritt dann ein, wenn sich das betrachtete System in einem Zustand befindet, für den eine der verschiedenen Energiearten ein absolutes Maximum oder ein absolutes Minimum besitzt Dann kann nämlich eine Ver- änderung offenbar nur in dem Sinne erfolgen, dass die betr. Energie abnimmt^ bez. zunimmt. Dieser singulare Fall findet sich z. Bc verwirklicht in der Mechanik, wenn ein Punktsystem ruht, wenn also die kinetische Energie ein absolutes Minimum ist; d. h. in einem ruhenden Punktsystem ist jede Veränderung mit einer Zunahme der kinetischen, folglich, falls keine Ein- wirkungen von Aussen stattfinden, mit einer Abnahme der po- tentiellen Energie verknüpft. Hieraus entspringt ein wichtiger Satz der Mechanik, der die Richtung von selbst eintretender Bewegungen charakterisirt und dadurch auch zur Fixirung der allgemeinen mechanischen Gleichgewichtsbedingung führt. Denn wenn ausser der kinetischen auch die potentielle Energie ein Minimum ist, so kann offenbar überhaupt keine Veränderung eintreten, da sich dann keine der beiden Energieen auf Kosten der andern vergrössem kann, und das System muss in Ruhe bleiben. Befindet sich z. B. eine schwere Flüssigkeit in zwei com- municirenden Röhren auf verschiedenen Niveauhöhen im Ruhe- zustand, so muss die Bewegung in dem Sinne eintreten, dass das höhere Niveau sinkt, das tiefere steigt, weil dabei der Schwer- punkt des Systems tiefer gelegt wird und dadurch die potentielle Energie, deren Werth mit der Höhe des Schwerpunkts wächst, vermindert wird. Gleichgewicht ist dann vorhanden, wenn die Höhe des Schwerpunkts und mit ihr die potentielle Energie ein Einleüung. 73 Minimum ist, d. h. wemi die Flüssigkeit in beiden Röhren gleich hoch steht Sobald aber über den Geschwindigkeitszustand der Flüssigkeit keine besondere Voraussetzung eingeführt wird, ver- liert jener Satz seine Gültigkeit, die potentielle Energie braucht nicht abzunehmen, und das höhere Niveau kann ebensogut steigen wie sinken. Würde man in der Wärme auch einen Zustand minimaler Energie kennen^ so würde für diesen, aber auch nur für diesen singnlären Zustand, ein ähnlicher Satz gelten. Da jedoch in Wirklichkeit nicht einmal dieses zutrifft, so ist es aussichtslos, die allgemeinen Gesetze der Richtung thermodynamischer Ver- änderungen, sowie des thermodynamischen Gleichgewichts auf entsprechende Sätze in der Mechanik, die nur für ruhende Systeme gelten, zurückführen zu wollen. § 108. Obwohl aus diesen Darlegungen ersichtlich ist, dass das Energieprinzip im Allgemeinen nicht dazu dienen kann, die Richtung eines thermodynamischen Prozesses und damit auch die Bedingungen des thermodynamischen Gleichgewichts zu be- stimmen, so haben doch, wesentlich im Anschluss an den im vorigen Paragraphen besprochenen Satz der Mechanik, die Versuche bis zum heutigen Tag fortgedauert, das Energieprincip in der einen oder anderen Weise zu dem bezeichneten Zweck nutzbar zu machen, und dadurch hat der zweite Hauptsatz, der seinerseits gerade diesem Zwecke dient, in manchen Darstellungen ein ganz unklares Ansehen erhalten. Man sucht ihn stellenweise immer noch gewissermassen als einen Theil des Energieprincips hin- zustellen, indem man alle Untersuchungen, welche sich mit diesen Fragen beschäftigen, unter der hierfür zu engen Bezeichnung „Energetik" zusammenfasst. Der zweite Hauptsatz kommt mit dem Begriff der Energie nicht aus, er lässt sich keineswegs da- durch erschöpfend behandeln, dass man jeden Naturvorgang in eine Reihe Energieverwandlungen zerlegt und nun nach der Richtung jeder einzelnen Verwandlung fragt. Man kann freilich in jedem einzelnen Falle die verschiedenen Energiearten nam- haft machen, die sich gegenseitig umsetzen; denn das Energie- princip muss ja immer erfüllt sein. Aber es bleibt immer eine gewisse Willkühr darin bestehen, wie man die Bedingungen der Verwandlungen ausdrückt, und diese Willkühr lässt sich durch keine allgemeine Festsetzung eindeutig beseitigen. 74 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, So findet man manchmal den zweiten Hauptsatz dahin cha- rakterisirt, dass die Verwandlung von Arbeit in Wärme voll- ständig, die von Wärme in Arbeit dagegen nur unvollständig stattfinden könne, in der Weise, dass jedesmal, wenn ein Quan- tum Wärme in Arbeit verwandelt wird, zugleich nothwendiger- weise ein anderes Quantum Wärme eine entsprechende, als Compensation dienende Verwandlung, z. B. üebergang von höherer in tiefere Temperatur, durchmachen müsse. Dieser Ausspruch ist in gewissen ganz speziellen Fällen richtig; ganz allgemein genommen trifft er aber durchaus nicht das Wesen der Sache, wie der Deutlichkeit halber an einem einfachen Beispiel gezeigt werden soll. Eine der allerwichtigsten mit der Entdeckung des Energieprincips verknüpften Errungenschaften für die Wärme- theorie ist der in der Gleichung (19) (§ 70) ausgesprochene Satz, dass die gesammte innere Energie eines idealen Gases lediglich von der Temperatur abhängt und nicht vom Volumen. Lässt man nun ein ideales Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehnen, und verhindert man die Abkühlung des Gases durch gleichzeitige Zuleitung von Wärme aus einem Wärmebehälter von höherer Temperatur, so behält das Gas mit seiner Temperatur zugleich auch seine Energie unverändert bei, und man kann sagen, dass die vom Eeservoir abgegebene Wärme vollständig in Arbeit verwandelt wird, ohne dass sonst irgendwo ein Energieumsatz stattfindet. Gegen diesen Ausspruch lässt sich nicht das min- deste Thatsächliche einwenden. Nur durch eine veränderte Be- trachtungsweise, die aber nicht den physikalischen Thatbestand, sondern nur die Auffassung desselben modificirt, also auch durch Thatsachen weder gestützt noch widerlegt werden kann, lässt sich der Satz von der „unvollständigen Verwandelbarkeit der Wärme in Arbeit** aufrecht erhalten, nämlich mit Hülfe der Einführung neuer, nur ad hoc ersonnener Energiearten, indem man die Energie des Gases in mehrere Theile zerlegt, die dann einzeln auch vom Volumen abhängen können. Diese Zerlegung muss aber für verschiedene Fälle in verschiedener Weise vor- genommen werden, z. B. für isothermische Prozesse anders als für adiabatische, und erfordert auch für physikalisch einfache Fälle ziemlich verwickelte Betrachtungen. Nun ist von vorn- herein einleuchtend, dass man aus einer noch so künstlichen Definition, selbst wenn sie in sich keinen Widerspruch enthält. Einleitung, 75 niemals eine neue Thatsache ableiten kann; und um eine solche handelt es sich, wenn man vom ersten Hauptsatz der Wärme- theorie zum zweiten Hauptsatz übergeht. § 109. Um die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes klar hervortreten zu lassen, gibt es nur einen einzigen Weg: man fuhrt ihn auf Thatsachen zurück dadurch, dass man Sätze aufstellt, die sich durch Experimente bestätigen oder widerlegen lassen. Ein solcher Satz nun ist der folgende: es ist auf keiner- lei Weise möglich, einen Vorgang, in welchem Wärme durch Eeibung entsteht, vollständig rückgängig zu machen. In aus- führlicherer Erläuterung, etwa mit Exemplification auf die oben § 60 besprochenen, zur Bestimmung des mechanischen Wärme- äquivalents von Joule angestellten ßeibungs versuche, soll dies besagen: wenn die herabfallenden Gewichte durch die Reibung der Schaufelräder im Wasser oder Quecksilber Wärme erzeugt haben, so lässt sich kein Verfahren ersinnen, das den Anfangs- zustand jenes Prozesses in der ganzen Natur genau wiederher- stellt, d. h. die Gewichte wieder auf die ursprüngliche Höhe schafft, die Flüssigkeit entsprechend abkühlt, und sonst keine Veränderungen zurücklässt. Was dabei an technischen Hilfs- mitteln, Maschinen mechanischer, thermischer, chemischer, elek- trischer Art verwendet wird, ist ganz gleichgültig. Die in dem Worte „vollständig" ausgesprochene Bedingung soll nur die sein, dass schliesslich überall wieder genau der bekannte Anfangszu- stand des ßeibungsprozesses hergestellt ist, wozu auch noth- wendig gehört, dass alle etwa benutzten Materiahen und Maschinen am Schluss sich wieder genau in demselben Zustand befinden wie am Anfang, als man sie in Benutzung nahm. Dieser Satz ist nicht a priori beweisbar, er stellt auch keine Definition vor, sondern er enthält eine bestimmte, in jedem Einzelfall genau zu präcisirende Behauptung, welche durch Thatsachen geprüft werden kann dadurch, dass man wirklich Versuche in der bezeichneten Richtung anstellt: er ist also ent- weder richtig oder falsch. § 110. Ein anderer derartiger, hiemit in engem Zusammen- hang stehender Satz ist der folgende: Es ist auf keinerlei Weise möglich, einen Vorgang, bei welchem sich ein Gas ohne äussere Arbeitsleistung und ohne äussere Wärmezufuhr, also mit con- stanter Gesammtenergie ausdehnt (wie § 68 beschrieben), voll- 76 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, ständig rück^ngig zu machen — das Wort „vollständig^* immer in demselben Sinn genommen wie oben. Wollte man den Ver- such dazu machen, so könnte man z. B. das Gas, nachdem es seinen neuen Gleichgewichtszustand angenommen hat, zunächst auf sein altes Volumen comprimiren, etwa durch Herabsinken- lassen eines Gewichts. Dann wird äussere Arbeit aufgewendet und zugleich das Gas entsprechend erwärmt. Damit ist an und für sich noch nichts bewiesen, es kommt vielmehr jetzt darauf an, das Gas ganz in seinen ehemaligen Zustand zu bringen und das benutzte Gewicht wieder heraufzuschaffen. Leitet man nun, um das Gas auch auf seine alte Temperatur zurückzubringen, die Compressionswärme bei constant gehaltenem Volumen ab, etwa in ein kühleres Wärmereservoir, so müsste, damit der Prozess vollständig rückgängig wird, dem Reservoir die empfangene Wärme wieder entzogen und femer das Gewicht auf seine ur- sprüngliche Höhe gebracht werden, ohne dass anderweitige Ver- änderungen zurückbleiben. Das ist aber genau dieselbe Aufgabe, deren Unausführbarkeit im vorigen Paragraphen behauptet wurde. § 111. Ein dritter hiehergehöriger Satz betriflft die Wärme- leitung. Gesetzt, ein Körper nehme durch Leitung eine gewisse Wärmemenge von einem anderen, höher temperirten, auf, und es handle sich darum, diesen Prozess vollständig rückgängig zu machen, d. h. die Wärme zurückzuschaffen, ohne dass ander- weitige Veränderungen in der Natur übrig bleiben. In der Be- schreibung des CABNOT'schen umkehrbaren Kreisprozesses (§91) ist schon darauf hingewiesen worden, dass man es stets in der Hand hat, einem Wärmebehälter Wärme zu entziehen und die- selbe auf einen wärmeren Behälter zu übertragen, ohne dass irgendwelche andere Veränderungen zurückbleiben, als dass eine gewisse Arbeit verbraucht ist und die ihr äquivalente Wärme sich in einem der beiden Reservoire vorfindet. Die Aufgabe, den Prozess der Wärmeleitung vollständig rückgängig zu machen, wäre also gelöst, wenn man auch noch die letztgenannte Wärme wieder entfernen und dafür die entsprechende Arbeit gewinnen könnte, ohne anderweitige Veränderungen, was wiederum auf das in § 109 als unausführbar bezeichnete Problem hinauskommt Weitere Beispiele von Prozessen, an die sich ganz dieselben Betrachtungen knüpfen lassen, wären die Diffusion, das Gefrieren unterkühlter Flüssigkeit, die Condensation übersättigten Dampfes, Einleitung. 77 jeder explosive Vorgang, überhaupt jeder Uebergang eines Systems in einen stabüeren Zustand. § 112« Ein Prozess, der auf keine einzige Weise voll- ständig rückgängig gemacht werden kann, heisst ,,irreversibel<^ alle anderen Prozesse „reversibel". Damit ein Prozess irrever- sibel ist, genügt es also nicht, dass er sich nicht direkt um- kehren lässt — das ist auch bei vielen mechanischen Prozessen der Fall, die nicht irreversibel sind (vergl. § 113) — sondern es wird erfordert, dass es selbst mit Anwendung sämmüicher in der Natur vorhandenen Reagentien kein Mittel gibt, um, wenn der Prozess abgelaufen ist, allenthalben genau den Anfangs- zustand wiederherzustellen. Danach besagen die in den letzten Paragraphen besprochenen Sätze, dass die Wärmeerzeugung durch Eeibung, die Ausdehnung eines Gases ohne äussere Arbeit imd äussere Wärme, die Wärmeleitung u. s. w. irreversible Prozesse sind. § 113. Grehen wir nun auf die Frage der thatsächlichen Existenz reversibler und irreversibler Prozesse etwas ein. Re- versible Prozesse lassen sich, wenigstens in der Idee, unmittel- bar in grosser Anzahl angeben. So sind alle diejenigen Prozesse reversibel, welche in der § 71 auseinandergesetzten Ausdrucks- weise aus lauter Gleichgewichtszuständen bestehen und daher in allen ihren Theilen direkt umgekehrt werden können, femer alle vollkommen periodisch verlaufenden Prozesse (ideales Pendel, Planetenbewegung); denn nach Ablauf einer Periode ist der An- fangszustand vollständig wiederhergestellt Auch alle mit absolut starren Körpern und mit absolut incompressiblen Flüssigkeiten vorgenommenen mechanischen Prozesse, soweit ßeibungshinder- nisse vermieden werden können, sind reversibel. Denn durch Einführung geeigneter, aus absolut festen Führungen, reibungs- losen Gelenken und Röhren, undehnbaren Seilen u. s. w. zu- sammengesetzten Maschinen kann man stets bewirken dass die veränderten Systeme wieder vollständig in den Anfangszustand zurückgeführt werden, ohne dass an diesen Maschinen, die ja selber niemals Arbeit leisten, irgendeine Veränderung zurückbleibt. Wenn z. B. eine in zwei communicirenden Röhren auf ver- schiedenen Niveauhöhen befindliche ursprünglich ruhende schwere Flüssigkeit, wie in § 107 beschrieben, durch ihre Schwere in Bewegung geräth, so wird sie vermöge der gewonnenen leben- 78 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, digen Kraft die Gleichgewichtslage überschreiten, nach der ent- gegengesetzten Seite pendeln und schliesslich, da keine Eeibung vorausgesetzt ist, genau in ihren Anfangszustand zurückkehren. Dann ist der Prozess vollständig rückgängig geworden und ge- hört daher zu den reversibeln Prozessen. Sobald aber die Eei- bung ins Spiel kommt, ist die Eeversibilität mindestens fraglich. Ob es überhaupt irreversible Prozesse gibt, kann man von vorne- herein nicht wissen und auch nicht beweisen; denn rein logisch genommen ist es sehr wohl denkbar, dass eines Tages ein Mittel aufgefunden würde, durch dessen Anwendung es gelänge, einen bisher als irreversibel angenommenen Prozess, z. B. einen Vor- gang, in welchem Eeibung oder Wärmeleitung vorkommt, voll- ständig rückgängig zu machen. Wohl aber lässt sich be- weisen — und dieser Beweis wird im nächsten Capitel geführt werden — dass, wenn auch nur in einem einzigen Falle einer der in den §§ 109 ff. als irreversibel bezeichneten Prozesse in Wirklichkeit reversibel wäre, es nothwendig auch alle übrigen in allen Fällen sein müssten. Folglich sind entweder sämmt- liche oben angeführte Prozesse wirklich irreversibel, oder es ist kein einziger von ihnen. Ifiin Drittes ist ausgeschlossen. Im letzteren Falle stürzt der ganze Bau des zweiten Hauptsatzes zusammen, keine der zahlreichen aus ihm hergeleiteten Be- ziehungen, so viele einzelne auch durch die Erfahrung bestätigt sind, kann mehr als allgemein bewiesen gelten und die Arbeit der Theorie muss von vorne beginnen. (Die sogenannten Be- weise der „Energetik" gewähren keinen Ersatz ; denn sie stellen sich bei näherer Prüfung sämmtlich nur als mehr oder minder mangelhafte Umschreibungen des zu Beweisenden heraus, was darzulegen hier nicht der Ort ist). Aber gerade in diesem Punkte liegt auch die dem zweiten Hauptsatz innewohnende Kraft Denn ebenso wie jede einzelne Lücke ihn völlig un- haltbar macht, so kommt auch jede einzelne Bestätigung dem Ganzen zu Gute und verleiht den Schlüssen auch auf schein- bar entfernten Gebieten die volle Bedeutung, die der Satz selber besitzt. § 114. Da die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter ins Auge gefasster Prozess irreversibel oder reversibel ist, nur davon abhängt, ob er sich auf irgend eine Weise vollständig rückgängig machen lässt oder nicht, so kommt es dabei lediglich Einleitung. 79 auf die Beschaffenheit des Anfangszustandes und die des End- zustandes des Prozesses an, nicht aber auf seinen sonstigen Verlauf. Denn es handelt sich nur um die Frage, ob man, aus- gehend vom Endzustand, auf irgend eine Weise den Anfangs - zustand ohne andei'weitige Aenderung wieder erreichen kann oder nicht Daher liefert der zweite Hauptsatz für jeden be- liebigen in der Natur stattfindenden Prozess eine Beziehung zwischen denjenigen Grössen, welche sich auf den Anfangszustand beziehen, und denjenigen, welche sich auf den Endzustand be- ziehen. Bei irreversibeln Prozessen ist offenbar der Endzustand durch eine gewisse Eigenschaft vor dem Anfangszustand ausge- zeichnet, während bei reversibeln Prozessen diese beiden Zu- stände in gewisser Hinsicht gleichwerthig sind. Der zweite Hauptsatz lehrt diese charakteristische Eigenschaft der beiden Zustände kennen, er lehrt also auch, falls die beiden Zustände gegeben sind, von vorneherein bestimmen, ob in der Natur ein Uebergang vom ersten zum zweiten oder vom zweiten zum ersten Zustand möglich ist, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurückbleiben. Dazu müssen aber die beiden Zustände voll- kommen genau charakterisirt werden, insbesondere müssen ausser der chemischen Beschaffenheit des in Frage kommen- den Systems auch die physikalischen Bedingungen: Aggregat- zustand, Temperatur, Druck in beiden Zuständen bekannt sein, ebenso wie das bei der Anwendung des ersten Hauptsatzes er- fordert wird. Die vom zweiten Hauptsatz gelieferte Beziehung wird offen- bar um so einfacher lauten, je weniger sich der Endzustand vom Anfangszustand unterscheidet Daher rührt die grosse Fruchtbarkeit des zweiten Hauptsatzes für Kreisprozesse, die, so verwickelt sie in ihrem Verlauf sonst sein mögen, doch einen von dem Anfangszustand nur wenig verschiedenen Endzustand liefern (vgl. § 91). § 115. Da es thatsächlich keinen Prozess in der Natur gibt, der nicht mit Reibung oder Wärmeleitung verbunden wäre, so sind, wenn der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie richtig ist, sämmtliche Naturprozesse in Wirklichkeit irreversibel, und die reversibeln Prozesse bilden nur einen idealen Grenzfall, der aber für die theoretische Beweisführung und für die Anwendung auf Gleichgewichtszustände von erheblicher Wichtigkeit ist. 80 Der zweite HauptacUz der Wärmetheorie, II. Capitel. Beweis. § 116« Da der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, ebenso wie der erste, ein Erfahrungssatz ist, so kann man von seinem Beweise nur insofern reden, als sein gesammter Inhalt sich aus einem einzigen einfachen Erfiahrungssatz von einleuchtender Gewissheit deduciren lässt. Daher stellen wir folgenden Satz alß durch die Erfahrung unmittelbar gegeben an die Spitze: „Es ist unmöglich, eine periodisch funktionirende Maschine zu con- struiren, die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und Abkühlung eines Wärmereservoirs." Eine solche Maschine könnte zu gleicher Zeit als Motor und als Kältemaschine benutzt werden, ohne jeden anderweitigen dauernden Aufwand an Energie imd Materialien, sie wäre also jedenfalls die vortheilhafteste von der Welt Zwar käme sie dem perpetuum mobile nicht gleich ; denn sie erzeugt Arbeit keineswegs aus Nichts, sondern aus der Wärme, die sie dem Reservoir entzieht. Deshalb steht sie auch nicht, wie das perpetuum mobile, im Widerspruch mit dem Energieprincip. Aber sie besässe doch den für die Menschheit wesentlichsten Vorzug des perpetuum mobile : Arbeit kostenlos zu liefern. Denn die etwa in dem Erdboden, in der Atmosphäre, im Fahrwasser enthaltene Wärme bietet sich ebenso, wie der Sauerstoff der Luft, immer in unerschöpflicher Menge einem Jeden zur unmittel- baren Benutzung dar. Dieser Umstand ist der Grund, weshalb wir mit dem genannten Satz beginnen. Denn da wir aus ihm den zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie deduciren werden, so sichern wir uns damit zugleich die Aussicht, bei jeder etwa entdeckten Abweichung einer Naturerscheinung von dem zweiten Hauptsatz sogleich eine praktisch höchst bedeutungsvolle Nutzanwendung aus ihr ziehen zu können. Sobald nämlich irgend ein Phänomen aufgefunden werden sollte, was einer einzelnen aus dem zweiten Hauptsatz gezogenen Folgerung widerspricht, so müsste der Widerspruch in einer Unrichtigkeit der gemachten allerersten Voraussetzung liegen, und man könnte, an der Hand der Beweis- führung zurückgehend, das Phänomen zur Combination der ge- nannten Maschine benutzen. Wir wollen dieselbe im Folgenden zur Abkürzung nach einem Vorschlag von Ostwald ein perpetuum mobile zweiter Art nennen, da sie zu dem zweiten Hauptsatz in derselben Beziehung steht, wie das perpetuum mobile erster Beweis. 81 Art zum ersten Hauptsatz. Bei allen Einwänden gegen den zweiten Hauptsatz ist also daran festzuhalten, dass sie sich in letzter Linie, falls in der Beweisführung kein Fehler gefunden wird, immer gegen die Unmöglichkeit des perpetuum mobile zweiter Art richten (vgl. § 136). § 117. Aus der Unmöglichkeit des perpetuum mobile zweiter Art folgt zunächst, dass die Erzeugung von Wärme durch Reibung „irreversibel'- ist (vgl. die Definition § 112). Gesetzt nämlich, die Wärmeerzeugung durch Reibung sei nicht irreversibel, d. h. man hätte eine Methode, um irgend einen Vorgang, der in Erzeugung von Wärme durch Reibung besteht, auf irgend eine Weise vollständig rückgängig zu machen, so wäre diese Methode eben nichts Anderes als ein perpetuum mobile zweiter Art. Denn das, was die Methode leisten würde, wäre identisch mit dem, was das perpetuum mobile zweiter Art leistet: eine Veränderung, die in nichts Anderem besteht als in Erzeugung von Arbeit und Absorption der äquivalenten Wärme. § 118. Daraus folgt weiter, dass auch die Ausdehnung eines Gases ohne äussere Arbeitsleistung und ohne Wärmezufuhr irreversibel ist. Gesetzt nämhch, man hätte eine Methode, diesen Prozess vollständig rückgängig zu machen, d. h. ein Gas durch irgend ein Verfahren auf ein kleineres Volumen zu bringen, ohne dass irgendwelche anderweitige Veränderungen zurückbleiben, so könnte man diese Methode sogleich zur An- fertigung eines perpetuum mobile zweiter Art folgendermassen verwerthen. Man lässt das Gas sich unter Arbeitsleistung aus- dehnen, ersetzt dem Gase die dabei verausgabte Energie durch Zuleitung von Wärme aus irgend einem Reservoir von gleicher oder höherer Temperatur, und verkleinert dann nach der an- genommenen Methode das Volumen des Gases wieder auf den Anfangswerth, ohne dass anderweitige Veränderungen übrig bleiben. Dieser Prozess, beliebig oft wiederholt, stellt eine periodisch funktionirende Maschine vor, durch die weiter nichts bewirkt wird, als dass Arbeit geleistet und ausserdem dem Re- servoir Wärme entzogen wird — also ein perpetuum mobile zweiter Art. Auf Grund des so bewiesenen Satzes, dass die Ausdehnung eines Gases ohne äussere Arbeitsleistung und Wärmezufuhr irreversibel ist, wollen wir nun zunächst den Beweis des zweiten Planck, Thermodynamik. 6 82 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, Hauptsatzes durchführen für diejenige Klasse von Körpern, deren thermodynamische Eigenschaften nach allen Richtungen bekannt sind: für ideale Gase. § 119« Wenn man ein ideales Gas unendlich langsam comprimirt oder dilatirt und ihm dabei gleichzeitig Wärme von Aussen zuführt oder entzieht, so ist nach der Gleichung (22) in jedem unendlich kleinen Theil des Prozesses ftlr die Massen- Einheit: q = du + pdv oder, da für ein ideales Gas nach (32) und nach (14): du = e^d ß- R d m V q =z cd& -\ dv. Wenn nun die Zustandsänderung adiabatisch erfolgt, so ist y = 0, und durch Integration der Gleichung ergibt sich, wie in § 88, dass die Funktion c^logi9- + — logv constant bleibt. Nennen wir also den Ausdruck: (51) s = % log & -\ log V + const. nach Clausius die Entropie der Masseneinheit des Gases, definirt bis auf eine additive Constante, die durch Festsetzung eines Nullzustandes nach Willkühr fixirt werden kann, und dem- entsprechend: (52) S= M'S = MLlog x9- + ^logv + const] die Entropie der Masse M des Gases, so bleibt die Entropie des Gases bei der beschriebenen speziellen adiabatischen Zu- standsänderung constant. § 130. Bei Wärmezufuhr ändert sich die Entropie des Gases, und zwar in dem hier betrachteten Falle um: /RQ\ jo njrl ^^ I ^ dv\ M-q Q (53) ds = M\c^-^ + --) = -^ = -^ sie nimmt also zu oder ab, je nachdem Wärme zugeführt oder abgeleitet wird. Beweis, 83 Es ist jedoch hier hesonders zu hetonen, namentlich auch mit Eücksicht auf eine neuerdings geltend gemachte Ansicht, nach welcher die Zerlegung der zugeflihrten Wärme Q in die beiden Paktoren 3- und dS eine allgemeine Eigenschaft der Wärme sein soll, dass die letzte Gleichung keineswegs allgemein gilt, sondern nur dann, wenn die bei der Zustandsänderung vom Gase geleistete äussere Arbeit den Wert pdV hat. Denn die Beziehung: jo url d& , B dv\ dü + pdV gilt ganz allgemein für jeden beliebigen Vorgang, der das Gas auf die Temperatur & + dd- und das Volumen V + dV bringt, da sie nur eine andere mathematische Form für die in (52) gegebene Definition der Entropie ist Dagegen gilt die Gleichung Q = dU + pdV keineswegs immer, sondern ist im Allgemeinen durch die andere; Q + Ä = dü zu ersetzen, wo Ä, die aufgewendete äussere Arbeit, innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Werth haben kann. So ist z. B. -4 = 0, wenn das Gas, wie in dem § 68 beschriebenen Prozess, ohne Leistung äusserer Arbeit in einen neuen Gleich- gewichtszustand übergeführt wird. Dann ist Q = d U, und die Gleichung Q = & - dS wird ungültig. § 131. Nun betrachten wir zwei Gase, die sich gegen- seitig durch Leitung Wärme mittheilen können, aber im All- gemeinen unter verschiedenem Drucke stehen mögen. Nimmt man mit einem dieser Gase oder mit beiden irgend eine um- kehrbare Volumenveränderung vor, und sorgt gleichzeitig dafür, dass die Temperaturen der Gase sich in jedem Augenblick durch Wärmeleitung ausgleichen und dass mit der äusseren Umgebung keinerlei Wärmeaustausch stattfindet, so ist nach Gleichung (53) für das erste Gas in jedem Zeitelement des Prozesses: Ol dS^ = Ebenso für das zweite Gas: dS. = ^1 2 "" ^,' 6' 84 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, aber nach der Voraussetzung ist: ß-^ = 19-2 und Oj^ + O2 = 0. Folglich: dS^+dS^ = oder für eine endliche Zustandsänderung: (54) 6'i + &j = const. Die Summe der Entropieen beider Gase bleibt also bei der beschriebenen Zustandsänderung constant § 122. Ein jeder derartiger mit den beiden Gasen aus- geführter Prozess ist offenbar in allen Theilen reversibel, da er direkt in umgekehrter Richtung ausgeführt werden kann, ohne in anderen Körpern irgendwelche Veränderungen zu hinterlassen. Daraus folgt der Satz, dass es immer möglich ist, die beiden Gase aus einem ganz beliebig gegebenen Zustand durch einen reversibeln Prozess in irgend einen anderen von vorneherein gegebenen Zustand zu bringen, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurückbleiben, wenn nur die Summe der Entropieen beider Guse in den beiden Zuständen die gleiche ist. Zum Beweis dieses Satzes dient folgendes: Es sei der Anfangs- zustand gegeben durch die Werthe der Temperaturen ß-^ und ß-^^ und der spezifischen Volumina v^ und v^ der beiden Gase, der zweite Zustand durch die bez. Werthe &^ ß^ und v^ v^. Voraus- setzung ist, dass (55) S^ + S^^ S^ + S^\ Man bringe nun zunächst das erste Gas durch umkehrbare adiabatische Compression oder Dilatation auf die Temperatur ß^, stelle alsdann mit dem zweiten Gas eine wärmeleitende Ver- bindung her und comprimire oder dilatire das erste Gas unend- lich langsam weiter. Dabei wird jetzt Wärme aus dem ersten in das zweite Gas durch Leitung übergehen oder umgekehrt, es ändert sich daher die Entropie des ersten Gases, und man kann es dahin bringen, dass diese Entropie den Werth S^' annimmt Nun ist bei dem beschriebenen Vorgang nach (54) die Summe der En- tropieen beider Gase constant = S^^ + S^ geblieben, folglich ist dann die Entropie des zweiten Gases gleich (S, + S,) - 5/ geworden, d. h. nach der Voraussetzung (55) gleich S,'. Jetzt trennen wir die beiden Gase wieder und behandeln Beweis, 85 jedes einzelne adiabatisch -umkehrbar, bis es die Temperatur i?-/ bez. iS-g' angenommen hat. Dann muss das spezifische Vo- lumen v^' bez. Vg' sein, und der verlangte Zustand ist erreicht. Der beschriebene Prozess ist in allen Theilen reversibel, auch sind in anderen Körpern keine Veränderungen zurück- geblieben, insbesondere ist in der Umgebung kein Wärmeverlust oder -Gewinn entstanden, die Bedingungen der gestellten Auf- gabe sind also alle erfüllt, und der ausgesprochene Satz bewiesen. § 13S« Ein gleicher Satz lässt sich leicht beweisen für beliebig viele Gase. Es ist immer möglich, ein System von n Gasen aus einem beliebig gegebenen Zustand durch einen reversibeln Prozess in einen anderen beliebig gegebenen Zustand zu bringen, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurück- bleiben, wenn nur die Summe der Entropieen aller Gase in beiden Zuständen die gleiche ist, d. h. wenn S^ + S^ + .,. + Sn= S^' + S^ + --* + Sn (56) Denn durch successive Combination je zweier Gase des Systems kann man mittelst der im vorigen Paragraph beschriebenen Prozesse zunächst die Entropie des ersten Gases, dann die des zweiten, dann die des dritten, u. s. w. auf den verlangten Werth bringen, bis auf die des (w— l)ten Gases einschliesslich. Nun ist bei jeder der einzelnen nacheinander vorgenommenen Zu- standsänderungen die Summe der Entropieen sämmtlicher Gase constant geblieben. Haben also die Entropieen der n— 1 ersten Gase ihre verlangten Werthe: aS/, S^, ... ^n-i» so nimmt die Entropie des nten Gases nothwendig den Werth: d. h. nach (56) den verlangten Werth Sn an. Alsdann kann man jedes Gas einzeln durch umkehrbare adiabatische Behand- lung in den gewünschten Zustand bringen, und die Aufgabe ist vollständig gelöst. Nennen wir die Summe der Entropieen aller Gase die Entropie des ganzen Systems, so können wir sagen: Wenn das Gas-System in zwei verschiedenen Zuständen den gleichen Werth der Entropie besitzt, so lässt sich das System aus dem einen Zustand in den anderen Zustand durch einen reversibeln Prozess überführen, ohne dass in anderen Körpern Veränderungen zu- rückbleiben. 86 Der xweite Hauptsatz der Wärmetheorie, § 124. Nun führen wir den im § 118 bewiesenen Satz ein, dass die Ausdehnung eines idealen Gases ohne äussere Arbeitsleistung und Wärmezufuhr, oder, was dasselbe ist, dass der üebergang eines idealen Gases in einen Zustand grösseren Volumens und gleicher Temperatur, ohne äussere Wirkungen, wie in § 68 beschrieben, irreversibel ist. Einem solchen üeber- gang entspricht nach der Definition (52) eine Vergrösserung der Entropie des Gases. Daraus folgt sogleich, dass es überhaupt unmöglich ist, die Entropie eines Gases zu verkleinem, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurückbleiben. Denn gäbe es hierfür irgend ein Verfahren, so könnte man die irre- versible Ausdehnung eines idealen Gases dadurch vollständig rückgängig machen, dass man, nachdem das Gas sich ohne äussere Wirkungen ausgedehnt und seinen neuen Gleichgewichts- zustand angenommen hat, zunächst mittelst des angenommenen Verfahrens die Entropie des Gases auf ihren ursprünglichen Werth verkleinert, ohne dass in anderen Körpern eine Verän- derung zurückbleibt, und dann durch einen umkehrbaren adia- batischen Prozess die ursprüngliche Temperatur und damit auch das ursprüngliche Volumen wiederherstellt. Dann wäre also die erste Ausdehnung vollständig rückgängig gemacht und somit nach § 118 das perpetuum mobile zweiter Art fertig. § 135. Ebenso verhalten sich in Folge dessen auch zwei und beliebig viele ideale Gase. Es gibt in der ganzen Natur kein Mittel, um die Entropie eines Systems idealer Gase zu verkleinem, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurück- bleiben. Denn jede Vorrichtung, welche dies leisten würde — sie sei mechanischer, thermischer, chemischer, elektrischer Art — könnte wiederum dazu benutzt werden, um die Entropie eines einzelnen Gases zu verkleinem, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurückbleiben. Gesetzt nämUch, die Entropie des Systems, oder die Summe der Entropieen aller Gase, sei aus dem Zustand, in welchem die Werthe der Entropieen S^, S^, » . - Sn sind, auf irgend eine Weise in einen anderen Zustand mit den Entropieen S^', S^\ . . S^ über- geführt worden, wobei (57) S^' + S^'+ . . . +Sn &^^ die Arbeit Ä zu gewinnen, muss man die Wärmemenge: vom wärmeren Reservoir zum kälteren übergehen lassen. Oder umgekehrt ausgedrückt: man kann den Uebergang der Wärme Oj' von &2 auf x)-^ mittelst eines reversibeln Kreisprozesses dazu benutzen, um die Arbeit (66) Ä = ^^Q,' zu gewinnen. § 188. Ist der Kreisprozess nicht reversibel, kommen also in seinem Verlauf irgendwelche irreversible physikalische oder chemische Aenderungen des Systems vor, so bleibt die Energie- Allgemeine Folgerungen, 99 gleichaiig (63) bestehen, dagegen tritt fiir die Entropieänderung der Wärmebehälter statt (65) die Ungleichung ein: Hiebei ist wohl zn bemerken, dass die Ausdrücke (64) fär die Entropieänderung der Wärmebehälter auch hier bestehen bleiben, wenn wir nur voraussetzen, dass etwaige Volumenände- rungen der als Wärmebehälter dienenden Körper in umkehrbarer Weise stattfinden. Also: _|l + |l-n oder: 0^0, folglich: ^^0, d. h. es ist Arbeit verbraucht und Wärme im Reservoir erzeugt worden. Ist im Grenzfall der Prozess reversibel, so verschwindet das Ungleichheitszeichen, und es ist sowohl die Wärme Q als auch die Arbeit Ä gleich Null. Auf diesem Satze beruht die grosse Fruchtbarkeit des zweiten Hauptsatzes in seiner Anwendung auf isotherme reversible Kreisprozesse. § 140. Wir wollen uns jetzt nicht mehr mit Kreisprozessen, sondern mit der allgemeinen Frage nach der Richtung irgend einer in der Nator eintretenden Verändearnng «iues beüebig ge- gebenen System« beschä^gen. Bescoiders bei den chemischen Vorgängen ^ielt ja diese Frage eine wichtige RolJe. Der zweite Hauptsatz, in Yerbindniig mit dem erstell, ertbeilt hierauf eine aUgemetoe Antwort, da er eine mothwendige Bedingung f^ jede in der Natur stattfindende Aenderung enthält. Wir denken tins irgend ein homogenes oder heifeerogenes System von Körpern, von gemeinsamer Temperatür ^9-, und fragen nach den Be- Allgemeine Folgenmgen. 101 dingungen des Eintritts irgend einer physikalischen oder chesii- sehen Vwänderung. Nach dem ersten Hauptsatz ist flir eine unendlich kleine Zustandsänderung : dU=Q + Ä, (68) wenn U die Gesammtenergie des Systems, Q die während des betrachteten Vorgangs von Aussen in das System eintretende Wärmemenge, und Ä die von Aussen gegen das System ge- leistete Arbeit bezeichnet. Nach dem zweiten Hauptsatz ist die Aenderung der Summe der Entropieen aller an dem Vorgang irgendwie betheiligten Körper: dS + dS^^O, wenn S die Entropie des Systems, Sq die Entropie des um- gebenden Mediums (Atmosphärische Luft, calorimetrische Flüssig- keit, Gefässwand) bezeichnet, welches in Folge von Wärmeabgabe auch an dem Vorgang betheiligt sein kann. Das Gleichheitszeichen gilt für reversible Vorgänge, die allerdings nur als idealer Grenzfall der in Wirklichkeit mög- lichen Vorgänge zu betrachten siad (§ 11&), Setzen wir voraus, dass etwaige Volumenänderungen des umgebenden Mediums in umkehrbarer Weise erfolgen, so ist nach (62): und nach (68): dbQ= — , folglich durch Substitution des Werthes von dS^: dS^ ^^^"^ gO. (69) Anders geschrieben: dU-&dS^A, (70) In dieser Relation gipfeln alle bisher von verschiedenen Autoren auf verschiedenen Wegen aus dem zweiten Hauptsatz für den Eintritt thermodynamisch-chemischer Veränderungen hergeleiteten Schlüsse. Da der Differentialausdruck links im Allgemeinen nicht das vollständige Differential einer bestimmten Grösse 102 , Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, bildet, so lässt sich die Relation nicht allgemein integriren, d. h. der zweite Hauptsatz gestattet keinen allgemeinen Ausspruch über eine endliche Zustandsänderung des Systems allein, falls man von den äusseren Bedingungen, denen das System unter- worfen ist, nichts Näheres weiss; wie das ja auch von vornherein einleuchtend ist und ebenso auch für den ersten Hauptsatz gilt. Um zu einem Gesetz für eine endliche Zustandsänderung des Systems allein zu gelangen, muss man solche äussere Bedingungen kennen, welche die Integration des Differential -Ausdrucks ge- statten. Unter diesen sind im Folgenden die merkwürdigsten Fälle hervorgehoben. § 141. Erster Fall. Adiabatischer Vorgang. Bei Aus- schluss des Wärmeaustausches mit der Umgebung ist = 0, also nach (68): dü=^A und in Folge dessen nach (70): dS^O, d. h. die Entropie des Systems nimmt zu oder bleibt constant. Diesen Fall haben wir schon genügend erörtert. § 142. Zweiter Fall. Isothermischer Vorgang. Bei con- stant gehaltener Temperatur i^- geht (70) über in: d{U'-&S)^Ä, d. h. die Zunahme der Grösse {U—&S) ist kleiner, im Grenz- fall ebensogross wie die von Aussen her gegen das System ge- leistete Arbeit. Da die isothermischen Vorgänge in der Natur eine besonders hervorragende Rolle spielen, so ist dieser Satz für die Anwendung auf chemische Prozesse besonders geeignet. Setzen wir: (71) U-d-S^F, so ist für eine reversible isothermische Zustandsänderung: dF==A > integrirt: (72) F,-F,=^A, d. h. bei einem endlichen reversibeln isothermischen Vorgang ist die ganze von Aussen auf das System ausgeübte Arbeit gleich der Zunahme von F, oder die ganze von dem System Allgemeine Folgerungen. 103 nach Aussen hin geleistete Arbeit ist gleich der Abnahme von F, hängt also nur von dem Anfangs- und Endzustand des Vor- gangs ab. Ist i^j = i^2> ^® ^' ^' ^®^ einem Kreisprozess, so ist die äussere Arbeit gleich Null. Da somit die Funktion F zu der äusseren Arbeit in ganz derselben Beziehung steht, wie die Energie U nach der Gleichung (17) zu der Summe von äusserer Arbeit und äusserer Wärme, so heisst F nach H. v. Helmholtz die „freie Energie" des Systems (vollständiger würde sie heissen: „freie Energie für isothermische Vorgänge"), und dementsprechend U die „Gesammt- energie", und der Rest: U-F=&S die „gebundene" Energie des Systems. Letztere liefert dem- nach für einen reversibeln isothermischen Vorgang durch ihre Aenderung die äussere Wärmeaufnahme. Diese Zerlegung der Energie U in freie und gebundene Energie hat aber nur Be- deutung für isothermische Veränderungen. Bei irreversibeln Vorgängen ist dagegen: dF< A integrirt: i^2 - ^i < 2 ^> C^^) d. h. die freie Energie nimmt weniger zu als der verbrauchten Arbeit entspricht. In Verbindung mit dem obigen Resultat für reversible Prozesse kann man dies auch so formuliren: Bei irreversibeln isothermen Prozessen ist die verbrauchte Arbeit immer grösser, also die gewonnene Arbeit immer kleiner als diejenige Arbeit, welche man bei der nämlichen Zustands- änderung des Systems verbrauchen bez. gewinnen würde, wenn sie auf reversibelm Wege vor sich ginge. Denn die letztere wird eben nach (72) durch die Differenz der freien Energie am An- fang und am Ende des Prozesses gegeben. Daher liefert ein, im üebrigen beliebiger, reversibler Ueber- gang des Systems von einem Zustand zu einem anderen immer das Maximum der Arbeit, welches überhaupt aus einem iso- thermen üebergang des Systems von dem einen Zustand zum anderen gewonnen werden kann, während bei jedem irreversibeln Üebergang ein gewisser Arbeitsbetrag, nämlich die Differenz des Maximums der zu gewinnenden Arbeit (Abnahme der freien Energie) und der wirklich gewonnenen Arbeit, verloren geht. 104 B&r zweite Hauptsatz der Wärmetheorie, Wenn hier davon gesprochen wird, dass der Uebergang eines Systems aus einem Zustand in einen anderen einmal auf irre- versibelm, einmal auf reyersibelm Wege vorgenommen wird, so liegt darin kein Widerspruch mit dem anderen Satze, dass zwischen zwei Zuständen eines Systems nur entweder ein re- versibler oder ein irreversibler Uebergang möglich ist, ohne dass in anderen Körpern Aenderungen zurückbleiben. In d«m hier betrachteten Falle können in der That Aenderungen in einem anderen Körper zurückbleiben, nämlich in dem das System um- gebenden Medium, welches nach § 1 40 im Allgemeinen positive oder negative Wärme an das System abgibt, und in unserem Falle ab- geben muss, um das System auf constanter Temperatur zu erhalten. § 148. Erfolgt ein isothermischer Prozess, wie die meisten chemischen Prozesse, mit verschwindend kleiner Arbeitsleistung: 2^ = so ist nach (73): d. h. die freie Energie nimmt ab. Die Grösse dieser Abnahme kann man als ein quantitatives Maass benutzen für die Arbeit der Kräfte (chemische Verwandtschaft, Affinität, Avidität), welche den Prozess veranlassen; dieselbe geht dabei als äussere Arbeit verloren. Es werde z. B. eine wässrige Lösung eines nichtflüchtigen Salzes durch Zusatz von Wasser auf isothermischem Wege ver- dünnt, indem die Verdünnungswärme von einem passenden Wärmereservoir aufgenommen oder geliefert wird, je nachdem die Energie U^ der verdünnten Lösung (Endzustand) kleiner oder grösser ist als die Summe U^ der Energie der unverdünnten Lösung und der Energie der zugesetzten Wassermenge (Anfangszustand). Die freie Energie F^ der verdünnten Lösung dagegen ist nach der letzten Ungleichung nothwendig kleiner als die Summe F^ der freien Energie der unverdünnten Lösung und der freien Energie des zugesetzten Wassers. Der Betrag der Abnahme der freien Energie, oder die von der „Anziehungskraft der Lösung auf das Wasser" beim Verdünnen geleistete Arbeit, kann gemesssen werden, indem man den Verdünnungsprozess auf irgend einem reversibeln isothermischen Wege vollzieht, wobei dann nach Gleichung (72) dieser Arbeitsbetrag wirklich als äussere Arbeit gewonnen wird. Ein solcher reversibler Uebergang ist z.B. folgender: Man lasse das AÜgememe Folgerungen. 105 zuzusetzende Wasser zunächst bei constanter Temperatur unter dem Druck seines gesättigten Dampfes unendlich langsam yer- dampfen. Wenn Alles in Dampf verwandelt ist^ lasse man den Dampf sich isotherm und umkehrbar weiter ausdehnen, sa lange bis die Dichte des Dampfes derjenigen gleich ist^ welche ge- sättigter Wasserdampf bei der betr. Temperatur in Berührung mit der Lösung besitzt Nun bringe man den Dampf mit der Lösung in dauernde Berührung; das Gleichgewicht wird dadurch nicht gestört» Schliesslich condensire man durch unendlich langsame isothermische Gompression den unmittelbar über der Lösung be- findlichen Wasserdampf vollständig; er vertheilt sich dann gleichmässig durch die ganze Lösung. Dieser isothermische Prozess beteht aus lauter Gleichgewichtszuständen, er ist also reversibel, und die durch ihn gewonnene äussere Arbeit repra- sentirt daher zugleich die bei direkter Mischung eingetretene Abnahme der freien Energie: F^ — Fy Nehmen wir als weiteres Beispiel ein Knallgasgemenge, das durch einen elektrischen Funken zur Explosion gebracht wird. Der Funken spielt hier nur eine sekundäre Rolle, als auslösende Wirkung, da seine Energie gegen die übrigen zum Umsatz ge- langenden Energiemengen nicht in Betracht kommt. Die Arbeit der chemischen Verwandtschaftskräfte, welche sich in diesem Prozess bethätigt, wird gemessen durch diejenige Arbeit, die man durch die chemische Vereinigung von Wasserstoff und Sauer- stoff gewinnen könnte, wenn dieselbe auf irgend einem rever- sibeln Wege vorgenommen würde. Durch Division dieser Arbeit durch die Zahl der oxydirten Wasserstoffmoleküle erhält man ein Maass für die Grösse der Kraft, mit welcher ein Wasser- stoffmolekül sich zu oxydiren strebt. Doch hat diese Definition der chemischen E^raft zunächst nur insofern Bedeutung, als sie eben mit jener Arbeit zusammenhängt. § 144. Li dem Ausdruck (71) der freien Energie überwiegen bei chemischen Vorgängen die Aenderungen des ersten Gliedes; U oft bei Weitem die des zweiten Gliedes: & S. Deshalb kann man häufig statt der Abnahme von F auch die Abnahme von U, d. h. die Wärmetönung, als ein Maass der chemischen Arbeit ansehen, und den Satz aussprechen, dass die ohne äussere Arbeit ein- tretenden chemischen Umwandlungen im Sinne grösster Wärme- entwickelung erfolgen (Princip von Berthelot). Indessen bei 106 Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie. hoben Temperaturen, wo &, und bei Gasen und verdünnten Lösungen^ wo S gross wird, kann man die Vemacblässigung des Gliedes & S nicht ohne merklichen Fehler begehen. Daher er- folgen bei höherer Temperatur und in Gasen und verdünnten Lösungen chemische Aenderungen häufig auch in der Eichtung steigender Gesammtenergie, d. h. unter Wärmeabsorption. § 145. Bei allen diesen Sätzen ist streng daran festzuhalten, dass sie sich nur auf isotherme Zustandsänderungen beziehen. Um die Frage zu beantworten, wie sich die freie Energie bei anderen Zustandsänderungen verhält, hat man nur aus (71) das vollständige Dififerential zu bilden: dF=dU-&dS- Sdü und dies in die allgemein giltige Beziehung (70) einzusetzen. Man erhält dann für einen beliebigen physikalischen oder che- mischen Vorgang: dF^A- Sd&, d. h. wenn die Temperatur sich ändert, besteht eine wesentlich verwickeitere Beziehung zwischen der geleisteten Arbeit Ä und der Aenderung der freien Energie F, — eine Beziehung, die sich im Allgemeinen wohl kaum finchtbar verwerthen lässt. § 146. Berechnen wir den Werth der freien Energie für ein ide$,les Gas. Da hiefür nach Gleichung (35) U = Mu = M [c^ü- + const.) und nach Gleichung (52) S = M {c^log& -{ — log V + const) , SO ist nach (71) (74) F=m\c^& (const. - log &)-^logv + const.} also behaftet mit einer additiven linearen Funktion von ??•, die ganz nach Willkühr fixirt werden kann. Bei einer isothermen Zustandsänderung des Gases ist nach § 142: dF^A oder nach (74) .j^ M&Rdv .rr^ A dF= = ^pdV^^ A. Aügenieine Folgerimgen, 107 Ist die Zustaudsänderang reversibel, so ist die von Aussen auf- gewendete Arbeit Ä= — pdV, Ist aber die Aenderung ir- reversibel, so gilt das üngleichheitszeichen, d.h. die Compressions- arbeit ist grösser, oder die Ausdehnungsarbeit geringer als die- jenige Arbeit, welche man bei reversibler Volumenänderung aufwenden bez. gewinnen würde. § 147. Dritter Fall. Isothermisch-isopiestischer Vorgang. Wenn ausser der Temperatur ß^ auch der äussere Druck p, unter dem das System stehen möge, andauernd constant gehalten vrird, so lässt sich der Betrag der von Aussen aufgewendeten Arbeit angeben: A= -pdV und der Ausdruck in (69) stellt ein vollständiges Differential vor : Man kann also dann auch für endliche Zuständsänderungen den Satz aussprechen, dass die Funktion: S^R±lZ^ (l> (75) nothwendig zunimmt, und nur im Grenzfall, für reversible Aen- derungen, constant bleibt. § 148. Gleichgewichtsbedingungen. Die allgemeinste aus der Thermodynamik für ein Körpersystem abzuleitende Gleich- gewichtsbedingung beruht auf dem Satz, dass in einem System dann keine Veränderung eintreten kann, wenn die zu einer Ver- änderung nothwendige Bedingung in keiner Weise erfüllbar ist. Nun ist nach (69) für jede in Wirklichkeit eintretende Ver- änderung eines Systems: vT Denn das Gleichheitszeichen würde nur idealen Aenderungen entsprechen, und ideale Aenderungen treten in der Natur nicht ein. Folglich muss Gleichgewicht bestehen, wenn für jede mit den gegebenen festen Bedingungen des Systems verträgliche Zustandsänderung : vT Hier bezieht sich das Zeichen J, im Gegensatz zum Zeichen d, 108 Der zweite Hattpisatz der Wärmetheorie. das der wirklichen Veränderung entspriobt,. auf irgend eine be- liebige virtuelle unendlich kleine Zustandsänderung des Systems. § 149. In den meisten von mns weiter zu behandelnden Fällen ist, wenn eine gewisse virtuelle unendlich kleine Zustands- änderung mit den festen Bedingungen des ^fstems verträglich ist, auch die gerade entgegengesetzte^ durch die entg^engesetzten Voraeichen aller Variationen dargestellte Zustandsänderung mit ihnen verträglich. Das gilt immer dann^ wenn die festen Be- dingungen durch Gleichungen, nicht durch Ungleichungen aus- gedrückt werden. In einem solchen Falle könnte man, falls für eine virtuelle Aenderung in obiger Bedingung das Zeichen < gelten würde, einfach die entgegengesetzte Variation nehmen, um eine Zustandsänderung zu erhalten, welche den Bedingungen der wirklichen Vorgänge genügt und daher in der Natur eintreten kann. Hier ist also das Gleichgewicht nur dann nach allen Richtungen hin gesichert, wenn für jede mit den festen Be- dingungen verträgliche Aenderung: (76) J^- ^^^^ =0. Diese Gleichung spricht eine für das Gleichgewicht hinreichende, aber, wie wir eben sahen, nicht gerade in allen Fällen noih- wendige Bedingung aus. Ja selbst wenn die festen Bedingungen eine Umkehrung der Vorzeichen aller Variationen gestatten, be- steht erfahrungsgemäss manchmal thermodynamisches Gleichge- wicht, ohne dass die letzte Gleichung erfüllt ist, d. h. es tritt unter Umständen in der Natur eine Veränderung nicht ein, ob- wohl sie sowohl den festen Bedingungen als auch den Forderungen des zweiten Hauptsatzes Genüge leisten würde. Man wird da- durch zu dem Schlüsse geführt, dass sich in einem solchen Falle dem Eintritt der Veränderung eine Art Widerstand entgegen- stellt, der wegen der Richtung, in welcher er wirkt, auch Träg- heitswiderstand oder passiver Widerstand genannt wird. Solch ein Gleichgewichtszustand ist immer in gewissem Sinne labil; denn oft genügt eine geringfügige und mit den im System vor» handenen Grössen quantitativ gamicht vergleichbare Störung, um die Veränderung, dann oft mit grosser Heftigkeit, eintreten zu lassen. Beispiele hiefür bieten eine unter ihre Gefriertemperatur abgekühlte Flüssigkeit, ein übersättigter Dampf, eine übersättigte Lösung, eine explosible Substanz u. s. w. Wir werden uns vor- AUummne Ikdgm^ngen, 109 wi^end smit dien Bedingungen des stabilen Gleichgewidilfi be- schäftigeiiy wie sie aus der Bedingung (76) folgen. Diese Gleidumg läset sich unter gewissen umständen als Maximum- oder Minimum-Bedingung aussprechen, nämlich imm^ aber auch nur dann, wenn die äusseren Bedingungen, unter denen das System gehalten wird, derart sind, dass die linke Gleichungsseite als Variation einer einzigen Funktion dargestellt werden kann. Im Folgenden sind die wichtigsten derartigen Fälle hervorgehoben:; sie entsprechen ganz den oben für gewisse spezielle Veränderungen abgeleiteten Sätzen, aus deren Inhalt auch uBiaittelbar zu erkennen ist, ob es sich hier um ein Maximum oder um ein Minimum handelt § 160. Erster FaU (§ 141). Bei Ausschluss des Wärme- austausches mit der Umgebung ist nach dem ersten Huuptsatz: SU^A und daher aus (76) SS=^Q. (77) D. h. urfter allen Zuständen des Systems, die bei verhinderter äusserer Wärme^m^ihr auseinander hervorgehen könoen, ist der Gldk^hgewichtszustand durch ein Maximum der Entropie aus- gezeichneft Wönn es mehrere Zustände gibt, in welchen die Entrofne ihreoa Maximalwerth besitzt, so stellt jeder dersdiben einen Gieiohgcfwichtszustand dar. Wenn aber der Werth der Entropie in einem bestimmten Zustand grösser ist als in allen übrigen in Betracht kommenden, so bezeichnet dieser Zustand das absolut stabile Gleichgewicht. Denn von ihm aus ist über- haupt keine Veränderung mehr möglich. § 161. Zweiter Fall (§ 142). Bei constant gehaltener Tem- peratur geht (76) über in: oder nach (71): d. h. unter allen Zuständen, die das System bei constant ge- haltener Temperatur annehmen kann, ist ein Gleichgewichts- zustand dadurch ausgezeichnet, dass die freie Energie des Systems mcht abnehmen kann, ohne dass das System gleichzeitig eine äqravafente Arbeit nach aussen hin leistet. 110 Anwendungen a/uf spezielle OUi^ihgefwichtsTMstände. Wenn der Betrag der äusseren Arbeit zu vernachlässigen ist, wie bei constant gehaltenem Volumen, oder bei vielen che- mischen Vorgängen, so ist ^ = und die Bedingung des Gleich- gewichts lautet: d. h. unter allen Zuständen, die bei constant gehaltener Tem- peratur ohne Leistung äusserer Arbeit auseinander hervorgehen können, ist der stabilste Gleichgewichtszustand durch das abso- lute Minimum der freien Energie ausgezeichnet. § 16S. Dritter Fall (§ 147). Wird ausser der Temperatur ß- der Druck py dem das System unterworfen ist, gleichmässig und constant gehalten, so hat man , (78) Är=.^pSV und die Gleichgewichtsbedingung (76) wird: oder nach (75) (79) ^0 = 0, d. h. bei constanter Temperatur und constantem Druck nimmt das System im stabilsten Gleichgewicht denjenigen Zustand an, welchem das absolute Maximum der Funktion (i> entspricht. Wir werden nun nacheinander Gleichgewichtszustände ver- schiedener Systeme auf Grund der hier abgeleiteten Sätze be- trachten, und dabei nach der Reihe von einfacheren zu com- plicirteren Fällen aufsteigen. Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. I. Capitel. Homogenes System. § 168. Den Zustand des homogenen (§ 67) Systems nehmen wir, wie fiüher, als bestimmt an durch seine Masse M, seine Temperatur {f- und entweder durch den Druck p oder durch das spezifische Volumen v = -^. Wir wollen hier zunächst ausser M ß- und V als unabhängige Variable wählen. Dann ist der Homogenes System. 111 Druck p, sowie die spezifische Energie u= ^ und die spezi- fische Entropie s= ^ Funktion von & und v, und zwar gilt für die spezifische Entropie die Definition (61) i , du-\-pdv 1 (du\ j CL . \dvl^ , *** — f — »M.'^'^+ » '^^- Andrerseits ist Folglich, da d& und dv voneinander unabhängig sind: und __ (t^U+ p Diese beiden Gleichungen gestatten eine Prüfung des zweiten Hauptsatzes an der Erfahrung. Denn differentürt man die ßrste nach V, die zweite nach &, so ergibt sich d^dv ^ d^dv d^u (dp d&dv \d&}v \dvl^ + p oder: und hierdurch, sowie durch die Gleichung (24) werden die obigen Ausdrücke für die Diflferentialquotienten von s nach & und v: d s\ Cv d ■& jv -d" d s\ (dp (81) d V j-d' \d xf" )v § 164. Die Gleichung (80) in Verbindung mit der Gleichung (28) des ersten Hauptsatzes ergibt die Beziehung: die sich entweder zur Prüfung des zweiten Hauptsatzes oder zur Berechnung von c« aus Cp verwerthen lässt. 112 Anwendungen auf spezielle Oleickgewichlsxustände, Da man (^^j häufig nicht «übpekt aneaBeii kann, so empfiehlt es sich, die Relation (6) zu benutzen, aus welcher folgt : Da (-^) notliwendig negativ, so ist immer Cp >c„; nur im Grenzfall, z. B. wenn der Ausdehnungscoeffizient Null ist, wie für Wasser bei 4^, ist c^— c^ = 0. Berechnen wir als Beispiel di« spezifische Wärme bei con- stantem Volumen für Quecksilber von 0® C. unter Atmosphären- druck. Hierfür ist zu setzen; ß = 0, 0333 & = 273 dp\ 1014 000 dv)^ 0,000 002 95.«?' wobei die Zahl im Nenner den auf Atmosphären bezogenen Compressibilitätscoeffizienten (§ 15), die im Zähler den Betrag des Druckes einer Atmosphäre im absoluten Maass (§ 7) bedocrtet V = -— -, Volumen vqu 1 gr Quecksilber bei O^C. [-^] = 0,000 1812-i;(§ 15) (thermischer Ausdehnungscoeffizient.) Um e^ in Calorien zu erhalten, hat man noch mit dem mechanischen Wärmeäquivalent 419. 10*^ (§ ^1) zu dividiren und berechnet so aus (83): _ _ 273 . 1 014 000 . 0, 000 1812* ^P ^« "" 0,000 002 95 . 1B,6 . 419 . 10* ^^-ö. = 0,0054 und daraus mit Benutzung des obigen Werthes von e^i ö^ = 0,0279. § 165. Diese für alle Substanzen gültige Berechnung der Differenz der spezifischen Wärmen eröffaet einen Einblick in die GroBsenordnung der verschiedenen Einflüsse, welche &r diese Differenz vcm Bedeutung sind. Nach der Gleichung (28) des ersten Hauptsatzes ist die Differenz der beiden spezifischen Wärmen: Homogenes System. 113 durch zwei Ursachen bedingt: erstens durch die Veränderlich- keit der Energie u mit dem Volumen, zweitens durch die bei der Ausdehnung geleistete äussere Arbeit Die erste Ursache bedingt das Glied: ldu\ l d^\ die zweite das Glied: d V P d^.p Um zu untersuchen, welchem von beiden Gliedern dei* grössere Einfluss zukommt, bilden wir das Verhältniss des ersten zum zweiten: 1 (du' oder nach (80): oder nach (6): P \dv)^ I m. - ■ <«") dvjd' Ein Blick in die Tabellen der thermischen Ausdehnungs- coeffizienten und der Compressibilitätscoeffizienten fester und flüssiger Körper lehrt, dass unter gewöhnlichen Umständen das erste Glied dieses Ausdrucks eine grosse Zahl ist, wogegen das zweite Glied 1 gänzlich zu vernachlässigen ist. Für Quecksilber bei 0® C. z. B. ergeben die obigen* Daten : 273-^^^^ = 16800 0,000002 95 Eine Ausnahme bildet z. B. Wasser bei 4^ C. Daraus folgt, dass bei festen und flüssigen Körpern die Differenz g^ — c^ der beiden spezifischen Wärmen in der Regel nicht sowohl durch die bei der Ausdehnung geleistete äussere Arbeit, sondern vielmehr durch die Abhängigkeit der Energie vom Volumen bedingt ist. Bei idealen Gasen dagegen ist es gerade umgekehrt. Hier ist nach (19) die innere Energie un- abhängig vom Volumen, d, h. und daher fällt bei der Ausdehnung der Einfluss der inneren Energie gegen den der äusseren Arbeit ganz fort. In der That Plasck, Thermodynamik. 8 114 Anwendungen auf spezielle OUichgeymhtsxustände, ist aus (84) auch direkt zu entnehmen, dass für die Zustands- gieichung eines idealen Gases der ganze Ausdruck verschwindet. Bei gewöhnKchen Gasen wird sowohl die innere Energie als auch die äussere Arbeit zu berücksichtigen sein. § 166. Was nun femer die Summe der beiden besprochenen Einflüsse, also die ganze Differenz o^ — c^ betrifft, so hat dieselbe für feste und flüssige Körper gewöhnlich einen verhältnissmässig kleinen Werth, oder das Verhältniss — = 7^ ist nur wenig grösser als 1; d. h. bei festen und flüssigen Körpern spielt die Ab- hängigkeit der Energie von der Temperatur eine viel grössere Rolle als die vom Volumen. Bei Gasen ist y grösser, und zwar im Allgemeinen um so grösser, aus je weniger Atomen das Gas- molekül besteht. Für Wasserstoff, Sauerstoff und die meisten anderen zweiatomigen Moleküle ist y = 1,41 (§ 87). Der grösste je beobachtete Werth von y ist der von Kundt und Waeburg für den einatomigen Quecksilberdampf gefundene: 1,666. § 157. Für manche Anwendungen des zweiten Hauptsatzes ist es bequem, statt der Variablen ^ und v, wie wir es bisher gethan haben, die Variablen & und p als unabhängige Variable einzuführen, v Dann ergibt sich aus (61): du + p dv ds = = .(ll),+^(f-li dd^ + \dp)^ + P ~dp)^\~& Andrerseits ist Folglich: ds' (ji),'M^), p & _ \0Pl^ \ dp)^ Die erste dieser Gleichungen nach p, die zweite nach i^- differentiirt ergibt d&dp d^ u d^v [ ov d&dp^^ d&dp "^ \d&/p Homogenes System, 115 d^u d^v fdu\ ( dv und daraus: dx^dp d&dp \^pI^ \^P/^ Hierdurch, sowie durch Gleichung (26) werden die obigen Aus- drücke der Diflferentialquotienten von s nach ü- und p: 'ds\ c. ( d&lp ^ 'd s\ (dv ßp)» \d9)p und endlich durch Diflferentiatibn der ersten Gleichung nach p, der zweiten nach &, und Gleichsetzung der Werthe: '!?). - - * m, ■ («" Diese Gleichung enthält nur direkt messbare Grössen; sie bringt die Abhängigkeit des thermischen Ausdehnungscoeffizienten einer Substanz von der Temperatur, d. h. die Abweichung vom Gay LussAc'schen Gesetz, in Beziehung zur Abhängigkeit der spezifischen Wärme vom Druck. § 168. Mittelst der vom zweiten Hauptsatz gelieferten Be- ziehungen können wir auch den früher (§ 70) beschriebenen Versuchen, welche Thomson und Joule über die Temperatur- änderung eines durch einen Wattepfropf langsam hindurchge- pressten Gases anstellten, eine weitergehende Deutung geben, als dort, wo wir sie nur zur Bestimmung der Eigenschaften idealer Gase verwertheten. Damals haben wir schon ausgeführt, dass diese Versuche im Wesentlichen darauf hinauskommen, einem Gase ohne Zuleitung oder Ableitung äusserer Wärme ^ eine Volumenvergrösserung V^ — F^ , auf die Masseneinheit be- zogen: Vg ■" h zu ertheilen, während die auf die Masseneinheit des Gases ausgeübte äussere Arbeit durch Pi «^1 - ^2 ^2 == ^ ausgedrückt wird. Diese Grösse verschwindet für ein ideales * Inwieweit diese Bedingung in Wirklichkeit erfüllt ist, iSsst sich durch Messungen in der Umgebung der vom Gase durchströmten Röhre feststellen. 8* 116 Amjomdungefa auf spezielle Oleiehgeudchtszi^tände, Gas, da dann die Temperatur constant bleibt. Für ein wirk- liches Gas aber kann man setzen: Pi =P P2=P+ ^P {^P < 0) v^ = V + Av ( J V > 0) mithin ^ = — A(pv) und nach dem ersten Hauptsatz, da = 0: Au = Ä+ 0= — A(jpv), Nehmen wir nun der Einfachheit halber die Aenderungen Ap und Av klein an, so lässt sich die letzte Gleichung schreiben: oder mit Berücksichtigung von (24), (82) und (80): femer nach (6): and daraas (86) A&=^^^^^ Ap <^P Mit Hülfe dieser einfachen Gleichung lässt sich die in dem THOMSON-JouiiE'schen Versuch eintretende Temperaturänderung A& des Gases bei bekannter Druckdifferenz Ap in Beziehung bringen zur spezifischen Wärme c^ bei constantem Druck und zu der Abweichung des Gases vom Gay LussAc'schen Gesetz. Denn nach diesem Gesetz wäre v bei constantem Druck pro- portional ß', also nach der Gleichung (86) Ji?- = 0, wie es in der That für ideale Gase zutrifft. § 169. Thomson und Joule haben die Eesultate ihrer Messungen zusammengefasst in die Formel: a ^* = ]ö5^Pj ^« Homogenes System. 117 wobei cc constant. Drückt man p in Atmosphären aus, so ist z, B. für Luft: a = 0,276 • (273)2 . Diese Formel ist jedenfalls nur angenähert richtig. Innerhalb des Bereichs ihrer Gültigkeit erhält man durch Vergleichung mit (86): und durch Differentiation nach i^: Cp Hieraus mit Eücksicht auf (85): Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung ist: wobei f{x) eine ganz beliebige Funktion eines einzigen Arguments X bedeutet. Nehmen wir nun an, dass für kleine Werthe von p sich das Gas bei jeder Temperatur unbegrenzt dem idealen Verhalten nähert, so wird fiir p = c constant = cj^ (z. B. für Luft in calorischem Maasse; 0^238) und daher allgemein: c^ = S'^^'('^'-3^^) -* c « S = 1 • (88) 1 - Dieser Ausdruck von c„ lässt sich nun weiter benutzen, um auch V als Function von & und p zu bestimmen. Es folgt nämlich aus (87) .9.2 .JL(i\ - ^LIp ^ « ^''' und daraus: ((^^ - Sap)i ( ' - ^') 118 Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände, oder: (89) V = '(^ 6p If ' - 'I.« + 4 als Zustandsgieichung des Grases. Die Integrationsconstante ß bestimmt sich aus der Dichte bei 0^ und Atmosphärendruck. Wie die Thomson -JouLE'sche Formel, so haben auch die Gleichungen (88) und (89) nur beschränkte Gültigkeit. Es ist aber principiell von Interesse, zu sehen, wie diese verschiedenen Beziehungen mit Nothwendigkeit aus einander hervorgehen. § 160. Eine weitere Anwendung von principiell wichtiger Bedeutung, welche der zweite Hauptsatz zu machen gestattet, ist die Bestimmung der absoluten Temperatur & eines Körpers nach einer Methode, die unabhängig ist von den Abweichungen der Gase vom idealen Zustand. Wir haben früher (§ 4) die Temperatur definirt durch ein Gasthermometer, mussten aber dort die Definition beschränken auf die Fälle, wo die verschie- denen Gasthermometer (Wasserstoff, Luft u. s. w.) so überein- stimmende Angaben liefern, wie sie für die beabsichtigte Ge- nauigkeit erforderlich sind. Für alle anderen Fälle aber — und bei hohen .Genauigkeitsanforderungen kommen hier auch die mittleren Temperaturen in Betracht — hatten wir die Definition der absoluten Temperatur vorläufig suspendirt. Mit Hülfe der Gleichung (80) sind wir nun im Stande, eine vollständig exakte, von dem Verhalten spezieller Substanzen gänzlich unabhängige Definition der absoluten Temperatur zu lie(em. Gehen wir von irgend einem willkührlich angenommenen Thermometer aus (z. B. Quecksilberthermometer, oder auch Skalenausschlag eines Thermoelements oder eines Bolometers), dessen Angaben wir mit t bezeichnen wollen, so handelt es sich darum, dies Thermometer auf ein absolutes zu reduciren, d. h. die absolute Temperatur i?* als Funktion von t zu bestimmen. Was wir direkt messen können, ist die Abhängigkeit des Ver- haltens irgend einer bequem zu behandelnden Substanz, z. B. eines Gases, von t und von v oder p. Wir fuhren also in (80) etwa t und v als unabhäiigige Variable statt & und v ein und erhalten: '"),-* (-ff)" dv], \d t 1^ d& -p Homogenes System. 119 Hier sind i-^] , p und i-^] als messbare Funktionen von t und v anzusehen ; daher lässt sich diese Differentialgleichung in folgender Weise integriren: n= Setzt man noch fest, dass für den Gefrierpunkt des Wassers, wo ^ = ^0 sein möge, i?- = i^-^ = 273, so ist und hierdurch i9- vollständig als Funktion yoü t bestimmt. Das Volumen v fällt offenbar in dem Ausdruck unter dem Integral- zeichen ganz aus. § 161. Was nun die Messung der einzelnen Grössen unter dem Integralzeichen betrifft, so ergibt sich der Zähler direkt aus der Zustandsgieichung der Substanz, der Nenner aber aus der Wärmemenge, welche die Substanz bei isothermer reversibler Ausdehnung von Aussen aufnimmt. Denn nach der Gleichung (22) des ersten Hauptsatzes ist für isotherme reversible Ausdehnung das Verhaltniss der zu- gefiihrten Wärmemenge q zur Volumenänderung dv: dv)t V '^ /t § 163. Statt die Wärmemenge zu messen, welche eine Substanz bei isothermer Ausdehnung von Aussen aufnimmt, stellt man zur Bestimmung der absoluten Temperatur bequemer Versuche an von der Art der soeben besprochenen von Thomson und JoxTLE über die Temperaturänderung eines langsam aus- strömenden Gases. Führen wir nämlich in der Gleichung (86), welche die Theorie dieser Versuche, bezogen auf absolute Temperaturen, darstellt, statt der absoluten Temperatur & wieder / (§ 160) ein, so ist zu setzen:. 120 Anwendungen auf spe^elle Oleichgewichtsxustände. Aih ~\dtlp dt d» li\ . = LO . dt ^p " [d &},,"[ dt )^ ' d& ~^P d&' wenn c^' die auf die Temperatur t bezogene spezifische Wärme bei constantem Druck bezeichnet. Folglich aus (86): A . \d tj n d\^ A A t = — ^^ — ^^-7 — ■ Ap und wieder durch Integration: t Cp (90) lQg^=/ '^'''^t =J> wo nun wieder unter dem Integralzeichen lauter direkt und ver- hältnissmässig bequem messbare Grössen stehen. § 163. In der von uns § 160 gemachten Festsetzung, dass für t^, den Gefrierpunkt des Wassers, i9- = t^-^ =5 273 sein soll, liegt die Voraussetzung, dass der Ausdehnungscoef&zient a der idealen Gase schon bekannt ist. Da aber genau genommen die wirklichen Gase sämmtlich bei allen Temperaturen Ab- weichungen von einander und vom idealen Verhalten zeigen, so wollen wir uns auch noch von dieser Voraussetzung befreien. Wir thun dies, indem wir zur ursprünglichen Definition der Temperatur (§ 3) zurückkehren und festsetzen, dass die Differenz der absoluten Temperatur des unter Atmosphärendruck siedenden Wassers 19*^, und der des unter Atmosphärendruck gefrierenden Wassers ß-^i (91) i9-i~ 1^-0 = 100 sein soll. Bedeutet nun /^ die am i{ -Thermometer gemessene Tem- peratur des Siedepunkts, so ist nach (90) (92) Homogenes System, 121 und die EHmination von &q und {^^ aus (90), (91) und (92) er- gibt als absolute Temperatur '^ = iSf^- (93) Hieraus erhält man auch den Ausdehnungscoeffizienten eines idealen Gases, unabhängig von jedem Gasthermometer: Da der Ausdruck unter dem Integralzeichen in jedem der beiden Integrale Jund J^ nothwendig allein von t und nicht noch von einer zweiten Variablen abhängt, so genügt es zur Berechnung des Integrals, wenn man die Messungen bei den verschiedenen Temperaturen t unter einer vereinfachenden Bedingung, z. B. immer bei dem nämlichen Druck (Atmosphärendruck) vornimmt. § 164. Noch einfacher wird die Formel, wenn man, unter Beschränkung auf Atmosphärendruck, für das ^Thermometer als thermometrische Substanz (§ 3) gerade dasjenige Gas nimmt, mit welchem man die Ausströmungsversuche anstellt. Dann ist nämlich der auf die Temperatur t bezogene Ausdehnungs- coeffizient a constant, und, wenn, wie gewöhnlich, ^ \ ^2 I SM^ (97) Da nun die in diesem Ausdruck vorkommenden 6 Variationen vollständig unabhängig von einander sind, so muss, damit nach (77) ^Ä für alle beliebigen Zustandsanderungen =0 ist, jeder der 6 Coeffizienten verschwinden. Mithin haben wir: 6% ^l = ^9'2 = ^3(=/>') Pl==P2 = PZ ^ _iUi- u^) + pi [v^ - V^) ^2 - ^ ^ _ K - W«)'+P2K - & (98) Diese 6 Gleichungen stellen nothwendige Eigenschaften eines Zustandes dar, dem ein Maximum der Entropie entspricht, also eines Gleichgewichtszustandes. Die ersten. 4 derselben sprechen die Gleichheit von Temperatur und Druck aus, das Haupt- interesse concentrirt sich daher auf die beiden letzten Gleichungen, in welchen die thermodynamische Theorie der Schmelzung, Ver- dampfung und Sublimirung enthalten ist. § 168. Wir wollen jene beiden Gleichungen zunächst auf eine etwas einfachere Form bringen, indem wir fiir die spezi- fische Entropie s, die wir, wie auch u und p, als Punktion der 126 Anwendungen auf spezielle Gleiehgeunchtsxustände. unabhängigen Variablen ß- und v betrachten, ihren Werth ein- setzen. Da nämlich allgemein nach (61): , _^ du -h pdv äs- ^ , SO haben wir durch Integration dieser Gleichung: 1 /du ■{• pdv — »' Die obere Grenze des Integrals ist durch die Werthe i9- = ?9-j, v = Vj, die imtere durch die Werthe & = &^j v =^ «^2 bestimmt. Der Integrationsweg ist ganz beliebig und hat auf den Werth der Differenz s^ — s^ gar keinen Einfluss. Da nun nach (98) i3-j = ,9-3 = i9-, so wollen wir den isothermen Integrationsweg i?- = const wählen imd erhalten dadurch: «1 - ^2 = «^-h^/w^- In dem Integral ist nun die Integration bei constantem & aus- zufuhren, indem p als eine durch die Zustandsgieichung der homogenen Substsuiz bekannte Funktion von & und v anzu- sehen ist Substituirt man den Werth von «1 — «2 ^ ^® Gleichungen (98), so ergibt sich die Eelation: (99) Ebenso: Fügen wir noch hinzu: Pi=P2= P^j so haben wir hier im Ganzen 4 Gleichungen mit den 4 Un- bekannten &, Fj, r,, Tj, welchen jeder Gleichgewichtszustand genügen muss. Die in diesen Gl^chungen Torkommenden Constanten hangen offenbar lediglich Ton der chemischen Beschaffenheit der Sub- stanz ^ nicht aber Ton den gegebenen Wertfaen der Masse M^ System in verschiedenen Aggregatx/uständen, 127 des Volumens V und der Energie U des Systems ab. Man kann daher diese Gleichungen die „inneren" Gleichgewichts- bedingungen nennen, im Gegensatz zu den Gleichungen im § 166, welche die äusseren Umstände bezeichnen, denen das System unterworfen ist. § 169. Ehe wir zur Betrachtung und Vergleichung der aus den entwickelten Gleichungen sich ergebenden Werthe der Un- bekannten übergehen, wollen wir allgemein untersuchen, ob bez. unter welcher Bedingung dieselben auch wirklich einen Maximal- werth der Entropie, und nicht etwa z. B. einen Minimalwerth liefern. Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir den Werth der zweiten Variation S^ S berechnen. Ist derselbe für alle möglichen Zustandsänderungen negativ, so ist der betr. Zustand jedenfalls ein Maximalzustand. Wir variiren daher den Ausdruck (97) von SS und erhalten dadurch den Werth von S^ S, welcher sich bedeutend vereinfacht, wenn wir die Gleichungen (98), die aber selber nicht variirt werden dürfen, benutzen. Berücksichtigen wir dann noch die festen Bedingungen, sowohl in unvariirter wie in der variirten Form (96), so ergibt sich schliesslich: wofiir man auch schreiben kann: ß-S^S^ -2^1 (^^1*^1 - ^>i^^i)- Um alle Variationen auf die der unabhängigen Variabein & und V zu reduciren, setzen wir noch nach (81): dann erhalten wir: &S^S=-^M,[^d,9,^- (^)^ Sv,^). (100) Wenn die Grössen {c^\ , {g^\ , {c^\ alle positiv und die Grössen l-^l , ... alle negativ sind, so ist S^S, wie man sieht, in jedem Falle negativ, also S wirklich ein Maximum, und der 128 Anwendungen auf spezielle Oleichgermehtsxustände. Zustand ein Gleichgewichtszustand. Da nun e^ als spezifische Wärme bei constantem Volumen stets positiv ist, so hängt die Bedingung des Gleichgewichts davon ab, ob [^ j für alle drei Theile des Systems negativ ist oder nicht. Im letzteren Fall ist kein Gleichgewicht vorhanden. In der That ist aus der unmittelbaren Erfahrung ersichtlich, dass in jedem Gleich- gewichtszustand -^ negativ ist, da sich der Druck, sei er positiv oder negativ, bei constanter Temperatur immer in entgegen- gesetzter Richtung wie das Volumen verändert. Es gibt aber, wie ein Blick auf die in Fig. 1 (§ 26) gegebene graphische Dar- stellung der Grösse ;? als isotherme Funktion von v lehrt, auch Zustände, in denen -^ positiv ist. Diese Zustände stellen also niemals eine Gleichgewichtslage dar, und sind deshalb auch nicht der direkten Beobachtung zugänglich. Wenn dagegen ^ negativ ist, so findet Gleichgewicht statt; doch braucht dasselbe noch nicht stabil zu sein; es kommt dann darauf an, ob nicht unter den gegebenen Bedingungen noch ein anderer Gleichgewichtszustand möglich ist, dem ein grösserer Werth der Entropie entspricht. Wir wollen nun im Folgenden die Werthe der Unbekannten &, v^, v^y v^ untersuchen, die eine Lösung der inneren Gleich- gewichtsbedingungen (98) vorstellen; es wird dies, wie wir sehen werden, auf verschiedene Arten möglich sein. Wenn das ge- schehen ist, woUen wir (von § 189 an) die weitere Frage be- handeln, welche der verschiedenartigen Lösungen in jedem Einzelfalle, unter den gegebenen äusseren Bedingungen, den stabilsten Gleichgewichtszustand, d. h. den grössten Werth der Entropie des Systems liefert. § 170. Erste Lösung. Wenn wir erstens setzen: ^1 = «^2 = ^3 = ^ ' so werden dadurch alle vier Gleichungen (98) befriedigt. Denn da ohnehin die Temperatur & allen drei Theilen des Systems gemeinsam ist, werden dadurch ihre Zustände vollkommen identisch, d. h. das ganze System ist homogen. Der Zustand des Systems ist dann bestimmt, wenn man noch die Gleichungen System in verschiedenen Aggregatxuständen. 129 des § 166 hinzunimmt, welche die äusseren Bedingungen aus- sprechen. Dieselben lauten in diesem Falle: FolgUch: « = ^und« = S. M M Aus V und u ergibt sich dann auch &, da u als bekannte Funktion von & und v vorausgesetzt ist Diese Lösung hat immer einen bestimmten Sinn, sie stellt aber, wie wir an Gleichung (100) gesehen haben, nur dann einen Gleichgewichtszustand dar, wenn -^ negativ ist Trifft dies zu, so ist das Gleichgewicht labil oder stabil, je nachdem unter den gegebenen äusseren Bedingungen (§ 166) ein Zustand existirt, dem ein noch grösserer Werth der Entropie entspricht, oder nicht Wann das Eine oder das Andere der Fall ist, soll später gezeigt werden. § 171* Zweite Lösung. Wenn wir zweitens setzen: «^1 S ^3 = ^3 ? so fallen die mit 2 und 3 bezeichneten Aggregatzustände zu- sammen und die Gleichungen (98) reduciren sich auf; *1 — *3 — ^T J oder statt der zweiten Gleichung: Vi Jpdv=.p^{v, -v^). (102) Vt In diesem Falle befindet sich das System in zwei verschiedenen Aggregatzuständen nebeneinander, z. B. als Dampf und Flüssig- keit Die beiden Gleichungen (101) enthalten drei unbekannte: &y Vj, Vj, sie können also dazu dienen, die Grössen v^ und v^, und in Folge dessen auch den Druck j9^ = p^ und die spezifischen Energieen t^ und u^ als bestimmte Funktionen der Temperatur & darzustellen. Durch die Temperatur ist also der innere Zustand zweier sich im Gleichgewicht berührender heterogener FliAKOK, Thennodynamik. 9 130 Amoendungen auf spexidle Gleichgeunchtszfistände. Theile derselben Substanz vollständig bestimmt. Die Temperatur selber, sowie die Massen der beiden Theile des Systems er- geben sich aus den äusseren Bedingungen (§ 166), welche für diesen Fall lauten: (103) l M,v,+{M^+M,)v,^V Diese drei Gleichungen dienen zur Berechnung der drei letzten Unbekannten, nämlich &, M^ und (ifg + ifg), wodurch dann der physikalische Zustand des Systems ganz bestimmt ist; denn bei den Massen M^ und M^ kommt es offenbar nur auf ihre Summe an. Natürlich hat das Besultat nur dann einen physikalischen Sinn, wenn sowohl M^ als auch {M^ + M^) positiv ausfällt. § 173. Die nähere Betrachtung der Gleichung (102) zeigt, dass sie nur dann befriedigt werden kann, wenn der Druck p, der ja für die beiden Grenzen des Integrals den nämlichen Werth |?i =^2 hat, zwischen den Grenzen Werthe annimmt, die theils kleiner, theils grösser als p^ sind, und dass sich daher hier Zustände vorfinden müssen, welche nach § 169 labil sind, weil stellenweise p mit v zunimmt. Die Gleichung lässt sich sehr einfach geometrisch interpretiren, wenn man die schon dort erwähnte graphische Darstellung der Zustandsgieichung durch die Isotherme (Fig. 1, § 26) zu Hülfe nimmt. Denn da das 1 Integral J pdv den Flächenraum darstellt, der von der Isotherme, 2 der Äbscissenaxe und den durch die Punkte v^ und v^ der Iso- therme begrenzten Ordinaten umschlossen wird, während andrer- seits das Produkt p^ (vj — v^) den Flächenraum des aus denselben Ordinaten und der Abscissenstrecke v^— t^g gebildeten Rechtecks bezeichnet, so lehrt die Gleichimg (102). Folgendes: In jeder Isotherme wird der Druck, bei welchem sich zwei Aggregat- zustände der Substanz dauernd berühren können, durch diejenige zur Abscissei^axe parallele Gerade dargestellt, welche zu beiden Seiten der Isotherme gleiche Flächenräume abgrenzt. Eine derartige Gerade ist in der Fig. 1 durch ABC bezeichnet Man kann also aus der für homogene, stabile und labile. Zustände auf- gestellten Zustandsgieichung direkt das Gesetz der Abhängigkeit System in verschiedenen AggregaiTMständen. 131 des Drucks und der Dichtigkeit des gesättigten Dampfes und der berührenden Flüssigkeit von der Temperatur ableiten. Wenn wir z. B. die CLAUSius'sche Zustandsgieichung (12) als empirische Fonnulirung der Thatsachen zu Grunde legen, so folgen aus ihr fiir das spezifische Volumen v^ des gesättigten Dampfes und v^ der berührenden Flüssigkeit die beiden Be- dingungen: Rd^ c __ Rd^ e und aus (102) Hiedurch können v^ und v^, also auch p^ =P2> ^Is Funktionen von i9-, oder bequemer v^, Vg, p^ und ß- als Funktionen einer einzigen passend gewählten unabhängigen Variabein bestimmt werden. Mit den CLAusius'schen Zahlenwerthen der Constanten für Kohlensäure (§ 25) ergeben sich aus dieser Bechnung Resultate, die mit den ANDEEWs'schen Beobachtungen befriedigend über- einstimmen; doch besitzt nach Tklesen die CLAusius'sche Zu- standsgleichung keine allgemeinere Bedeutung. § 178. Verfolgen wir den Inhalt der Gleichungen (101) noch nach anderen Eichtungen hin. Wenn wir zur Abkürzung setzen: u-ü^s^f (104) [freie Energie der Masseneinheit, nach Gleichung (71)], SO schreiben sich die Gleichungen (101) einfacher: Pi = P2 (105) r2-/i=-PlK-^2)- (106) Die Funktion f genügt folgenden einfachen Bedingungen: Nach (104) ist: fef\ iQu\ ^(ds und nach (79 a) (ö^I-l^j,"'^U^j,-^ K) = -- (107) Femer ist nach (104): und nach (80) und (81): 9 132 Anwendungen auf speiuelle Gleichgewichtszustände. Die der Berührung zweier Aggregatzustände entsprechenden Gleichgewichtsbedingungen gelten für jede der drei mögKchen Combinationen je zweier Aggregatzustände, wir wollen jedoch, um die Ideen zu fixiren, zuerst beispielsweise diejenige Lösung dieser Gleichungen im Auge behalten, welche der Berührung von Dampf und Flüssigkeit entspricht Wenn wir hiebei den Index 1 auf den Dampf, den Index 2 auf die Flüssigkeit be- ziehen, so bedeutet v^ das spezifische Volumen des bei der Temperatur ß- gesättigten Dampfes, p^ =P% seinen Druck, v^ das spezifische Volumen der berührenden Flüssigkeit Diese Grössen sind also alle Funktionen der Temperatur allein, wie es der Erfahrung entspricht § 174. Wir können zunächst durch Differentiation der Gleichgewichtsbedingungen nach & zu neuen Sätzen gelangen, wobei wir, da alle Variabein nur von & abhängen, die entsprechen- den totalen Differentialquotienten kurz mit ^ , -^ , -j~ u. s. w. bezeichnen wollen, während wir für die partiellen Differential- quotienten nach & bei constantem v, xmd nach v bei constantem & die bisherige Bezeichnung ^ u. s. w. beibehalten. Dann ergeben die Gleichungen (105) und (106) nach ß- differentiirt: djp^ __ dp^ d& d& und: dfi dfi c.-.)|f+^.(Ä-||)- d& d& Nun ist aber nach (107) und (108): df,_dA_ (dj,\ (df,\ dv, _ (dA) _ (dfA dv, d& d& [d^)^'^ \dv)^d& \d&)^ \dv)^d& dv2 j^ _. dvi - — ^2 -- P2j:^ -r h -r Pij:^' Folglich durch Substitution: / \ dpi «1 - «a = K - «3) rf^ . oder endlich nach (101): (109) K - "2) + Pi K -v,) = & {V, -v,)^. Der Ausdruck links bedeutet nach der Gleichung (17) des ersten Hauptsatzes der Wärmetheorie nichts anderes als die Ver- System in verschiedenen Äggregatxuständen* 133 dampfiingswärme r der Flüssigkeit, d. h. diejenige Wärmemenge, welche der Masseneinheit Flüssigkeit von Aussen zuzuführen ist, damit sie bei constant gehaltener Temperatur unter dem con- stanten Druck des gesättigten Dampfes vollständig in Dampf übergeht. Denn die Veränderung der Energie ist hiebei u^ — Wj, und die dabei von Aussen aufgewendete äussere Arbeit A, welche hier negativ ist, beträgt: Es ist also: r = Wj -Wj + p^ (Vj - v^) (110) und daher: r = &{v,-v,)%. (111) Diese schon von Clapeybon aus der CABNOT'schen Theorie (§ 52) abgeleitete, zuerst von Claüsius streng begründete Gleichung ge- stattet die Berechnung der Verdampfungswärme für eine be- liebige Temperatur aus den Volumina des gesättigten Dampfes und der Flüssigkeit, sowie der Abhängigkeit der Spannung des gesättigten Dampfes von der Temperatur. Sie ist in sehr vielen Fällen durch die Erfahrung bestätigt worden. § 176« Als Beispiel berechnen wir die Verdampfungs- wärme des Wassers bei 100® C, also beim Druck einer Atmo- sphäre. Hiefür ist: ^9- = 273 -f- 100 = 373, v^ = 1658 nach Wüllnee (Volumen eines gr gesättigten Wasserdampfes bei 100^ C. in com), Vg = 1 (Volumen eines gr Wasser bei IOC* C. in ccm), -^ ergibt sich daraus, dass KEaNAULT für gesättigten Wasser- dampf von 100^ C. eine Spannungszunahme von 27,2™™ Queck- silber fiir 1^ Temperaturerhöhung fand. Die Reduktion auf absolute Druckeinheiten liefert nach § 7: ^=1L^. 1013 650 d& 760 und somit die gesuchte Verdampfungswärme in Calorieen, durch Division mit dem mechanischen Wärmeäquivalent: 373 • 16 57 ' 27,2 - 1 013 650 _ ;. or 760 -419 -10* 134 Anwendungen auf spezielle OkiehgewiektaxvMimde, Rbönault fand durch direkte Messung für die Verdampfungs- wärme des Wassers bei 100® C. 536 cal. § 176. Wie man aus (110) sieht^ entspricht ein Theil der Verdampfongswärme r der Zunahme der Energie, ein anderer Theil der äusseren Arbeit. Um zu beurtheilen, in welcher Be- ziehung diese beiden Theile stehen, bildet man am bequemsten das Verhältniss der äusseren Arbeit zur ganzen Verdampfungs- wärme: Pi (^1 - ^2) ^ ^1 . Für den soeben behandelten Fall ist Pi = 760"™, 19- = 373, ^Pi _ 07 9 mm und man erhält daher fiir dies Verhältniss: , W^ = 0.075. woraus zu entnehmen ist, dass die äussere Arbeit in dem Betrag der Verdampfungswärme hier nur eine geringe Rolle spielt § 177. Die Gleichung (111) gestattet auch wieder eine Berechnung der absoluten Temperatur &y sobald die Ver- dampfungswärme, sowie der Druck und die Dichte des gesättigten Dampfes und der berührenden Flüssigkeit als Funktion irgend einer beliebigen Conventionellen Temperaturskala t (§ 160) durch Messung bestimmt sind. Es ist nämlich: Q./ \dp\ dt und daraus: log^=/^-^..^^..., woraus & in derselben Weise als Funktion von t zu berechnen ist, wie dies schon früher ausgeführt wurde. Ueberhaupt ist ersichtlich, dass eine jede aus dem zweiten Hauptsatz abgeleitete Gleichung zwischen messbaren Grössen dazu benutzt werden kann, eine Bestimmung der absoluten Temperatur vorzunehmen, und es handelt sich nur um die praktische Frage der Genauig- System in verschiedenen Aggregatztiständen. 135 keit der Messungen in dem zu untersuchenden Temperatur- intervall, um darüber zu entscheiden, welche Methode den Vorzug verdient. § 178. Eine einfache Annäherungsformel^ die in manchen Fällen gute, in andern dagegen nur massig brauchbare Resultate ergibt, erhält man, wenn in der Gleichung (111) das spezifische Volumen der Flüssigkeit v^ gegen das des Dampfes v^ vernach- lässigt, und wenn ausserdem für letzteres die Zustandsgieichung eines idealen Gases als gültig vorausgesetzt wird. Dann ist nach Gleichung (14) E & wobei E die absolute Gasconstante, m das Molekulargewicht des Dampfes bezeichnet, und die Formel (111) geht über in: ^^B_^d^_ (112) m Pi d& ^ ' Für Wasser bei 100^ C. wäre z. B. jß = 1,971 in Calorieen nach Gleichung (34), m = HgO = 18 , 19- = 373, p^ = 760»"^°», "^^^ = 27,2 mm d& und daraus die Verdampfungswärme in Calorieen: 1,971 -373*. 27,2 ^.j, r = — — = 545 , 18-760 ' also etwas zu gross (§ 175). Die Ursache dieser Abweichung liegt darin, dass das Volumen des bei 100® C. gesättigten Wasserdampfes in Wirklichkeit kleiner ist als das aus der Zustandsgieichung eines idealen Gases vom Molekulargewicht 18 für diese Temperatur und Atmosphärendruck berechnete Volumen. Eben deshalb kann eine genaue Messung der Verdampfungs- wärme auch dazu dienen, um aus dem zweiten Hauptsatz einen Schluss zu ziehen auf die Abweichung der Dichte eines Dampfes von dem idealen Werth. Eine in denselben Grenzen gültige Annäherungsformel von anderer Bedeutung ergibt sich, wenn man weiter in der Gleichung 136 Anwendungen auf speccieUe Okichgetaichtszv^stände. (109) für die spezifische Energie des Dampfes nach (36) den für ideale Gase gültigen Werth w^ = c^i?- + const, femer für die spezifische Energie der Flüssigkeit unter Constantsetzung (jjer spezifischen Wärme c^ and Vemachlässigong der äusseren Arheit u^ = c^^ + const. setzt. Dann folgt aus (109): f \ Q. . X . -ß^ -ß ^' dp. (c„ — cJ)& + const •] = -^. Multiplicirt man beiderseits mit -7-»- , so lässt sich diese Gleichung Glied für Glied integriren, und man erhält schliesslich, unter Berücksichtigung von (33) b fn , V p^ = ae Cr • Hier bedeuten a und b positive Constante, c und c« die spezi- fischen Wärmen von Dampf und Flüssigkeit bei constantem Druck. Dies gibt ein Gesetz für die Abhängigkeit der Spann- kraft des gesättigten Dampfes von der Temperatur, welches um so angenäherter gilt, je tiefer die Temperatur unter der kriti- schen Temperatur des Dampfes liegt. Für Quecksilberdampf z. B. ist nach einer Berechnimg von H. Hertz, wenn p^^ in Millimetern Quecksilber ausgedrückt wird: a = 3,915 • 10l^ b = 7695 , ^(c - c^) = - 0,847 . § 179. In gleicher Weise wie für den Verdampfungsprozess lässt sich die Gleichung (111) auch auf den Schmelz- oder auch auf den Sublimationsprozess anwenden. Im ersten Fall bedeutet r die Schmelzwärme der Substanz, falls der Index 1 dem flüssigen, der Index 2 dem festen Zustand entspricht, ferner p^ den Schmelz- druck, d. h. den Druck, bei welchem feste und flüssige Substanz sich im Gleichgewicht berühren können. Der Schmelzdruck hängt hienach, ebenso wie der Verdampfungsdruck, von der Temperatur ab, oder in umgekehrter Fassung: Durch Ver- änderung des Druckes wird die Schmelztemperatur geändert: ^ ^ dp^ r Für Eis bei 0^ C, also unter Atmosphärendruck, ergibt sich z. B. System in verschiedenen AggregcUxuständen, 137 r = 80 -419 '10^ (Schmelzwärme von 1 gr Eis in abso- luten C.G.S.-Einheiten), & = 273, Vj = 1,0 (Volumen von 1 gr Wasser bei 0^ C. in ccm), Vg = 1,09 (Volumen von 1 gr Eis bei 0® C. in ccm). Um - — in Atmosphären zu erhalten, hat man den Ausdruck noch mit 1013650 (§ 7) zu multipliciren und erhält so aus (113): dpi 80 •419-10* ' ^ , ' Durch Erhöhung des äusseren Druckes um 1 Atmosphäre wird also die Schmelztemperatur des Eises um 0,0074® C. erniedrigt, oder: um den Schmelzpunkt des Eises um 1® C. zu erniedrigen, bedürfte es einer Druckerhöhung von ca. 130 Atmosphären, was zuerst durch Messungen von W. Thomson (Lord Kelvin) be- stätigt worden ist. Für Substanzen, welche sich, entgegengesetzt dem Eis, beim Schmelzen ausdehnen, wird nach der Gleichung (118) umgekehrt die Schmelztemperatur mit wachsendem Druck erhöht. Auch dies ist durch Messungen qualitativ und quanti- tativ bestätigt worden. § 180. Die Gleichungen (101) gestatten, noch andere wich- tige Eigenschaften, die eine Substanz in verschiedenen Aggregat- zuständen besitzt, in Beziehung miteinander zu bringen. Wir fessen sie mit (110) in folgender Form zusammen: r - - «1 - «2 und differentüren nach &, Dann ergibt sich: oder nach (81): & '^[d&J^d^ &" \d&)^d&' Nun führen wir statt der spezifischen Wärme bei constantem Volumen: e^ die bei constantem Druck: c^ für jeden Aggregat- zustand ein. Dann ist nach Gleichung (82), wenn man noch Alles mit i?- multiplicirt: 138 Anwendungen auf spex/ieüe QleiciligewichUzustände, d ^-5-(a-*(lf).(l5-U*(ll).^ oder, da nach (6) für jeden der beiden Aggregatzustände: (dp\ ^ _ (dv\ (d_p\ -(»^+''(i;i-{(lf).+(fe).si- Die in den Klammem { } befindlichen Ausdrücke sind aber nichts anderes als: dpi dp, ^Fi d& d& ^K-«^j)' Folglich erhält man schliesslich: ("5) w-w-iJ-j+..:..!(fe),-(l5)J- Diese streng gültige Gleichung gestattet abermals eine Prüfimg des zweiten Hauptsatzes, da sie lauter G-rössen enthält, die un- abhängig von einander gemessen werden können. § 181. Nehmen wir als Beispiel wieder gesättigten Wasser- dampf bei 100® C, also unter Atmosphärendruck, und berechnen hiefiir die spezifische Wärme des Dampfes bei constantem Druck: (c^)j , dann ist: (c^)2= 1,03 (spezifische Wärme des flüssigen Wassers bei 100% r = 536 , i9' = 373, d IT -T-^: = — 0,708 (Abnahme der Verdampfungswärme mit der Tem- peratur, nach Messungen von EEGNAuiiT). Um v^ und (-^1 zu bestimmen, benutzen wir eine Messung von HiEN, nach welcher 1 gr Wasserdampf unter Atmosphären- druck bei 100® das Volumen 1650,4 ccm, bei 118,5® das Volumen 1740 ccm einnimmt. Daraus ergibt sich: ^1 = 1650,4, (dvA 1740 - 1650,4 . ^ . „ [T^]r iP = 4,843. System in verschiedenen ÄggregcUzitständen, 139 Endlich ist 2;2 = 1,0, (i?i= "' 001. Diese Zahlen liefern nach (115) das Ergebniss: %\ - («,)» = - 0.56 . oder: K\ = K)^ - 0,56 = 1,03 - 0,56 = 0,47 . BEGKAUiiT fand durch direkte Messung die mittlere spezifische Wärme des Wasserdampfes bei constantem Atmosphärendruck für etwas höhere Temperaturen als 100^ zu 0,48. § 183« Die Beziehung (115) vereinfacht sich bedeutend, wird aber ungenau, wenn man wieder das Volumen v^ des flüssigen Wassers gegen das v^ des Dampfes vernachlässigt und für letzteres die Zustandsgieichung eines idealen Gases benutzt Denn dann wird: R & V, = R und die Gleichung (115) lautet einfach: in unserem Beispiel: (S)i-(^p)2=-0,71 (c^X = 1,03 -0,71 =0,32, also erheblich zu Mein. § 188« Wenden wir nun die Beziehung (115) auch auf schmelzendes Eis bei 0^ und Atmosphärendruck an, indem wir den Index 1 auf den flüssigen, den Index 2 auf den festen Aggregatzustand beziehen. Die Abhängigkeit der Schmelzwärme r des Eises von der Schmelztemperatur & ist wohl noch nicht direkt gemessen worden, sie lässt sich aber aus (115) berechnen, da diese Gleichung ergibt: d& - (»A - («A + J - ~j. {(§Ji - (f?)J ■ 140 Amjoefndung&a auf spezielle Oleichgewu^tszttstände» Dabei ist: (c^)^ = 1 (Spezifische Wärme des Wassers bei 0^, {CpX = 0,505 (Spezifische Wärme von Eis bei 0^ r = 80, & = 21S, \J^) ~ ■" 0,00006 (Ausdehnungscoeffizient des Wassers bei 0^, |-^j = 0,00011 (Ausdehnungscoeffizient von Eis bei 0^ Folglich nach der obigen Gleichung: 15 = 0,64, d. h. wenn der Schmelzpunkt des Eises durch entsprechende Vermehrung des äusseren Druckes um 1® erniedrigt wird, nimmt auch die Schmelzwärme um 0,64 cal. ab. § 184. Es ist schon jfrüher wiederholt darauf hingewiesen worden, dass man ausser der spezifischen Wärme bei constantem Druck und der bei constantem Volumen noch beliebige andere spezifische Wärmen definiren kann, je nachdem man die äusseren Umstände, unter denen die Erwärmung stattfindet, verschieden regulirt In jedem Falle gilt die Gleichung (23) des ersten Hauptsatzes: du dv Bei den gesättigten Dämpfen ist nun auch diejenige Art der Erwärmung von Interesse, bei welcher der Dampf immer gerade im Zustand der Sättigung erhalten wird. Bezeichnen wir die diesem Vorgang entsprechende spezifische Wärme des Dampfes mit h^ — Clausius nannte sie die spezifische Wärme „des gesättigten Dampfes" — so ergibt sich in unserer Bezeichnung: (116) ^-^+^x^-. Ueber den Werth von h^ lässt sich von vorneherein nichts aussagen, ja selbst das Vorzeichen dieser Grösse muss vorläufig System in verschiedenen Aggregatzitständen, 141 dahingestellt bleiben. Denn wenn der Dampf wahrend der Er- wärmung um V gerade gesättigt bleiben soll, muss er offenbar gleichzeitig comprimirt werden, weil das spezifische Volumen des gesättigten Dampfes mit steigender Temperatur abnimmt. Nun wird aber durch die Compression Wärme erzeugt, und es fragt sich, ob diese Wärme nicht so beträchtlich ist, dass sogar eine Ableitung von Wärme nach Aussen erforderlich wird, um den Dampf nicht zu überhitzen. Daher sind hier von vorneherein zwei Fälle denkbar: 1. Die Compressionswärme ist verhaltniss- mässig beträchtlich. Dann ist bei der Compression des gesättigten Dampfes Ableitung von Wärme nach Aussen erforderlich, um bei der erhöhten Temperatur den Sättigungszustand aufrecht zu erhalten, d. h. h^ ist negativ. 2. Die Compressionswärme ist zu gering, um ohne Zuleitung äusserer Wärme den comprimirten Dampf vor Uebersättigung zu bewahren; dann muss Äj positiv ausfallen. Dazwischen liegt der Grenzfall h^ = 0, wo die Com- pressionswärme gerade hinreicht, um den comprimirten Dampf im Zustand der Sättigung zu erhalten, wo also die Sättigungs- curve zusammenfällt mit der Curve der adiabatischen Compression. Dieser Grenzfall wurde noch von Watt als für Wasserdampf gültig angenommen. Es ist nun leicht, Äj aus den obigen Formeln zu berechnen. Bilden wir zunächst die entsprechende spezifische Wärme fiir die berührende Flüssigkeit: Diese spezifische Wärme entspricht einer Erwärmung der Flüssigkeit, die immer gerade unter dem Drucke ihres gesättigten Dampfes gehalten wird. Da nun der äussere Druck, wenn er nicht nach vielen Atmosphären misst, auf den Zustand einer Flüssigkeit keinen wesentlichen Einfluss hat, so fällt der Werth von Äj so gut wie ganz mit dem Werth der spezifischen Wärme der Flüssigkeit bei constantem Druck zusammen, d. h. fH = (^\- (118) Nun ergeben die Gleichungen (116) und (117) von einander subtrahirt: 142 Anwendungen auf spezielle GleichgeunehisTMstände. Aber nach (110) ist durch Differentiation nach &\ Folglich: dr d(Ui - Mal rf(«?i - v^) , .dpi 5^ = " d¥ ■ + ^1 ^d^- + (''i " ''«) d^ ^-^2 = ^i-K-^2)^ oder nach (118) und (111): Für gesättigten Wasserdampf bei 100® haben wir nun, wie oben: {o,\ = 1,03 , — = -071 r = 536, ,9- = 373 . Folglich : Ä, = 1,03-0,71 -g=- 1,12. Wasserdampf bei 100® C. repräsentirt also den oben unter 1. beschriebenen Fall, d. h. gesättigter Wasserdampf bei 100®, adiabatisch comprimirt, wird überhitzt; oder umgekehrt: ge- sättigter Wasserdampf bei 100®, adiabatisch ausgedehnt, wird übersättigt, indem der Einfluss der Compressions-, bez. Dilatations- wärme über den Einfluss der Dichtigkeitszunahme, bez. Abnahme weit überwiegt. Ändere Dämpfe zeigen das entgegengesetzte Verhalten. § 185. Es kann der Fall eintreten, dass für einen be- stimmten Werth von ü- die Werthe der Grössen v^^ und v^, wie sie sich aus den Gleichungen (101) in ganz bestimmter Weise ergeben, einander gleich werden; dann sind die beiden Aggregat- zustände, die miteinander in Berührung sind, überhaupt identisch. Ein solcher Werth von t^- heisst eine kritische Temperatur der betreffenden Substanz. Vom rein mathematischen Standpunkt aus muss man von vorneherein annehmen, dass jede Substanz für jede der drei Combinationen zweier Aggregatzustände eine solche kritische Temperatur besitzt, die allerdings nicht immer reell sein wird. Durch die kritische Temperatur ^9- und das kritische Volumen v^ = v^ ist dann auch der ganze kritische System in verschiedenen Aggregaiztiständen, 148 Zustand bestimmt. Seine Berechnung erfolgt aus den Gleichungen (101), wenn man darin noch die Bedingung einfuhrt, dass die Differenz t?i — v^ verschwindet Nehmen wir also v^^ — v^ sehr klein an, so wird für ein beliebiges Volumen v, welches zwischen den Werihen v^ und v^ liegt, nach dem TAYLOE'schen Satze: also geht die erste Gleichung (101) über in: und die Gleichung (102) liefert, durch Ausführung der Integration von (119) nach v: P2 K - ^2) + Y (^\ ih - ^2? + 2^ (0)^ K -^2)'= P2 (^1 - ^2)- Die letzten beiden Gleichungen ergeben: (1^). = « '''P^ =0 ß^'/2 als Bedingung des kritischen Zustandes. Diese Bedingung stimmt überein mit der schon im § 30 für den kritischen Zustand eines Dampfes abgeleiteten Beziehung, und wird durch die dort ge- gebene Zeichnung der Isotherme geometrisch illustrirt. Im kritischen Zustand ist die Compressibilität unendlich gross, der Ausdehnungscoeffizient bei constantem Druck unendlich gross, die spezifische Wärme bei constantem Druck unendlich gross, die Verdampfungswärme Null. Bei anderen Temperaturen als der kritischen sind die Werthe von ^;^ und v^ verschieden, und zwar auf der einen Seite reell, auf der anderen complex; im letzteren FaU verliert die hier betrachtete Lösung des Gleichgewichtsproblems ihren Sinn. Dafür, dass es nicht nur beim Verdampfungsprozess, sondern für manche Substanzen auch beim Schmelzprozess eine reelle kritische Temperatur gibt, bei welcher also der feste und der flüssige Aggregatzustand identisch werden, lassen sich mehr- fach Gründe anführen. Vgl. oben § 31 und unten § 191. § 186. Dritte Lösung. Setzen wir drittens in den für das ifinere Gleichgewicht gültigen Bedingungen (98): 144 Anwemdungen auf spezielle OleiehgeunchisxtMtände. so haben wir ohne Vereinfachung: (120) _ ^h-Ui'^'Pt fa - y «) *i - ^2 - :^ *2 - ^3 - :ß. Dieser Fall bezeichnet einen Zustand, bei welchem sich im System alle drei Aggregatzustände nebeneinander vorfinden. Die vier Gleichungen (120) enthalten vier Unbekannte, nämlich i?-, v^f Vg, V3, so dass ihnen ganz bestimmte Werthe dieser vier Grössen entsprechen. Alle drei Aggregatzustände können also nur bei einer ganz bestimmten Temperatur und ganz be- stimmten Dichtigkeiten, und daher auch nur bei einem ganz bestimmten Druck nebeneinander im Gleichgewicht existiren. Wir wollen diese Temperatur die „Fundamentaltemperatur** und den entsprechenden Druck den Fundamentaldruck der Substanz nennen. Die Fundamentaltemperatur ist nach den Gleichungen (120) durch die Bedingung charakterisirt, dass für sie der Druck des über der Flüssigkeit gesättigten Dampfes gleich ist dem Schmelzdruck. Dann folgt mit Nothwendigkeit durch Addition der beiden letzten Gleichungen, dass jener Druck auch gleich dem Sublimationsdruck ist, bei welchem die feste Substanz mit der gasförmigen in Berührung ist. Sind die Fundamentalwerthe gefanden, so berechnen sich aus den äusseren Bedingungen im § 166 (121) j M^v^+M^v^ + M^v,=r die Massen M^, M^^ M^ der in den verschiedenen Aggregat- zuständen befindlichen Theile des Systems in eindeutiger Weise. Doch hat diese Lösung nur dann einen physikalischen Sinn, wenn die Werthe von M^, M^, M^ sämmtlich positiv ausfallen. § 187. Bestimmen wir z. B. den Fundamentalzustand des Wassers. Da für 0® C. der Druck des über flüssigem Wasser gesättigten Dampfes 4,62™™, der Schmelzdruck des Eises aber 760™™ beträgt, so ist 0^ nicht die Fundamentaltemperatur des Wassers. Nun nimmt aber der Schmelzdruck des Eises mit System in verschiedenen Äggregatzuständen: 145 steigender Temperatur ab, während der Druck des über flüssigem Wasser gesättigten Dampfes wächst; folglich wird für eine etwas höhere Temperatur als 0^ ein Zusammenfallen jener beiden Drucke eintreten. Nach der Gleichung (114) steigt die Schmelz- temperatur des Eises bei Erniedrigung des Druckes von 760 ™™ bis 4,62°^°^ um nahezu 0,0074«. Die Temperatur 0,0074« C. ist also sehr angenähert die Fundamentaltemperatur des Wassers, da für sie der Druck des über flüssigem Wasser gesättigten Dampfes nahe zusammenfällt mit dem Schmelzdruck des Eises, und in Folge dessen auch mit dem Druck des über Eis ge- sättigten Dampfes. Daraus ergeben sich dann auch dieWerthe für das spezifische Volumen von Wasser im gasförmigen, flüssigen und festen Fundamentalzustand: v^ = 205 000 , v^ = \, v^ = 1,09 . Für andere Temperaturen als die Fundamentaltemperatur fallen Verdampfiings-, Schmelz- und Sublimationsdruck alle ver- schieden aus. § 188. üeberblicken wir nun noch einmal die inneren Gleichgewichtsbedingungen (101) für die drei Combinationen je zweier sich berührender Äggregatzustände einer gegebenen Sub- stanz im Zusammenhang. Für jede dieser Combinationen ist sowohl der Druck p als auch die spezifischen Volumina der beiden sich berührenden Theile allein von der Temperatur abhängig und durch (101) bestimmt. Hiebei ist aber wohl zu unter- scheiden^ ob sich z. B. gesättigter Dampf in Berührung mit flüssiger oder mit fester Substanz befindet, da für diese beiden Fälle die Funktionen, welche Druck und spezifisches Volumen des gesättigten Dampfes in ihrer Abhängigkeit von der Tem- peratur darstellen, ganz verschieden ausfallen. Der Zustand des gesättigten Dampfes ist erst dann bestimmt, wenn ausser der Temperatur auch noch angegeben ist, mit welchem Äggregat- zustand der Dampf sich in Berührung befindet, und das näm- liche gilt für die beiden anderen Äggregatzustände. Wenn wir daher von jetzt an die Ziffern 1, 2, 3 der Reihe nach auf den gasförmigen, flüssigen, festen Zustand beziehen, so müssen wir zur Bezeichnung eines im Zustand der Sättigung befindlichen Körpertheils zwei Indices verwenden, von denen der erste den Aggregatzustand des betrachteten Körpertheils selbst, der zweite Plakgk, Thermod3niamlk. 10 146 Anwendungen auf spexdeUe Oleichgetoichtsxustände. denjenigen Aggregatzustand angibt, mit welchem der Eörpertheil in Berührung gedacht ist So erhalten wir zur Bezeichnung des spezifischen Volumens des gesättigten Dampfes die beiden Aus- drücke t?i2 und Vjj, von denen der erste den Dampf in Be- rührung mit flüssiger, der zweite den Dampf in Berührung mit fester Substanz darstellt. Analog ergeben sich die Bezeichnungen ^23 und t?3i, Vji und Vgg für die spezifischen Volumina flüssiger und fester Substanz im Zustand der Sättigung; jede von diesen sechs Grössen ist eine bestimmte Funktion der Temperatur allein. Die entsprechenden Drucke sind; Verdampfungsdruck: Schmelzdruck: Sublimationsdruck: Pi3 = P21 P23 = Ps2 P31 = Pl3 ebenfalls Funktionen der Temperatur allein. Nur für die Fimdamentaltemperatur werden zwei dieser Drucke einander gleich, und dann auch gleich dem dritten. Stellt man also die Abhängigkeit der drei Drucke von der Temperatur durch drei Curven dar, indem man etwa die Tem- peratur als Abscisse und die Drucke als Ordinaten aufträgt, so schneiden sich die drei Curven in einem einzigen Punkt, dem Fundamentalpunkt, auch dreifacher Punkt genannt. Es ist auch leicht zu berechnen, unter welchem Winkel sich die Curven in dem Fundamentalpunkt schneiden. Denn die Neigung der Curven gegen die Abscissenaxe wird gegeben durch die Differential- quotienten: dPii dp^ dpn d& ' d& ^ d& ' Nun ist nach Gleichung (111) in entsprechender Bezeichnung: dpii _, n> d& &{vi - v^) ' Ebenso dPiS __ »"28 d^ ^{v^-Vj^) und dpzi ^ fji_ d& ^iv^-vij' Dabei beziehen sich die v auf den Fundamentalzustand und sind daher nur mit einem einzigen Index versehen. Hieraus ergibt sich nun die Richtung des Verlaufs jeder Curve im Fundamentalpunkt, sobald man die Verdampfungs-, Schmelz- und Sublimationswärme kennt. System in verschiedenen Aggregatzuständen, 147 Vergleichen wir z. B. die Curve des Yerdampfongsdrucks Pj, mit der Curve des Sublimationsdrucks p^^ für Wasser in der Nähe des Fundamentalpunkts 0,0074^ C. Hiefiir ist im abso- luten Maasssystem, durch Multiplication des in Calorieen aus- gedrückten Werthes mit dem mechanischen Wärmeäquivalent: ri2 = 604-419 10« (Verdampfangswärme des Wassers bei 0,0074% ^3 = - ^31 = (80 + 604) . 419 • 10« (Sublimationswärme des Eises bei 0,0074** C), i;i= 205000, v^ = l, ^3 = 1,09, (§187) r?^ = 273 . Also in Millimetern Quecksilber, durch Multiplication des abso- luten Werthes mit 1 013 650 dp,8 604 . 419 . 10« • 760 d& 273.205 000-1013 650 = 0,339 , dpjn _ dpi9_ ^ 684 • 419 » 10^ - 760 ^ ^ Qr^ . ~d& d& 273 • 205 000 -TOIS 650 ">^°* • Die Curve des Sublimationsdrucks p^^ verläuft also im Funda- mentalpunkt steiler als die Curve des Verdampfungsdrucks p^^y oder: für Temperaturen oberhalb der Fundamentaltemperatur ist Pjg >2?i2> ^^ Temperaturen unterhalb derselben ist p^^ Vg > v^ und Wj > Wg > Wg. § 191. Wir kommen nun zur Betrachtung des Gültigkeits- bereichs der zweiten Lösung, welcher die Gleichungen (101) und (103) entsprechen. Diese Gleichungen ergeben drei Arten vonWerthensystemen, je nach den drei paarweisen Combinationen der drei Aggregatzustände, deren jede den beiden andern von vorneherein gleichberechtigt gegenübersteht. Wir betrachten zunächst die Combination des gasförmigen und des flüssigen Zustandes. Dann lauten jene Gleichungen gemäss der jetzt eingeführten Bezeichnung: »^12 == ^21 f Pi2 ^ P21 (122) und: (123) ^12 ~ "^21 "" " ^12 ^12 + i^i = ^ -"^12 ^12 + ^^1^21 = V=^MV ^12 ^2 "1" -^l ^^21 = U= Mu . Um das Gebiet zu finden, innerhalb dessen der Punkt mit den Coordinaten «;, u liegen muss, damit M^^ und M^^ beide positiv ausfallen, suchen wir die Grenzen dieses Gebietes auf, d. h. die Curven, welche durch die Bedingungen M^^ = und M^^ = dar- gestellt werden; zunächst die Curve: If^^ = (flüssige Masse =0). Diese Bedingung in (123) eingeführt ergibt: M^^ = M und (124) '^ = «^12 w = ^12 • Da Vjj und u^^ Funktionen emer einzigen Variabein sind, so ist durch diese beiden Gleichungen den Grössen v und u eine be- stimmte Bedingung vorgeschrieben, und diese Bedingung ergibt die gesuchte Curve, eine Grenze des gesuchten Gültigkeits- bereiches. Diese Curve geht durch die Ecke 1 des Fundamental- dreiecks, weil für die Fundamentaltemperatur «^i2~^i ^^^ ^12=^ wird. Zur Feststellung ihres weiteren Verlaufs bilden wir den Ausdruck des Differentialquotienten — -^ . Hiefür hat man : System in verschiedenen Äggregatzuständen, 151 d^ ~ [d^L lö^/] d&. 19 dvt 12 «*''12 Die mit d bezeichneten partiellen Differentialquotienten beziehen sich hier überall auf die unabhängigen Variabeln & und v. Daraus folgt nach (80) und ^24): Mittelst dieser Gleichung kann man den Verlauf der Curve (124) experimentell verfolgen, indem man &y^^ oder v^^ oder irgend eine andere geeignete Grösse als unabhängigen Parameter nimmt In gleicher Weise liefert die Bedingung M^^ = ^ (dampf- förmige Masse =0) eine andere Grenze des gesuchten Gültigkeits- bereiches durch die Curve: «^ = % w = ^21 , welche durch die Ecke 2 des Fundam^ntaldreiecks geht und der Gleichung genügt: du^i dv, ^ - ^^12 [el)^^ - Pi2 + (^\i j^ Hiebei ist davon Gebrauch gemacht, dass i^-gj = d-^^ und jOg^ =Pi2' Diese beiden Curven sind aber nichts anderes als Zweige einer und derselben Curve, da sie für den kritischen Punkt: t?j3=i;2i> iii einander übergehen, und zwar, wie eine nähere Untersuchung des Werthes von -r^ und -r^ nach § 185 lehrt ohne in diesem Punkte eine Ecke oder Spitze zu bilden. Wir können daher beide Curvenäste unter dem gemein- samen Namen „Verdampfungscurve" zusammenfassen. Dann entspricht jedem Punkt {v^^, u^^) auf dem einen Ast ein be- stimmter Punkt (vgj, Wgi) ^^f ^^^ andern Ast, insofern beiden Punkten die nämliche Temperatur &^2 = ^^21 ^^^ ^^^ nämliche Druck J0j2 = P21 zukommt Diese Zuordnung je zweier Punkte auf den beiden Aesten wird bestimmt durch die Gleichungen (122) und ist in der Fig. 4 durch die Verbindungslinien einiger solcher Punktpaare angedeutet. So entsprechen sich auch die beiden Ecken des Fundamentaldreiecks {v^, u^) und {v^, u^\ Der kritische Punkt entspricht sich selbst. Die gefundene Verdampfungscurve bildet somit die Grenze des Gültigkeitsbereiches desjenigen Theils der zweiten Lösung,. 152 Anwendungen auf spezielle OleichgewichtsTMstände. welchem die Berührung von Dampf und Flüssigkeit entspricht, und man überzeugt sich leicht aus (123), dass der Gültigkeits- bereich in den von der Curve eingeschlossenen Kaum der Zeichnungsebene fällt. Gleichwohl ist die Curve nur bis zu den Ecken 1 und 2 des Fundamentaldreiecks gezeichnet, weil, wie sich später zeigen wird, die Lösung nur bis dahin das stabile Gleichgewicht angibt. Dieser Kaum ist mit {12) bezeichnet. Ganz analog der Verdampfungscurve ergibt sich nun auch der Verlauf der „Schmelzcurve", deren beide Aeste durch die Gleichungen: und: V =^ v^^ u = u^^ dargestellt werden, und der „Sublimationscurve", für deren Aeste die Gleichungen: v = v^^' u = W31 und: V = v^^ u — u^^ gelten. Die erstere Curve geht durch die Ecken 2 und 3, die letztere durch die Ecken 3 und 2 des Fundamentaldreiecks. Die hiedurch abgegrenzten Gültigkeitsbereiche des 2. und 3. Theils der zweiten Lösung sind in der Fig. 4 mit {23) und {31) be- zeichnet. Im Uebrigen gelten alle für die Verdampfungscurve abgeleiteten Beziehungen auch hier, nur mit entsprechender Vertauschung der Lidices. Einige entsprechende Punktpaare sind wieder durch Verbindungslinien angedeutet. Für die Schmelzcurve ist auch ein kritischer Punkt gezeichnet, ent- sprechend dem Umstände, dass nach § 183 die Schmelzwärme des Eises mit fallender Temperatur um 0,64 cal. pro Grad ab- nimmt. Würde dies Verhältniss für tiefere Temperaturen nahezu ungeändert bleiben, was natürlich nur als rohe Annäherung gelten kann, so wäre bei etwa — 120^ C. die Schmelzwärme gleich Null, und es wäre dies der kritische Punkt der Schmelzcurve. Für diesen Punkt, dem ein Druck von etwa 1 7 000 Atmosphären entsprechen würde, wäre Wasser und Eis identisch, was man sich durch die Annahme vorstellen kann, dass Wasser gegen diesen Punkt hin immer zäher, dagegen Eis immer weicher wird. § 193. Nachdem so auch für die zweite Lösung der Gültigkeitsbereich festgestellt ist, ersieht man unmittelbar, dass System in verschiedenen Aggregatx/uständen, 153 für alle Punkte {v, u), welche ausserhalb der nun abgegrenzten Flächenräume liegen, nur die erste Lösung einen physikalischen Sinn ergibt, woraus folgt, dass für diese Punkte das stabile Gleichgewicht jedenfalls durch die erste Lösung (§ 170) dar- gestellt wird. Die entsprechenden Räume sind in der Fig. 4 mit (Z), {2) und (5) bezeichnet, je nachdem der betr. Zustand als gasförmig, flüssig oder fest aufgefasst wird. § 198. Es handelt sich nun um die Frage: Welcher unter mehreren Gleichgewichtszuständen, die einem gegebenen Werth- system if, v, u, also einem gegebenen Punkte der Zeichnungs- ebene entsprechen, besitzt den grössten Werth der Entropie? Da jede der drei besprochenen Lösungen einen ganz bestimmten Zustand angibt, so erhalten wir für jedes gegebene Werthen- system {M, v, u) ebensoviel Werthe der Entropie, als Lösungen für dies Werthensystem vorhanden sind. Bezeichnen wir also die den verschiedenen Lösungen entsprechenden Werthe der Entropie der Reihe nach mit S, >S' und S'\ so haben wir: Für die erste Lösung: S = M'S. (125) Für die zweite Lösung: S' ==M's' = M,, s,, + M,, s,, , (126) oder eine andere Combination zweier Aggregatzustände. Für die dritte Lösung: S" = M' s' = M^s^ + M^s^ + üfg 53 . (127) Diese Grössen sind alle vollständig bestimmt durch die gegebenen Werthe von M, v und w. Es wird sich nun nachweisen lassen, dass für jedes beliebige Werthensystem {M, v, u) stets /S"> S'> S, oder 5" > «' > s, vorausgesetzt, dass sämmtliche Massentheile positiv sind. Statt der Entropieen selber ist es bequemer, die entsprechenden mittleren spezifischen Entropieen s\ s\ s zu be- trachten, weil diese Grössen gamicht von M, sondern nur von V und u abhängen. Zur geometrischen Veranschaulichung kann man sich in jedem Punkte {v, u) die entsprechenden Werthe von s, s und s' in senkrechter Richtung zur Zeichnungsebene nach oben als Strecken aufgetragen denken, wodurch die drei Entropieflächen s, s und s' entstehen. 154 Anwendungen auf spexieUe Oleichgewichtsx/ustände, § 194. Zunächst soll gezeigt werden, dass s — s stets positiv ist, d. h. dass die Fläche s' stets oberhalb der Fläche s liegt. Während sich s direkt aus v und u nach der Definition (61) der Entropie für eine homogene Substanz ergibt, hat man zur Bestimmung des Werthes von s' die Gleichungen (126), (122) und (123). Durch dieselben wird s als von v und u allein ab- hängig dargestellt und so die Fläche s bestimmt, die im Ganzen 3 Blätter bildet, entsprechend den 3 paarweisen Gombinationen der drei Aggregatzustände. Wir beziehen uns im Folgenden zu- nächst wieder auf die Combination von Dampf und Flüssigkeit Was nun die gegenseitige Lage der beiden Flächen s und «' anbelangt, so lässt sich leicht erkennen, dass dieselben eine Curve gemeinsam haben, deren Projektion auf die Zeichnungs- ebene die Verdampfangscurve ist. Denn für irgend einen Punkt der Verdampfungscurve: v = v^^^ ^ = ^12 ^^^ ^^^ ^^ ^® erste Fläche: s = s^^, wie selbstverständlich, und für die zweite Fläche zunächst aus (123): (128) il^i=0, M,,^M und aus (126): s = s^^ . In der That fallen ja für die Punkte der Verdampfungscurve die erste und die zweite Lösung zu- sammen. Die Schnittcurve der Flächen s und s wird dargestellt durch die Gleichungen: in denen v, u, s die drei variabeln orthogonalen Coordinaten eines Punktes im Raum vorstellen, v^g, u^^, s^^ bangen ab von einem einzigen variabeln Parameter, z. B. der Temperatur ^9*12 = t^ji- Diese Curve geht auch durch den Punkt {v^ , u^ , s^) , welcher die Ecke 1 des Fundamen taldreiecks zur Projektion hat. Ein anderer Ast derselben Schnittcurve ist gegeben durch die Gleichungen: Beide Aeste treffen sich in einem Punkte, der den kritischen Punkt zur Projektion hat. Jedem Punkte des einen Astes ist ein bestimmter Punkt des andern zugeordnet, insofern beiden die nämUche Temperatur ^^^ = ^^^ und der nämliche Druck System in verschiedenen Äggregatzuständen. 155 I?i3 =P2i entspricht. So ist dem Punkte {v^, u^, s^) des ersten Astes der Punkt (Vj, u^, s^) des zweiten zugeordnet Ferner ist ersichtlich, dass die Fläche s aus lauter Geraden besteht, und dass sie auf eine Ebene abwickelbar ist Das erstere geht hervor aus der Betrachtung eines Punktes, dessen Coordi- naten die Werthe haben: X+^l*' X+^' X+^' wobei X und yi. beliebige positive Grössen sind. Für alle positiven Werthe von X und jtt erhält man nämlich hieraus alle Punkte der geradlinigen Strecke, welche die beiden zugeordneten Punkte (^12 > ^12 > ^12) ^^^ (^21» ^21* ^21) verbindet Diese Gerade liegt offenbar ganz auf der Fläche *', weil für jedes beliebige \ und jtt die entsprechenden Werthe von v, w, s die Gleichungen (123) und (126) befriedigen, wenn M^^ = A und Jfgi = V^ gesetzt wird. Also wird die Fläche s gebildet von den geradlinigen Strecken, welche je zwei zugeordnete Punkte der Schnittcurve der Flächen s und st verbinden. Eine solche Gerade der Fläche ist auch die Verbindungslinie der Punkte (vj, Wj, s^ und {^^^ Wg, «3), deren Projektion auf die Zeichnungsebene die Seite (i^) des Fundamentaldreiecks ist. Für den kritischen Punkt zieht sich diese Strecke auf einen Punkt zusammen, und hier erreicht die Fläche 8 ihr Ende. Analog verhält es sich mit den beiden andern Blättern der Fläche: das eine Blatt beginnt mit der Verbindungslinie der Punkte (vg, w^, s^ und (vg, Wg, 53), das andere mit der der Punkte (1^3, Wg, Sj) und (i?!, w^, Sj). Die Abwickelbarkeit der Fläche s ergibt sich am einfachsten aus der Betrachtung der Gleichung folgender Ebene: ^12 (^ - ^12) + («* - ^12) - ^^12 (^ - ^12) = , worin v, w, s die drei variabeln Eaumcoordinaten bedeuten, während p^gj ^12»^ ^i2> '^i2> ^12 ^^^^ (122) von einem einzigen Parameter, etwa ß-^^^ abhängen. Diese Ebene enthält erstens die zugeordneten Punkte (2;i2, u^^^ s^^ und {^^^^ u^i, «21) > ^®^ letzteren vermöge der Gleichungen (122), also auch ihre Ver- bindungsstrecke, und zweitens die unendlich benachbarten zuge- ordneten Punkte mit den Coordinaten: '^12 + ^^12* ^12 + ^"l2> ^12 + ^*12 und «?2i + dv^^, Wgj + du^^, s^^ + ds^^, 156 Anwendungen auf spexdelle Oleichgeioichtszustände, wie aus (61) folgt, also auch ihre Verbindungsstrecke. Mithin hegen zwei unendhch benachbarte Erzeugende der Fläche in einer Ebene, und die Fläche ist developpabel. Zur Feststellung des Werthes von s — « möge die Aen- derung untersucht werden, welche diese Differenz dadurch er- leidet, dass man von einem beliebigen Punkt {v, u) der Zeichnungs- ebene zu einem beUebigen unendlich benachbarten {v + Sv, u + Su) übergeht. Dabei lassen wir M = M^^ + M^i constant, was der Allgemeinheit keinen Eintrag thut, weil s und s nur von V und u abhängen. Nun haben wir durch Variation von (126): MSS = M^2 ^^12 + ^21 ^*21 + ^12 ^-^12 + ^21 ^^21 ' Femer nach (61): c du + p dv Ss = ^r—- Nun ist nach (123): (129) I M,, Sv^^ + 3/,i Sv^^ + v^^ SM^^ + v^, SM^, = MSv y Jfi2 ^«12 + Jfgi ^«21 + "la ^-^^la + '*3i ^-^1 = -^^w • Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung von (122): (130) j/ = iü+^"Ai und (131) ^(^'-«)=U.-|)^« + fe-|)^- Betrachten wir nun den Verlauf der Flächen s und s' in der Umgebung ihrer Schnittcurve, so ist aus der letzten Gleichung unmittelbar ersichtlich, dass sie sich längs dieser ganzen Curve berühren. Denn z. B. für irgend einen Punkt der Ver- dampfungscurve: v = v^^, u = u^^, dem nach (128) ein gemein- samer Punkt beider Flächen entspricht, erhalten wir natür- lich auch: (132) 1^ = 1^12, P=^P,2^ und somit 8{s — s) = 0. Um nun das Verhalten der beiden Flächen an diesen Be- rührungsstellen des Näheren zu prüfen, variiren wir die Gleichung (131) noch einmal allgemein, und wenden sie dann abermals auf dieselben Stellen an. System in verschiedenen Aggregatx/uständen^ 157 Zunächst erhalten wir allgemein: Dies ergibt für die Berührungspunkte der beiden Flächen nach (132): &'^S^[s - 5) = Su{8& - 8»^^) + Sv{&Sp^2 - &Sp -pS&^^ +pS&) oder kürzer, nach (61): &8^{s - 5) = {S& - d0^^2)Ss + {Sp^2 - Sp)Sv. (133) Nun reducüren wir alle in diesem Ausdruck vorkommenden Variationen auf die beiden einzigen d& und Sv, indem wir setzen: Nach (81): Ss = ^fS{)' + j^dv. Femer: 3p = -,^^i9' + ^8v, Es erübrigt nun noch, 8&^^ durch 8& und 8v auszudrücken. Dies geschieht durch die Gleichungen (129), welche mit Berück- sichtigung der hier eintretenden Vereinfachung (128) die Be- dingung Uefem: dui2 — ^^ Svi2 — dv Setzt man hierin noch: SO ergibt sich: '18 «*viJ 8u = c„8& + -^—8v, 5^,« = 12 rft/jj «*i2 - Wjl dVi^ d&ii Vi2 — t?2i rf^U oder, wenn man berücksichtigt, dass nach (109): ^^^^ = ^13 ^ - Pi2 (135) ^12 "" *^21 ^^ C^^12 a^i2 158 Änwendunge/n auf spezielle Gleichgewichtszustände. dass ferner nach (80): und dass du f. dp 12 ^ ^la 1 ( Q.^P \ ^«'it sowie: fl^Pn _. öp dp dvi^ d&ji d&'^ dvd&^^ 8^^<^^.^äv ^ n d V d &if 12 ~ dp ldvi^\^ C^" & '» d V Die so gefundenen Werthe der Variationen in (133) eingesetzt ergeben schliesslich für die gesuchte Variation: ^ '' d V & .dp /rf»u \2 c„—xr d V \d ^ij Dieser Ausdruck ist wesentlich positiv, da o^ seiner physikalischen Bedeutung nach stets positiv, und -^ nach § 169 für jeden Gleichgewichtszustand wesentlich negativ ist. Ein Grenzfall tritt ein, wenn d&. 12 genommen wird; dann wird P{s'—s) = 0. In diesem Falle findet die Verrückung (S&y Sv) in der Eichtung der Berührungs- curve (t9-j2, v^g) der beiden Flächen statt, lind es ist selbst- verständlich, dass dann s=^s bleibt. Hieraus folgt, dass die Fläche s' sich in der Umgebung aller BerührungssteUen mit der Fläche s über dieselbe erhebt^ oder dass s—s stets > 0, und dadurch ist bewiesen, dass die zweite Lösung der Gleichgewichtsbedingungen innerhalb ihres Gültigkeitsbereichs, also in den Gebieten [12), {23), {31) der Fig. 4 stets das stabile Gleichgewicht darstellt § 195. Auf ähnliche Weise lässt sich zeigen, dass die dritte Lösung der Gleichgewichtsbedingungen innerhalb ihres System in verschiedenen Äggregatx/uständen, 159 Gültigkeitsbereiches den Vorzug vor der zweiten hat Sind v und u gegeben, so berechnet sich der dieser Lösung entsprechende Werih der mittleren spezifischen Entropie s" eindeutig aus den Gleichungen (127) und (121). Die Grössen v^, v^, v^, w^, u^, Wg, also auch s-^, s^, s^ haben ganz bestimmte Zahlenwerthe, die sich aus den Gleichungen (120) ergeben. Zunächst ist ersichtlich, dass die Fläche s'' nichts anderes ist als das ebene Dreieck, welches gebildet wird von den Punkten (t7j, Wj, Sy), {v^, Wg, s^) und (vg, Wg, Sg), dcrcu Projektionen auf die Zeichnungsebene die Ecken des Fundamentaldreiecks sind. Denn jeder Punkt mit den Coordinaten: _ X Vi -{• fA v^ + vv^ _ Xui -h fii^ + y ^8 _ Asj + |ii Sj + y »3 ^- X-\-ii + y ' ^- X + iu + y ' ^— X + (i + y ' wobei l, fi, V beliebige positive Werthe haben, befriedigt die Gleichungen (121) und (127), da man nur if^ = A, M^ = fx, M^ = V zu setzen braucht. Diese Ebene «" hat mit den drei Blättern der abwickelbaren Fläche s' die drei geradlinigen Strecken gemeinsam, welche die Punkte {v^, w^, sj, (t;^, u^, s^) und (t?3, Wg, Sg) verbinden. In der That: Wird in den letzten Ausdrücken etwa v = angenommen, so liefern die Gleichungen (121) Jfg = 0, und die dritte Lösung fällt mit der zweiten zu- sammen, da dann: «'a = «^21 '^i = ^^12 ®*c- ) wird. Setzt man ausserdem noch ju = 0, so ergibt sich auch i^ = 0, Vy = V, Uy-=u, was ein Zusammenfallen aller drei Flächen s\ s und s bedeutet. Zur Untersuchung des Werthes von s' — s bilden wir nun wieder die Variation S{s" — s\ die durch Sv und Su bestimmt wird. Hiefür ergibt sich zunächst aus (127): M8s' = s^ SMy + s^SM^ + 5g ^ifg , (138) wobei nach (121) die Bedingungen gelten: SMj^ +SM^ + SM^ = 0, V^ S My + Vjj SM^ + Vg 5ifg = Mdvy Wj S My^ + u^ 8 M^ + Wg S M^ = MSu, Die Zurückführung des Ausdrucks (138) auf die unabhängigen Variationen Sv und Su geschieht am bequemsten dadurch, dass 160 Anwendungen auf spezielle Oleichgeunchtszvstände. man die letzte Gleichung mit -w j die vorletzte mit ^ multiplicirt, und sie dann zu (138) addirt Dann ergibt die Berücksichtigung von (120): ^ „ du + Pidv öS = r^ . Dies mit (130) verbunden ergibt für die gesuchte Variation: (139) 8is"-s')^[-l--±-)Su + [^^-^)s., wenn die Fläche s durch das Blatt {12) vertreten ist. Aus dieser Gleichung geht hervor, dass die Ebene s" das betreffende Blatt der Fläche s in der beiden gemeinsamen Geraden be- rührt. Denn für irgend einen Punkt dieser Geraden ist nach (137) &^ = &^2, p^ =Pi2i so dass S{s" — /) verschwindet. Die Ebene s' ist also gemeinsame Tangentialebene zu allen drei Blättern der Fläche s, und die Berührungscurven sind die drei Geraden, welche das ebene Dreieck s" begrenzen. Für einen der Berührungspunkte haben wir nun aus (139) durch aber- malige Variation, da &^ und p^ absolute Constante sind : s'is" - s') = ^' ^M + [^^ - *J;') Sv, oder: (140) &^^S\s" - s) = \^8u - (&^ ^^^p)^§v]^ S&,,. Nun folgt aus (129) durch Elimination von SM^^ und SM^^: ifi, ö Vi2 + -Mit dv^i — Mdv M^^ d Wj, + M^ du^ — Möu V. 12 ^21 ^2 — ^21 oder mit Rücksicht auf (135) und (134): + M, 21 d& 4t- 4"-''^^'^'m x%-J duii Dieser Ausdruck in (140) substituirt und zugleich -r^, analog d& 12 du 21 18 , nach (136) durch seinen Werth ersetzt, ergibt schliesslich: d& System in verschiedenen Aggregatxuständen, 161 Diese Grösse ist wesentlich positiv, da sowohl M^^ und M^^, als auch c^ stets positiv, dagegen ^ stets negativ ist Ein Grenzfall tritt dann ein, wenn man Sü'^^=0 nimmt, d. h. wenn man in der Richtung der Berührungslinie der Flächen s' und s' fortgeht, wie es von vorneherein klar ist Daraus folgt also, dass das Ebenenstück «" sich in allen seinen Punkten über die Fläche s' erhebt, oder dass s"— s niemals negativ wird, und damit ist bewiesen, dass die dritte Lösung der Gleichgewichts- bedingungen innerhalb ihres Gültigkeitsbereiches, also innerhalb des Fundamentaldreiecks der Substanz: {123) das stabile Gleich- gewicht darstellt § 196. Wir sind nun im Stande, die oben im § 165 be- treffs des stabilen Gleichgewichts gestellte Frage allgemein zu beantworten: Ist die Gesammtmasse M, das Gesammtvolumen V und die Gesammtenergie U des Systems gegeben, so wird der entsprechende stabile Gleichgewichtszustand bestimmt durch die V ü Lage des Punktes, dem die Coordinaten v = ^ und u — ^j " MM angehören, in der Zeichnungsebene der Fig. 4. Fällt nämlich erstens dieser Punkt in eins der Gebiete (i), {2), (3), so verhält sich das System ganz homogen, im gas- förmigen, flüssigen oder festen Aggregatzustand. Fallt der Punkt zweitens in eins der Gebiete {12), {23), {31), so zerfällt das System in zwei verschiedene Aggregatformen, wie sie durch die Indices des betreffenden Gebietes angegeben werden. Hiedurch ist aber auch sowohl die gemeinsame Temperatur, als auchr die Werthe der beiden heterogenen Massentheile vollständig bestimmt Denn nach (123) liegt der Punkt {v, u) auf der geradlinigen Verbindungsstrecke zweier zugeordneter (§191) Punkte derCurve, welche das betreffende Gebiet begrenzt; man ziehe also durch den gegebenen Punkt {v, u) diejenige Gerade, welche aus den beiden Aesten jener Curve zwei zugeordnete Punkte ausschneidet Diese beiden Punkte geben dann die Beschaffenheit der beiden Aggregat- formen an, in die sich das System spaltet; sie haben natürlich gleiche Temperatur und gleichen Druck. Die Grössen der Massentheile selber ergeben sich ebenfalls aus (123): ihr Quotient ist gleich dem Verhältniss, in welchem der Punkt {v, u) die Verbindungsstrecke der beiden zugeordneten Punkte theilt. Planck, Thermodynamik. 11 162 Anwendungen auf spezielle Oleiehgetvichtszustände, Wenn der gegebene Punkt drittens in das Gebiet des Fundamentaldreiecks (123) hineinfällt, wird das stabile Gleich- gewicht durch eine Spaltung des Systems in alle drei Aggregat- zustände bezeichnet, bei der Fundamentaltemperatur und unter dem Fundamentaldruck. Es bleibt dann nur noch übrig, die Massen der einzelnen heterogenen Theile des Systems zu be- stimmen, und dies geschieht durch die Gleichungen (121 a), aus denen hervorgeht, dass die Massentheile sich verhalten wie die Flächen der drei Dreiecke, welche der Punkt {v, u) mit je einer Seite des Fundamentaldreiecks bildet So kann man in jedem einzelnen Falle die Bestimmungs- stücke des stabilen Gleichgewichts finden, vorausgesetzt, dass das Fundamentaldreieck und die Verdampfungs-, Schmelz- und Sublimationscurve für die betreffende Substanz ein für aUe Mal gezeichnet sind. Zur besseren Uebersicht der Verhältnisse könnte man der Figur noch diejenigen Curven beifügen, welche Stellen gleicher Temperatur oder gleichen Drucks miteinander verbinden. In den Gebieten {12), (23), {31) fallen die isothermischen mit den isopiestischen Linien zusammen in die geradlinigen Ver- bindungsstrecken je zweier zugeordneter Punkte der Begrenzungs- curven, das Gebiet {123) stellt selber eine singulare Isotherme und Isopieste vor. Dann erhält man z. B. für Wasser das Resultat, dass Eis im stabilen Gleichgewicht unter keinerlei um- ständen eine höhere Temperatur als die Fundamentaltemperatur (0,0074^ C.) annehmen kann, also auch nicht, wenn der Druck noch so sehr erniedrigt werden sollte, während flüssiges Wasser bei geeignetem Druck auf beliebig hohe und tiefe Temperatur gebracht werden kann, ohne zu verdampfen oder zu gefrieren. Sodann lässt sich auch die Frage direkt beantworten, welche Zustände ein Körper durchmacht, wenn man ihn einer Anzahl von bestimmten äusseren Veränderungen der Reihe nach unter- wirft. So z. B. erfährt man das Verhalten eines Körpers mit der Masse M, der bei constantem Volumen V abgekühlt oder erwärmt wird, durch die Betrachtung der Geraden v = rjr^, Ja. welche der Ordinatenaxe parallel läuft. Die Gebiete nämlich, welche diese Gerade durchschneidet, geben an, welche Zustände der Körper in diesem Falle durchmacht, also z. B. ob er im Laufe des Prozesses schmilzt, oder ob er direkt sublimirt, u. s. w. Sy^iefm von beliebig vielen unabhängigen Besixmdtheüen. 168 III. Capitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen. § 197« Im f^olgenden untersuchen wir ganz allgemein das Gleichgewicht eines aus verschiedenen räumlich aneinander- grenzenden Theilen bestehenden Systems, welches, im Gegensatz zu dem im vorigen Capitel behandelten, aus beliebig vielen un- abhängigen Bestandtheilen zusammengesetzt sein kann. Jeden der räumlich aneinandergrenzenden Theile des Systems setzen wir als physikalisch homogen (§ 67) voraus, und nennen ihn nach Gibbs eine „Phase" des Systems- So bildet eine Wassermenge, welche sich theils im gasförmigen, theils im flüssigen, theils im festen Aggregatzustand befindet, ein System von drei Phasen. Von vorneherein ist sowohl die Anzahl der Phasen als auch ihr Aggregatzustand ganz beliebig. Doch lässt sich sogleich erkennen, dass ein im Gleichgewicht befindliches System zwar beliebig viele feste und flüssige, aber nur eine einzige gasförmige Phase be- sitzen kann; denn zwei verschiedene frei aneinandergrenzende Gase befinden sich niemals miteinander im Gleichgewicht. § 198. Ausser der Zahl der Phasen ist für das System charakteristisch die Zahl seiner „unabhängigen Bestandtheile'^; von ihr hängen die wesentlichsten Eigenschaften des Gleichgewichts ab. Die Zahl der unabhängigen Bestandtheile eines Systems definiren wir in folgender Weise: Man bilde zunächst die Zahl sämmtlicher im System vorhandener chemisch einfachen Stoffe (Elemente) und scheide dann aus dieser Eeihe diejenigen Stoffe als abhängige Bestandtheile aus, deren Menge durch die der übrigen Stoffe in jeder Phase von vorneherein bereits mitbestimmt ist; die Zahl der übrig bleibenden Stoffe ist die Zahl der un- abhängigen Bestandtheile des Systems. Welche von den Be- standtheilen des Systems man als unabhängige, und welche man als abhängige Bestandtheile ansehen will, ist im Uebrigen gleich- gültig, da es hier nur auf die Anzahl, nicht auf die Art der unabhängigen Bestandtheile ankommt. Mit der chemischen Constitution der einzelnen Stoffe in den verschiedenen Phasen des Systems, insbesondere mit der Zahl der verschiedenen Molekülarten, hat die Frage nach der Anzahl der unabhängigen Bestandtheile gamichts zu thun. Eine 11* 164 Anwendungen auf spexielle Oleichgetoichtszustände. Wassermenge in beliebigen Aggregatzuständen bildet z. B. immer einen einzigen unabhängigen Bestandtheil^ mögen noch so viele und verschiedenartige Associationen und Dissociationen der H3O -Moleküle, sei es in Knallgas oder in Ionen, vorkommen. Denn die Masse des Sauerstoffs ist durch die des Wasserstoffs, oder umgekehrt, in jeder Phase von vorneherein bereits mit- bestimmt. Nur wenn etwa im Dampfe Sauerstoff oder Wasser- stoff im Ueberschuss vorhanden ist, tritt ein zweiter unabhängiger Bestandtheil hinzu. Eine wässerige Lösung von Schwefelsäure bildet ein System von drei chemisch einfachen Stoffen: S, H, 0, aber nur von zwei unabhängigen Bestandtheilen, da die Masse des '0 durch die von S und von H in jeder Phase (z. B. flüssige Lösung, Dampf, Eis) von vorneherein mitbestimmt ist, während S und H sich nicht in jeder Phase von vorneherein gegenseitig bestimmen. Ob nun in der Lösung sich das Molekül HgSO^ irgendwie dissociirt oder ob sich Molekülcomplexe oder Hydrate bilden oder nicht, ändert an der Zahl der unabhängigen Bestandtheile des Systems nichts. § 199. Bezeichnen wir die Zahl der unabhängigen Be- standtheile eines Systems mit a, so ergibt sich aus der für diese Zahl aufgestellten Definition unmittelbar, dass jede Phase des Systems im Gleichgewichtszustand bestimmt ist durch die Masse eines jeden der a in ihr enthaltenen unabhängigen Bestand- theile, und ausserdem durch die Temperatur & und den Druck ^. Dabei nehmen wir der Gleichförmigkeit halber an, dass ein jeder der a unabhängigen Bestandtheile in jede Phase des Systems mit einer gewissen Menge eingeht, welche in speziellen Fällen auch verschwindend klein sein kann. Die Wahl der Temperatur und des Druckes als unabhängige Variable bedingt in der Form der folgenden Gleichungen eine gewisse Abweichung von denen des vorigen Capitels, wo neben der Temperatur das spezitische Vo- lumen als unabhängige Variable diente. Doch ist hier die Ein- führung des Drucks bequemer, weil derselbe im Gleichgewichts- zustand allen frei aneinandergrenzenden Phasen des Systems •gemeinsam ist und deshalb auch in der Regel leichter gemessen werden kann. § 200. Wir denken uns nun die Gesammtmassen der ä unabhängigen Bestandtheile des Systems: M^y M^, . . , Ma als System van beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen. 165 gegeben und fragen nach dem thermodynamisclien Gleichgewicht. Von den verschiedenen früher für ein beliebiges System auf- gestellten Formen der Gleichgewichtsbedingung benutzen wir hier am besten diejenige, welche in der Gleichung (79) aus- gesprochen ist: J0 = O, (141) gültig für jede beliebige mit den gegebenen Bedingungen ver- trägliche Zustandsänderung, bei der die Temperatur & und der Druck p ungeändert bleiben. Dabei ist die Funktion durch die Entropie S, die Energie U und das Volumen F des Systems nach (75) in folgender Weise bestimmt: § 201. Nun sei ß die Anzahl der Phasen des Systems; dann besteht die Funktion Ä, ebenso ü, V und in Folge dessen auch aus einer Summe von ß Gliedern, deren jedes sich auf eine -einzelne Phase, also auf einen physikalisch homogenen Körper bezieht: 0)= «/+ 0"+ ... +0) , (142) wenn wir, wie immer im Folgenden, die verschiedenen Phasen durch beigesetzte Striche von einander unterscheiden. Dabei ist für die erste Phase: (p' =.S -- ^' Y ^' . (143) Sj Tfj V und 0' sind vollständig bestimmt durch &, p und die Massen M^', M^\ . . . J/« der in der Phase enthaltenen un- abhängigen Bestandtheile. Ueber die Art der Abhängigkeit von den einzelnen Massen lässt sich von vornherein nur so viel sagen, dass, wenn alle Massen in einem bestimmten Verhältniss verändert, z. B. verdoppelt werden, auch jede der obigen Funk- tionen sich in demselben Verhältniss verändert. Denn bei der genannten Veränderung bleibt die innere Beschaffenheit der Phase constant, nur ihre Gesammtmasse ändert sich, und zwar gerade in dem angenommenen bestimmten Verhältniss, und eben dieser Gesammtmasse proportional wächst die Entropie, die Energie und das Volumen, und daher auch die Funktion 0'. Mit anderen Worten: 0' ist eine homogene Funktion ersten 166 Anwendu/ngen auf spexdelle Oleickgewiohtsxitstände. Grades der Massen Jf/, M^\ . . . Ma, die natürlich nicht linear zu sein braucht. Um dies analjrtisch auszudrücken, lassen wir alle Massen sich in dem VerhäJtniss 1 +6 vergrössern, wobei c eine sehr kleine Zahl ist. Dann sind alle Aenderungen sehr klein, und man erhält für die entsprechende Aenderung von 0': Aber nach der Voraussetzung ist: Folglich: Diese EüLEE'sche Gleichung lässt sich durch Differentiation noch in verschiedene andere Formen bringen. Die in ihr vor- kommenden Differentialcoeffizienten ^i^, ^rr7, . . . hängen offenbar nur von der inneren Beschaffenheit der Phase, nicht von ihrer Gesammtmasse ab, da sich bei einer entsprechenden Veränderung in ihnen Zähler und Nenner in gleichem Verhält- niss ändert. Was für die erste Phase gilt, lässt sich ohne Weiteres auf jede andere Phase übertragen. § 202. Mit Benutzung von (142) lautet nun die Gleichge- wichtsbedingung : (145) d' + 8ß = oder, da Temperatur und Druck nicht variirt werden: 1^ SM' + ^^-SM.' + + -^-^ SM' + (146) +A^Jif/+A^-Jjf/+ ... +^^SMj^O. ^ ^ dM^ ^ dM/ ^ dMj System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen. 167 Wären die Variationen der Massen ganz beliebig, so würde diese Gleichung nur dann erfüllt, wenn sämmtliche Coeffizienten der Variationen einzeln gleich Null wären. Nun aber besteht zwischen diesen nach § 200 die Bedingung, dass: M^ = Jf/ + if/'+ ... + m/ J£j = if^' + ^" + • • • +^ ß (147) M^ = M^+M,"+ ... + m/ also bei irgend einer möglichen Veränderung des Systems: = 8M^' + dM^" + . . . + SM^^ {) = dM^ + 8M^'+ ... +8M^^ (148) = J Ma + 8Ma"+ ... +8 MJ Daraus folgt als nothwendige und hinreichende Bedingung für das Verschwinden des Ausdrucks (146): d0' 80 BM^'^ d Ml" dM/ 6 0' Ö0" 60^ d M^ d M." dM/ d0^ 6 0" ö = 0. (151) Nun ist: ß wobei das Zeichen 2 ^® Summirung über alle ß Phasen des Systems bedeuten soU, während die Summirung über die cc un- abhängigen Bestandtheile einer einzelnen Phase besonders aus- geschrieben ist. Oder nach (150): ß d = —^d{)'---dp+2jjw^^' ^^Tw^^ ■*"••• Folglich geht die Gleichgewichtsbedingung (151) über in: ß ^I^^d&^-dp + 2jdM,Sj^+dM,Sjj^+...==0. {'^^) Es fallen nämlich alle von der Variation der Differentiale d&, dp, dM^', dM^', . . . herrührenden Glieder weg: die ersten beiden, weil SO- = und Sp = 0, alle übrigen, weil in der Gesammt- summe: + + l^SdMJ +-^ SdMJ + ..., jede Vertikalkolumne für sich verschwindet. Denn z. B. für die erste Kolumne ist nach (149): 6 0^ 6 0" _ 6 0^ und ausserdem ist nach (148): 8dM^ -h 8dM^' + . . . + SdM^^ ^d{8M^' + 8M^" + ... ^-r' ^^ Setzen wir also zur Abkürzung: eine Grösse, die nur von der inneren Beschaffenheit der ersten Phase, also von fh, p und c, nicht aber von den Massen M' und Jf^' einzeln abhängt, so ergibt sich: (166) Ö«0' ¥ d M^ d M^' 3f/ ö« 0' ^ _ J^ System von beliebig vielen unabhängigen- Bestandtheüen, 183 Ganz dieselben Gleichungen gelten, bei EinführuDg der ent- sprechenden Grösse: für die zweite Phase. § 317. Von den beiden Grössen y' und y" lässt sich von vorneherein nur über das Vorzeichen etwas aussagen. Denn nach § 147 ist im stabilen Gleichgewicht ein Maximum^ so- fern man nur Vorgänge bei constanter Temperatur und con- stantem Druck in Betracht zieht, d. h. S^0 + oder < o'), je nachdem der Dampfdrück p mit wachsender Concentration dieses Bestand- theils zu- oder abnimmt. Dies ergibt sich unmittelbar aus (172), wenn man berücksichtigt, dass (p\ sowie s^, «^ '^^^ ^' immer positiv ist. Die Gleichung (173) lehrt, dass längs einer Isotherme die Concentrationen c und c" beider Phasen sich immer in gleichem Sinne ändern, § 320. Wir wollen uns bei den folgenden Anwendungen auf den speziellen Fall beschränken, dass der zweite Bestand- theil nur in -der ersten Phase vorhanden ist: c'=0 und daher auch e^c"=0. (174) Den ersten Bestandtheil, welcher in der ersten Phase mit dem zweiten vereinigt, in der zweiten Phase rein enthalten ist, wollen wir hier als das „Lösungsmittel", den zweiten als den „gelösten Stoff" bezeichnen, (Vgl. dagegen unten § 249). Durch (174) wird die Gleichung (171) identisch erfüllt, und von (170) bleibt übrig: "^^dfh - ^dp-tfdc = ^, (175) 186 Änioendimgen auf spezielle Gleichgewichtszustände. wenn wir der Einfachheit halber bei r^ und s^ den Index 1, und bei q>' und c' den Strich fortlassen. Nehmen wir zunächst eine Lösung eines nichtflüchtigen Salzes in Berührung mit dem Dampf des Lösungsmittels. Wir wollen die Gleichung (175) nach drei Kichtungen betrachten, je nachdem wir die Concentration c der Lösung, die Temperatur xJ-, oder den Druck p constant halten, und die Abhängigkeit der beiden übrigen Grössen voneinander betrachten. § 221. Constante Concentration. dc = 0. Die Abhängigkeit des Dampfdruckes von der Temperatur ist nach (175): ("«) (ff) -5^.- Hiebei kann man r kurz bezeichnen als die Verdampfungswärme der Lösung. Fasst man sie nicht, wie in (169) gefordert wird, als Verhältniss zweier unendlich kleiner Grössen auf, sondern bezieht sie direkt auf die Masseneinheit des Lösungsmittels, so muss man sich die Menge der Lösung so gross denken, dass ihre Concentration durch den Austritt der Masseneinheit des Lösungsmittels nicht merklich geändert wird, s kann man ge- wöhnlich einfach gleich dem Volumen der Masseneinheit des Dampfes: v setzen. Nimmt man ausserdem für diesen das BoYiiE- Gat LussAc'sche Gesetz als gültig an, so ergibt sich: (177) s=v = ^^ ^ ' m p und aus der letzten Gleichung: m \ d& Je r ist zugleich auch umgekehrt die Wärmemenge, welche nach Aussen abgegeben wird, wenn sich die Masseneinheit des dampf- förmigen Lösungsmittels bei constantem & und p mit einer grossen Quantität der Lösung von der Concentration c vereinigt. Statt die Vereinigung direkt vorzunehmen, kann man auch die Masseneinheit Dampf zunächst isoUrt zum flüssigen reinen Lösungsmittel condensiren und dann damit die Lösung verdünnen. Nach dem ersten Hauptsatz der Wärmetheorie ist, wenn in beiden Fällen der Anfangszustand und der Endzustand des Systems derselbe ist, auch die Summe der vom System im System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen, 187 Ganzen abgegebenen Wärme und Arbeit in beiden Fällen die gleiche. Im ersten Fall haben wir für die Summe* der nach Aussen abgegebenen Wärme und Arbeit: r — pv = —iS-^i ^^^ ] —pv. Im zweiten Falle haben wir, wenn wir genau ebenso verfahren, wie in § 215 beschrieben wurde, als Summe der bei der Conden- sation und der darauf folgenden Verdünnung nach Aussen ab- gegebenen Wärme und Arbeit: wobei Pq der Druck, Vq das spezifische Volumen des bei der Temperatur & über reinem Lösungsmittel befindlichen Dampfes, J die Verdünnungswärme der Lösung bezeichnet, d. h. die Wärme- tönung (frei werdende Wärme) beim Zusatz der Masseneinheit des flüssigen Lösungsmittels zu einer grossen Quantität der Lösung von beliebig gegebener Concentration c. Da nun nach dem ersten Hauptsatz der Wärmetheorie die letzten beiden Aus- drücke gleich sind, so erhalten wir, mit Rücksicht auf das BoTLB'sche Gesetz: die EiECHHorr'sche Formel für die Verdünnungswärme. Die im Laufe der Rechnung eingeführten Vernachlässigungen, die darauf beruhen, dass der Dampf als ideales Gas und sein spezifisches Volumen gross gegen das der Flüssigkeit angenommen ist, lassen sich nöthigenfalls leicht ergänzen. Die Aehnlichkeit des Ausdrucks für die Verdünnungswärme J mit dem oben aufgestellten Ausdruck (161) für die Sättigungs- wärme X der Masseneinheit des Lösungsmittels mit dem festen Salz ist nur eine äusserliche, weil es sich hier um eine Lösung von ganz beliebiger Concentration handelt und demgemäss auch die Differentiation nach der Temperatur bei constantem e aus- zuführen ist, während dort die Concentration der mit Salz ge- sättigten Lösung sich mit der Temperatur in bestimmter Weise mitändert § 222. Da bei kleinen Werthen von c (verdünnte Lösung) die Verdünnungswänne J klein ist (§ 97), so wird nach (178) 188 Anwendungen auf spezielle Oleiehgetoichtszustände. für eine verdünnte Lösung von bestimmter Concentration das Verhältniss des Dampfdrucks p zu dem Dampfdruck über reinem Lösungsmittel p^ merklich unabhängig von der Temperatur (Gesetz von Babo). § 223. Constante Temperatur. d& ==0. Die Abhängigkeit des Dampfdrucks p von der Concentration der Lösung ist nach (175): und, wenn man das spezifische Volumen der Flüssigkeit gegen das des Dampfes vernachlässigt und letzteren als ideales Gas mit dem Molekulargewicht m betrachtet, nach (177): \d c)^ mp q> oder: ( d \ogp \ _ m \ de )^ R^' Da (p nach § 217 nothwendig positiv, so nimmt mit steigender Concentration der Lösung der Dampfdruck immör ab. Dieser Satz liefert u. A. ein Mittel zur Entscheidung der Frage, ob eine bestimmte Flüssigkeit wirklich eine Lösung oder etwa nur eine Emulsion des einen Bestandtheils in dem andern bildet. Ln letzteren Falle hat die Anzahl der in der Flüssigkeit suspendirten Theile gar keinen Einfluss auf den Dampfdruck. Näheres lässt sich im Allgemeinen, so lange die Grösse qp nicht genauer bekannt ist, über die Abhängigkeit der Dampf- spannung von der Concentration nicht sagen. § 234. Für c = (reines Lösungsmittel) sei wieder p = p^. Dann ist flir einen kleinen Werth von c p nur wenig von p^ verschieden, und man kann setzen: ^P __ P - Po _, P - Po ^ de e — c ' Folglich nach (179): (180) p^^p^^. Setzt man wieder für s nach (177) das spezifische Volumen des als ideales Gas angenommenen Dampf es, so ergibt sich: /iöi\ Po - P omq> System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen. 189 d. h. die relative Dampfspannungsemiedrigung ist proportional der Concentration der Lösung (Gesetz von Wüllner). Weiteres siehe § 270. § 235. Constanter Druck, dp = 0. Die Abhängigkeit der Temperatur (Siedetemperatur) von der Concentration ist nach (175): Da (p positiv, so wird die Siedetemperatur bei steigender Con- centration erhöht. Durch Vergleich mit der Formel (179) flir die Abnahme des Dampfdruckes ergibt sich flir eine beliebige Lösung: ( d& \ (dp\ _ &8 [de)/[de)^^ r ' d. h. bei einer unendlich kleinen Vergrösserung der Con- centration verhält sich die Zunahme der Siedetemperatur (bei constantem Druck) zu der Abnahme des Dampfdruckes (bei constanter Temperatur) wie das Produkt der absoluten Tempe- ratur und des spezifischen Dampfvolumens zu der Verdampfungs- wärme der Lösung. Bedenkt man, dass dieses Verhältniss der der Gleichung (6) ganz analogen Identität genügt: (d±\ (dp) __ (d^\ SO kommt man unmittelbar zur Gleichung (176) zurück. § 326, Für c = sei d^ = &^ (Siedepunkt des reinen Lösungsmittels), dann wird für kleine Werthe von c & nahezu = &Qy und man kann setzen: Te ^ c - "~ c ' wodurch die Gleichung (182) übergeht in: ^-^o^'^^. (183) d. h. die Siedepunktserhöhung ist proportional der Concentration der Lösung. Weiteres siehe § 269, § 337. Betrachten wir weiter den Fall, dass die zweite Phase das reine Lösungsmittel nicht im dampfförmigen, sondern im festen Aggregatzustand enthält, wie das z. B. beim Gefrieren 190 Anwendungen auf spexidle Oleichgetmchtszu^tände. einer wässrigen Salzlösung oder beim Ausfällen von Salz aus gesättigter Lösung eintritt. Im letzteren Falle müssen wir nach den Festsetzungen in § 220 als ersten Bestandtheil das Salz, als zweiten Bestandtheil das Wasser rechnen, und das Salz als Lösungsmittel, das Wasser als gelösten StoflF bezeichnen. Dann ist in jedem Falle die Gleichung (175) ohne Weiteres anwendbar, und lässt sich auch hier wieder nach drei Richtungen behandeln, je nachdem man untersucht, in welcher Weise sich der Gefrier- punkt bez. Sättigungspunkt einer Lösung von bestimmter Con- centration mit dem Druck ändert (de = 0), oder wie der Druck zu ändern ist, damit eine Lösung von geänderter Concentration bei der nämlichen Temperatur gefriert bezw. gesättigt ist [dß- = 0) oder endlich, wie sich der Gefrierpunkt bez. Sättigungspunkt einer Lösung unter bestimmtem äusseren Druck mit der Con- centration ändert {dp = 0). Für den letzten, als den wichtigsten Fall erhalten wir aus (175), wenn wir zugleich zum Unterschied gegen die Siedetemperatur die Gefriertemperatur bez. Sättigungs- temperatur als Funktion der Concentration mit ß-' bezeichnen: m.- p wobei r hier die Wärme bedeutet, welche von Aussen aufge- nommen wird, wenn aus einer grossen Quantität Lösung von der Concentration e die Masseneinheit des Lösungsmittels (Eis, Salz) ausfällt Da diese Wärmemenge häufig negativ ist, so setzen wir r = — r und bezeichnen r' als die „Gefrierwärme" der Lösung bez. als die „Fällungswärme" des Salzes. Es ist die Wärmetönung (frei werdende Wärme) beim Ausfällen des Lösungs- mittels aus der Lösung. Dann ist ('«<) (^) - - p Die Gefrierwärme r einer Salzlösung ist immer positiv; daher sinkt der Gefrierpunkt &' der Lösung stets mit wachsendem Salzgehalt c. Andrerseits: wenn die Fällungswärme r' eines Salzes aus einer Lösung positiv ist, so sinkt der Sättigungspunkt i?*' der Lösung mit wachsendem Wassergehalt e der Lösung, d. h. er steigt mit wachsendem Salzgehalt. Im entgegengesetzten Fall sinkt der Sättigungspunkt mit wachsendem Salzgehalt Will man bei einer mit Salz gesättigten Lösung nicht den Wasser- gehalt, sondern den Salzgehalt der Lösung mit c bezeichnen, so System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheüen, 191 hat man nach der von c in (162) und nach der von q> in (165) aufgestellten Definition in der letzten Formel statt c nur zu schreiben: — , und statt cp zu schreiben: c(p, wodurch dieselbe übergeht in: Hier haben nun c und (p dieselbe Bedeutung wie in der auf den Gefrierpunkt einer Lösung bezüglichen Formel (184). § 328. Für = sei !?• = &q (Gefriertemperatur des reinen Lösungsmittels). Dann wird für kleine Werthe von c ß-' nahezu = d-Q und man kann setzen: de ~ c-O "" c ' so dass die Gleichung (184) übergeht in: *o'-*'=^. (186) d. h. die Gefrierpunktsemiedrigung ist proportional der Con- centration. Weiteres siehe § 271. § 339. Da die hier überall vorkommende positive Grösse cp für eine Lösung von bestimmtem c, & undjo einen ganz bestimmten Werth hat, insbesondere unabhängig ist von der Beschaffenheit der zweiten Phase, so sind durch die letzten Formeln die Ge- setze der Dampfdruckemiedrigung, Siedepunktserhöhung, Gefrier- punktsemiedrigung und Sättigungspunktsveränderung auf all- gemeine Weise mit einander verknüpft, und man braucht nur eine einzige dieser Erscheinungen für eine Lösung messend zu ver- folgen, um mit Hülfe des daraus berechneten Werthes von qp die übrigen für die nämliche Lösung ableiten zu können. Wir wollen nun noch einen weiteren Fall betrachten, in welchem die nämliche Grösse qp wiederum eine charakteristische Bedeutung besitzt, nämlich den Gleichgewichtszustand, der ein- tritt, wenn neben der flüssigen Lösung sich das reine Lösungs- mittel weder im dampfförmigen, noch im festen, sondern ebenfalls im flüssigen Zustand befindet, aber nicht frei angrenzend, weil sonst kein Gleichgewicht möglich sein würde, sondern von der Lösung getrennt durch eine Wand, welche nur für das Lösungs- mittel, nicht aber für den gelösten Stoff durchlässig ist. Der- 192 Anv)€ndimgen auf spezielle Oleic/igetoichtsz/ustände, artige „semipermeable" Wände sind zwar für keine einzige Lösung mit absoluter Vollkommenheit herzustellen, ja sie sind sogar dui'ch die später entwickelte Theorie (§ 259) principiell ausgeschlossen, da der gelöste Stoff unter allen Umständen mit endlicher, wenn auch in gewissen Fällen äusserst geringer Ge- schwindigkeit durch die Substanz der Wand hindurchdiffundiren wird. Aber es kommt hier auch nur allein darauf an, dass man, ohne ein Gesetz der Thermodynamik zu verletzen, die Diffusions- geschwindigkeit des gelösten Stoffes durch die Wand gegen die- jenige des Lösungsmittels beliebig klein annehmen darf, und diese Annahme wird dadurch gerechtfertigt, dass sich in der Natur die Eigenschaft der Semipermeabilität für manche Sub- stanzen in praktisch überaus grosser Annäherung verwirklicht findet. Der Fehler, den man dadurch begeht, dass man die Diffusionsgeschwindigkeit des gelösten Stoffes durch die Wand direkt gleich Null setzt, sinkt daher hier ebenso unter alle mess- baren Grenzen herab, wie etwa der ganz ähnliche Fehler, der in der von uns oben gemachten Voraussetzung liegt, dass ein Salz absolut nicht aus der Lösung verdampft oder ausfriert; denn auch diese Annahme ist streng genommen unzulässig (§ 259). Die Bedingung, dass zwei Phasen, die von einander durch eine semipermeable Wand getrennt sind, sich im Gleichgewicht befinden, ergibt sich leicht aus der allgemeinen thermodynami- schen Gleichgewichtsbedingung. Sie lautet, ebenso wie in Gleichung (145): (187) 5a>' + 5a>" = o, gültig für jede virtuelle Zustandsänderung, bei der die Tempe- ratur und der Druck in jeder Phase ungeändert bleibt Der einzige Unterschied gegen den Fall freier Berührungsflächen ist der, dass hier, bei der Anwesenheit einer trennenden Wand zwischen beiden Phasen, der Druck in der zweiten Phase: p" ein anderer sein kann als der in der ersten: 7?', wobei unter „Druck" schlechthin, wie immer, der gewöhnliche hydrostatische, manometrisch wirksame Druck zu verstehen ist. Der Nachweis für die Gültigkeit obiger Gleichgewichts- bedingung findet sich unmittelbar, wenn man von der allgemeinen Gleichung (76) ausgeht und dort anstatt der Gleichung (78) für die äussere Arbeit den Werth: A= ^p'dV -'p"SV' System von beliebig ^vielen unabhängigmh Bestandiheüen. 193 einsetzt. Die weiteren Folgerungen aus (187) schliessen sich ganz den oben für eine freie Berührungsfläche abgeleiteten an. Zunächst haben wir, entsprechend der Gleichung (163), für irgend eine Verschiebung des Gleichgewichts: -d&^—dp --^dp +dM, S^^. + dM, Sj^, + . . . = und weiter, unter Berücksichtigung des ümstandes, dass der Bestandtheil 2 nur in der ersten Phase vorkommt, anstatt der Gleichung (175) die folgende: !_ rf ,9- - ^ rf/-'^' dp" ~-(fdc = 0. (188) Hier ist, wie in § 221, r die „Austrittswärme" des Lösungs- mittels aus der Lösung, d. h. die Wärmemenge, welche von Aussen zuzuführen ist, wenn bei constanter Temperatur iS- und bei Constanten Drucken y und p" die Masseneinheit des Lösungs- mittels aus einer grossen Quantität der Lösung durch die semi- permeable Wand in das reine Lösungsmittel übergeht. Femer ist s die bei demselben Vorgang eintretende Volumenänderung def Lösung (negativ), /' diejenige des angrenzenden Lösungs- mittels (positiv). In der Gleichgewichtsbedingung (188) sind also von den vier Variabein &, p', p'\ c drei willkührlich und erst die vierte dadurch bestimmt Nehmen wir zunächst den Druck p' im reinen Lösungs- mittel als gegeben und unveränderlich an, etwa als den Druck einer Atmosphäre, so haben wir dp" = Q, Setzen wir femer di9' = und de von Null verschieden, d. h. betrachten wir Lösungen verschiedener Concentration bei der nämlichen Tempe- ratur und bei dem nämlichen Druck im angrenzenden reinen Lösungsmittel, so ergibt sich aus (188): ( dp' \ _ &g> Da nun y >0 und s'<0, so wächst mit steigender Concentration c der Druck p' im Innern der Lösung. Man bezeichnet die Differenz der Drucke in beiden Phasen: p —p = F als den „osmotischen Druck" der Lösung. Da nun p" oben als constant angenommen ist, lässt sich schreiben: Planck, Thermodynamik. 13 194 Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. Somit sind auch die Gesetze des osmotischen Druckes auf die nämliche Grösse (p zurückgeführt, welche die Gesetze der Dampfspannungserniedrigung, Siedepunktserhöhung u. s. w. be- dingt. Da (p positiv, so wächst der osmotische Druck mit steigender Concentration. Da aber die Differenz p' — p' für c = nothwendig verschwindet, so ist daher der osmotische Druck immer positiv. Für kleine Werthe von c ist: öP_ P- _ P de e — c und — s nahezu gleich dem spezifischen Volumen der Lösung. Daraus folgt nach (189): (190) p^^^9> V wenn man mit v das spezifische Volumen der Lösung bezeichnet Weiteres siehe § 272. § 380. Wir haben für verschiedene den Bedingungen des § 220 entsprechende Systeme die Gesetze des Gleichgewichts auf eine einzige für das thermodynamische Verhalten einer Lösung charakteristische Grösse (p zurückgeführt. Es bietet keine Schwierigkeit, die entsprechenden Sätze auch für den Fall ab- zuleiten, dass die gelöste Substanz auch in der zweiten Phase enthalten ist. Man hat dann von den beiden Gleichungen (170) und (171) auszugehen, und findet die einzelnen Beziehungen durch die beiden Grössen qp' und qp" bedingt. Zu einer näheren Kenntniss dieser Grössen qp kann man dadurch gelangen, dass der Begriff des Moleküls, den wir bisher nur auf den gasformigen Aggregatzustand angewendet haben, auch auf den flüssigen Zu- stand erstreckt wird. In den folgenden beiden Capiteln wird dieser Schritt ausgeführt, wobei sich zugleich zeigt, dass die Richtung, in der er zu erfolgen hat, durch die vorliegenden Sätze der Thermodynamik in jeder Hinsicht eindeutig vor- geschrieben ist. § 381. Wie für zwei unabhängige Bestandtheile in zwei Phasen aus der allgemeinen Beziehung (153) die Gleichgewichts- bedingungen (170) und (171) abgeleitet wurden, so lässt sich System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen, 195 ganz auf dem entsprechenden Wege auch für den allgemeinen Fall die nämliche Ableitung ausfuhren. Hier soU zum Schluss nur kurz das Resultat angeführt werden, welches sich auf diese Weise für ein System von cc un- abhängigen Bestandtheilen in ß Phasen ergibt. Bezeichnet man die Concentrationen der einzelnen unab- hängigen Bestandtheile in den einzelnen Phasen, bezogen auf einen bestimmten, mit 1 bezeichneten Bestandtheil, entsprechend den Gleichungen (162), mit: M/ - ' n^' - ' M,' / M,' = ^2' M,' ^sy M,' C4, • • ■ Af," „ " M," . /. " m:' ^ " • = ^2 , • ■ • • • • • • • • • • • • • • • • so lautet die Bedingung dafür, dass bei irgend einer mit dem Zustand des Systems vorgenommenen unendlich kleinen Ver- änderung: d&j dp, dc^j dc^y dc^y . . . dc^\ ^^s» ^^4'? • • • • das Gleichgewicht gesichert bleibt gegen den Uebertritt des Bestandtheils 1 aus der eingestrichenen Phase in die zwei- gestrichene Phase: Dabei ist analog (165): und r^ und s^ bedeuten die Wärmezufuhr bez. die Volumen- änderung des Systems bei dem isothermischen und isopiestischen Uebertritt der Masseneinheit des Bestandtheils 1 aus einer grossen Quantität der eingestrichenen Phase in eine grosse Quantität der zweigestrichenen Phase (vgl. § 221). So lässt sich für jeden möglichen Uebertritt irgend eines Bestandtheils aus irgend einer Phase in irgend eine andere Phase die entsprechende Gleichgewichtsbedingung aufstellen. 13 Q* 196 Anw&ndwngen auf spezielle Okichgewichtsxustände. IV. Capitel. Gasförmiges System. § 383. Die Beziehungen, welche wir bisher für die ver- schiedenen Eigenschaften thermodynamischer Gleichgewichts- zustände aus der allgemeinen Gleichgewichtsbedingung (79) her- geleitet haben, beruhen im Grunde auf der Abhängigkeit der für das Gleichgewicht bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck charakteristischen Funktion von Temperatur und Druck, wie sie in den Gleichungen (150) ausgedrückt ist. Eine voll- ständige Beantwortung aller auf das Gleichgewicht bezüglichen Fragen ist aber erst dann möglich, wenn (I> auch in seiner Ab- hängigkeit von den Massen der in den einzelnen Phasen des Systems vorhandenen Bestandtheile angegeben werden kann, und hiezu dient die Einführung des Molekulargewichts. Wir haben schon jßrüher, bei der Besprechung der Eigenschaften idealer Gase, sowohl das Molekulargewicht eines chemisch homogenen Gases, als auch die Molekülzahl einer Gasmischung aus dem AvoGADEo'schen Satze definirt, und wenden uns daher hier zu- nächst der Untersuchung eines Systems zu, welches eine einzige gasförmige Phase vorstellt. Die Aufgabe ist vollständig gelöst, wenn es gelingt, die Funktion in ihrer Abhängigkeit von den unabhängigen Variabein, nämlich der Temperatur &, dem Druck p und den Zahlen Wj, Wgj n^, ... aller in der Mischung vorhandenen verschieden- artigen Moleküle anzugeben. Da nach (75) allgemein: SO läuft die Aufgabe darauf hinaus, die Entropie S, die Energie U und das Volumen F einer Gasmischung als Funktion der obigen unabhängigen Variabein auszudrücken. Dies lässt sich nun ganz aUgemein bewerkstelligen, wenn wir die Voraussetzung einführen, dass für die Mischung die Gesetze idealer Gase gelten, — eine Beschränkung, die in vielen Fällen keinen erheblichen Fehler bedingen wird. Will man sich von ihr frei machen, so muss man durch besondere Messungen, wie sie weiter unten an- gegeben sind, die Werthe der Grössen S^ ü und V ermitteln. Hier wollen wir aber die Annahme idealer Gase festhalten. Gasförmiges System, 197 § 338. Was zunächst das Volumen V der Mischung be- trifft, so ist dieses durch das Boyle-Gay LussAC-DALTON'sche Gesetz bestimmt. Denn nach Gleichung (16) ist ^ = ^K + «3 + • • • • ) = y 2' **! • (1^1) Die Energie U einer Gasmischung femer ergibt sich aus den Energieen der einzelnen getrennten Gase mit Hilfe des ersten Hauptsatzes der Wärmetheorie. Denn nach diesem bleibt die Energie eines Systems unverändert, wenn keinerlei äussere Wirkungen auf dasselbe ausgeübt werden, einerlei welche innem Veränderungen dabei eintreten. Lässt man nun eine beliebige Anzahl von Gasen, die auf eine gemeinsame Temperatur ß- und auf einen gemeinsamen Druck p gebracht sind, bei constant ge- haltener Temperatur und Druck ineinander diffundiren, so lehrt die Erfahrung, dass dann weder das Volumen des Systems sich ändert, noch Wärme von Aussen aufgenommen wird. Folglich ist dabei das mechanische Aequivalent der äusseren Wirkungen gleich Null, und die Energie des Systems behält ihren Anfangs- werih bis zur voUständigen Beendigung des Diffusionsprozesses unverändert bei. Daher ist die Energie einer Mischung idealer Gase gleich der Summe der Energieen der einzelnen Gase, bei der nämlichen Temperatur und dem nämlichen Druck genommen. Die Energie U^ eines einzelnen idealen Gases mit der Molekül- zahl n^ ist aber nur abhängig von der Temperatur, nämlich nach (35): ü^=n^Kß + \), (192) wobei G^^ hier die Molekularwärme des Gases bei constantem Volumen, h^ eine Constante bedeutet. Folglich ist die Gesammt- energie der Mischung: ^=2^i(S'^ + ^)- (193) § 334. Es handelt sich nun noch um die Bestimmung der Entropie S einer Gasmischung als Funktion von ß-^ p und den Molekülzahlen Wj, n^j ... Soweit S von ß und p abhängt, lässt es sich aus ü und V berechnen mittelst der Gleichung (60): , c» //, 6V^ - + - --- Folglich durch Substitution: dr'^ . Ed& Rdp' P und durch Integration: (194) ^^ = y^n, [c,^ log /> + /?log^) + C. Die Integrationsconstante G ist unabhängig von »9- und />, wohl aber kann sie noch von der Zusammensetzung der Mischung, d. h. von den Molekülzahlen n^, n^, ... abhängen, und die Unter- suchung dieser Abhängigkeit bildet den wichtigsten Theil unserer Aufgabe. Die Bestimmung von C kann nicht einfach auf dem Wege einer Definition erfolgen, sondern nur durch die Anwen- dung des zweiten Hauptsatzes der Wärmetheorie auf irgend einen bekannten reversibeln Prozess, der eine Aenderung in der Zusammensetzung der Mischung herbeiführt. Denn bei einem reversibeln Prozess ändert sich nach dem zweiten Hauptsatz die Entropie des Systems in ganz bestimmter Weise, und durch die Berücksichtigung der gleichzeitig eintretenden Aenderungen der Molekülzahlen lässt sich die Abhängigkeit der Entropie von der Zusammensetzung der Mischung ermitteln. Wir werden den Prozess derart wählen, dass während desselben keinerlei Ein- wirkungen von Aussen, weder Arbeitsleistung noch Wärmezufuhr, stattfinden; dann bleibt die Entropie des Systems während des ganzen Prozesses constant. Den oben zur Bestimmung der Energie U der Gasmischung benutzten Diffusionsvorgang können wir aber hier nicht verwerthen; denn derselbe ist, wie sich schon vermuthen lässt und im § 238 zeigen wird, irreversibel, und gestattet daher von vorneherein nur die eine Folgerung, dass die Entropie des Systems durch ihn vergrössert wird. Dagegen bietet sich dar als ein reversibler Prozess, durch welchen die Zusammensetzung der Mischung geändert wird, die Behandlung der Gasmischung mittelst einer semipermeabeln Wand, wie sie schon oben § 229 eingeführt und begründet wurde. Oasförmiges System. 199 § 235. Damit ein mit einer semipermeablen Wand ausge- führter Prozess für den genannten Zweck nutzbar wird, muss man zuerst wissen, welcher Art das thermodynamische Gleich- gewicht ist, das auf beiden Seiten einer Wand besteht für eine Gasart, welche die Wand durchdringen kann; für jede andere Gasart besteht natürlich keine besondere Gleichgewichtsbedingung, da sich hiefiir die Wand wie eine gewöhnliche verhält. Hier liefert nun die Erfahrung den einfachen Satz, dass jede Gasart, für welche eine Wand permeabel ist, sich dann auf beiden Seiten im Gleichgewicht befindet, wenn ihr Partial- druck (§ 18) auf beiden Seiten gleich ist, ganz unabhängig von den übrigen auf beiden Seiten anwesenden Gasarten. Dieser Satz ist weder selbstvei'ständlich noch nothwendig bedingt durch das Vorhergehende, er leuchtet aber durch seine Einfachheit unmittelbar ein und hat sich auch in den allerdings wenig zahlreichen Fällen, die eine direkte Prüfung gestatten, überall bestätigt Eine solche Prüfung, die zu einer augenfälligen Folgerung führt, lässt sich z. B. folgendermassen anstellen. Glühendes Platinblech ist permeabel für Wasserstoff, dagegen impermeabel für atmosphärische Luft. Füllt man also ein Gefäss, dessen Wandung an einer Stelle aus Platinblech besteht, mit reinem Wasserstoff, etwa unter Atmosphärendruck, und schliesst es dann vollkommen ab, so muss, wenn das Platinblech ins Glühen ge- bracht wird, der innen befindliche Wasserstoff in die äussere Luft, also entgegen dem Atmosphärendruck, hinausdiffundiren, und zwar offenbar so lange, bis er vollständig aus dem Gefäss entwichen ist. Da nun andrerseits die Luft nicht hineindringen kann, so wird schliesslich das Gefäss gänzlich evakuirt sein.^ * Diese Folgerung habe ich im Winter 1882/Ö3 im physikalischen Institut der Universität München experimentell geprüft und, soweit es die unvermeidlichen Abweichungen von den idealen Voraussetzungen erwarten Hessen, bestätigt gefunden. Da über diesen Versuch bisher nichts ver- öffentlicht wurde, so mag eine kurze Beschreibung hier Platz finden. Ein gerades Glasrohr von etwa 5 """ lichtem Durchmesser, in der Mitte zu einem kleinen Ballon ausgebaucht, war am einen Ende mit einem Glas- hahn versehen; an das andere Ende war als Verlängerung mit Siegellack angekittet ein 10 ^'° langes Platinröhrchen, nacli Innen offen, nach Aussen geschlossen. Mit der Quecksilberluftpumpe wurde die ganze Röhre durch den Hahn evakuirt und mit Wasserstoff unter gewöhnlichem Druck ge- 200 Anwendungen auf spezielle Ohichgefunchtsx/ustänäe. § 386. Wir wollen nun die besprochene Eigenschaft der semipermeablen Wände benutzen, um auf reversiblem Wege, in möglichst einfacher Weise, die Bestandtheile eines Gasgemisches von einander zu trennen. Betrachten wir daher folgenden Fall. In einem Hohlcylinder seien im Ganzen 4 Stempel vorhanden, zwei davon: Ä und Ä\ fest, die beiden andern: B und By be- weglich, doch so, dass der Abstand BB constant gleich dem Fig. 5. Abstand Ä Ä gehalten wird, wie in der Fig. 5 durch die beiden Klammern angedeutet ist. Ä, der Boden, und B^ der Deckel des ganzen Gefässes, seien beide für alle Stoffe undurchdringlich, dagegen A und B semipermeabel, und zwar A permeabel nur für ein gewisses Gas (i), B permeabel nur für ein anderes Gas {2\ Oberhalb 7? sei und bleibe der Raum evakuirt. fallt, hierauf der Hahn geschlossen und nun unter das geschlossene Ende des horizontal gelegten PlatinrÖhrchens ein Bunsenbrenner gestellt, wodurch die das Kohr abschliessende Platinkuppe ins Glühen kam. Um das Siegel- lack nicht durch Erwärmung zum Erweichen zu bringen, wurde die Lack- stelle beständig von dem Strahl der Wasserleitung umspült. Nach etwa 4 Stunden wurde der Apparat abgenommen, auf Zimmertemperatur gebracht, und der Hahn unter Quecksilber geöffnet. Das Quecksilber stieg rapid in die Höhe und füllte die Köhre fast gänzlich aus, — ein Beweis, dass sie bis zu einem gewissen Grade evakuirt war. Gasförmiges System. 201 Anfänglich befinde sich der Stempel B bei Ä, also B bei Ä, und in dem Zwischenraum eine Mischung der Gase (i) und (2). Nun werde der Stempel B und mit ihm auch B' unendlich lang- sam gehöben. Das Gas (7) strömt in den zwischen B und A sich öfinenden Eaum, das Gas {2) in den zwischen B und Ä sich öfinenden Eaum. Wenn B" bei Ä angekommen ist, sind die beiden Gase gänzlich von einander getrennt. Berechnen wir zunächst die während des Prozesses geleistete äussere Arbeit. Auf den einen beweglichen Stempel B wirkt, da der obere Kaum evakuirt ist, nur der Druck des Gases (/), und zwar nach oben, auf den anderen beweglichen Stempel B wirkt nur der Partialdruck des ersten Gases in der Mischung, nach unten. Nach dem vorigen Paragraphen ist aber der erstere Druck dem letzteren im Gleichgewicht gerade gleich, und da andrer- seits die beiden Stempel B und B gleiche Wege zurücklegen, so ist die gesammte auf die Stempel ausgeübte Arbeit gleich Null. Wenn nun, wie wir weiter annehmen wollen, auch keine Wärme von Aussen zugeleitet wird, so bleibt nach dem Energie- princip die Energie des Systems constant, und da die Energie sowohl der einzelnen Gase als auch der Mischung nach (193) nur von der Temperatur abhängt, so bleibt auch die Temperatur des Systems allenthalben constant. Der unendlich langsam ausgeführte Prozess ist reversibel; also ist, beim Fehlen jeglicher äusserer Einwirkung, die Entropie im Anfangszustand gleich derjenigen im Endzustand, d. h. die Entropie der Mischung ist gleich der Summe der Entropieen der beiden Einzelgase, wenn ein jedes bei der nämlichen Temperatur das ganze Volumen der Mischung allein einnimmt Dieser Satz lässt sich leicht verallgemeinem auf eine Mischung beliebig vieler Gasarten: „Die Entropie einer Gasmischung ist gleich der Summe der Entropieen der Einzelgase, wenn ein jedes bei der näm- lichen Temperatur das ganze Volumen der Mischung allein ein- nimmt." Er wurde zuerst von Gibbs aufgestellt. § 337. Für die Entropie eines einzelnen idealen Gases von der Masse M und dem Molekulargewicht m hatten wir früher in (52) gefunden: Ml— log i^- H log «? + const.) , indem wir hier c^ nicht auf die Masse 1, sondern, ebenso wi^ 202 Anwendungen auf spezielle Oleiehgewichtsx/ustände, oben in (192), auf die Masse eines Moleküls: m beziehen. Nach den Gasgesetzen (14) ist v, das Volumen der Masseneinheitr R & m p ' und daher die Entropie, für die Molekülzahl n = 971 (195) « (c„ log ,9- + /? log I + ä) , wobei das Glied mit log in die Constante k einbegriffen ist. Somit liefert der GiBBs'sche Satz für die Entropie der ganzen Mischung: '^ = 2^1 (^^'. log '^ + ^^ log J + ^i) ' p^ ist dabei der Druck der ersten Gasart, wenn sie allein das ganze Volumen der Mischung einnimmt, d. h. der Partialdruck der ersten Gasart in der Mischung. Da nun nach (8) die Summe aller Partialdrucke : i?^ +i>2+ • • • den Gesammtdruck p der Mischung darstellt, und ferner nach § 40 die Verhältnisse der Partialdrucke mit den Verhältnissen der Molekülzahlen übereinstimmen: so ist ^1 p — . p oder, wenn wir der Einfachheit halber von jetzt ab die Con- centrationen der einzelnen Molekülarten in der Mischung einführen: (196) 0, = -—:^^, c, = ,, «' Pl =CiP, P2=(^2P " ' Daher ergibt sich schhesslich die Entropie der Mischung in der gesuchten Form als Funktion von ß-, p und den Molekül- zahlen n in folgender Weise: (197) Ä = 2«i {% log ^ + iJ log ^ + *i) • Gasförmiges System, 203 Durch Vergleichung dieses Ausdrucks mit dem in (194) für die Entropie der Mischung gefundenen Werth ergibt sich die Grösse der damals unbestimmt gebliebenen Integrationscon^tanten: C = 2 ^1 (^1 - ^ log cj . (198) § 338. Nachdem einmal der Werth der Entropie einer Gas- mischung festgestellt ist, lässt sich auch die oben § 234 berühi*te Frage beantworten, ob und in welchem Betrage die Entropie eines Systems von Gasen durch Diffusion vergrössert wird. Nehmen wir den einfachsten Fall, dass 2 Gase, mit den Molekül- zahlen n^ und Wg, auf gleiche Temperatur iS- und gleichen Druck p gebracht, ineinander diffundiren, indem die Temperatur und der Druck constant gehalten wird. Vor Beginn des Prozesses ist dann die Entropie des Systems gleich der Summe der Entropieen der getrennten Gase, also nach (195) Wj (^C^^ log &+ R\0g^+ Ä^ j + ^2 (^Cr, log l? + ÄlOg I + k^j . Nach Beendigung des Diffusionsvorganges ist die Entropie der Mischung nach (197) n^ [g,^ log ,7- + i? lüg ^ + k^ + n^ (c,^ log »V- + Älog ^ + k^ . Also die Aenderung der Entropie des Systems; — n^ E log Cj — n^R log o^ , Das ist mit Rücksicht auf (196) eine wesentlich positive Grösse, woraus folgt, dass die Diffusion immer irreversibel ist. Zugleich ersehen wir, dass die durch Diffusion bedingte Vermehrung der Entropie nur von den Molekülzahlen n^ und n^ der diffundirenden Gase, nicht aber von ihrer Natur, z. B. ihrem Molekulargewicht, abhängt. Es macht also in Bezug auf die Entropievermehrung durch Diffusion garkeinen Unterschied, ob die Gase sich chemisch mehr oder weniger „ähnlich'^ sind. Nimmt man nun beide Gase identisch, so wird offenbar die Entropievermehrung Null, weil man dann überhaupt keine Zu- standsänderung erhält. Daraus folgt, dass der chemische Unter- schied zweier Gase, und überhaupt zweier Substanzen, nicht durch eine stetig veränderliche Grösse dargestellt werden kann, sondern dass man hier nur von sprungweisen Beziehungen: ent- weder von Gleichheit oder von Ungleichheit, reden kann. In 204 Anwendwng&n auf spezielle Gleichgetmchtsxitstände. diesem Umstand liegt ein principieller Gegensatz zwischen che- mischen und physikalischen Eigenschaften begründet, da die letzteren immer als stetig veränderlich anzusehen sind. § 389. Mittelst der gefundenen Werthe der Entropie S (197), der Energie U{193) und des Volumens V (191) der Gas- mischung ergibt sich die gesuchte Funktion aus (75) zu: <^ = 2«i (««. logt^ + Ä log -f- + k,- c. - -*■ - r) oder, wenn man zur Abkürzung die nur von i^- und p, nicht aber von den Molekülzahlen abhängige Grösse: (199) c,, log ,9^ - ^A + i^iog J + Ä;, - c„, - Ä = (p, setzt: * = 2^1(91 -^logcj. § 240. Nun können wir zur Aufstellung der Gleichge- wichtsbedingung schreiten. Wenn in der Gasmischung eine chemische Aenderung möglich ist, derart dass die Molekülzahlen n^, n^, ... sich gleichzeitig um Sn^, Sn^, ... ändern, so besteht nach (79) gegen diese Aenderung Gleichgewicht, wenn für S& = und Sp = <)«) = oder: (200) 2(^1 - RlogG,)Sn, + 2^1 S{(p - Rlogc,) = 0. Da die Grössen ^j, qpg, ... nur von ih und p abhängen, so ist (J (p^ =z 3 q)^ = . . . = 0. Ferner haben wir: Wj Slogc^ + n^ Slogc^ + ... = — ^Cj + - Sc.^ + . . . und nach (196): = (^^+7^2+ • • • ) (^^1 + ^^2 + . . . ) = 0, da Cj + Cg + . . . constant = 1 . Daher bleibt von der Gleichgewichtsbedingung übrig: 2(9^1 - R\ogG^)Sn^ = 0. Da es in dieser Gleichung nicht auf die absoluten Werthe der unendlicli kleinen Variationen Sn^y sondern nur auf deren Ver- hältnisse ankommt, so setzen wir: (201) 8n^:8n.^', ... z= v^w^: ... Gasförmiges System, 205 und verstehen unter v^, v^, ... die bei der gedachten chemischen Veränderung sich gleichzeitig umsetzenden Molekülzahlen: ein- fache ganze, positive oder negative Zahlen, je nachdem die betr. Molekülart bei der Veränderung sich bildet oder verbraucht wird. Dann erhalten wir als Gleichgewichtsbedingung: 2(<3Pi -ii^ log Ci) 1^1 = 0, oder: V, logc, + V, logc,+ . . . = "■ '^' + y + • • -- . Die rechte Gleichungsseite hängt nach (199) nur von Tempe- ratur und Druck ab ; also ergibt die Gleichung eine bestimmte Be- ziehung zwischen den Concentrationen der verschiedenen Molekül- arten, falls p und d- gegeben sind. § 241. Wir wollen nun noch die Werthe der Grössen (p^, 9?2 • • • ^^^^ einfuhren. Setzt man zur Abkürzung die Con- stanten: vihi+ vtht +_^. _ j ^ ^202) "^-'^^-t^J'p.t ■■ ■ = , (203) Xh SO ergibt der Werth von ^2 J- Die Concentrationen sind: __ fi^ __ n^ Oasßrmiges System, 209 Die chemische Umwandlung besteht in der Spaltung eines Moleküls Jg in zwei Moleküle J, also: ^1 = - 1 ^2 = 2 und im Gleichgewichtszustand ist nach (204) b' c -1 c 2 = -r""'^, = ae '^ • ^ . (208) Zur Bestimmung von a und b' benutzen wir die Angaben von Fr. Meieb und Cbafts, dass flir ^ = 728 °^™ Quecksilber die Menge des zersetzten Joddampfes dividirt durch die Gesammt- menge des Dampfes: ^ "^ =0,145 bei i9^ = 273 + 940 =1213 = 0,662 „ i9- = 273 + 1390 = 1663 . Daraus ergibt sich, wenn der Druck p in Millimetern Quecksilber gemessen wird: , a'=9375 6'= 14690 und damit das Dissociationsgleichgewicht für beliebige Tempera- turen und Drucke. Die Dissociationswärme eines Jodmoleküls beträgt nach (205): r = 1,97 • (14690 + iJ-) = 28 900 + 1,97 & cal. Wie man sieht, hat bei diesen Temperaturen die äussere lÄxbeit, die das Glied mit i9 bedingt, schon einen erheblichen Einfluss ; sie beträgt für 1500® (i9- = 1773) schon 3500 cal., wodurch die Dissociationswärme wird: r = 32 400 cal. § 247. Stufenweise Dissociation. Da nach der Gleichung (208) auch für tiefere Temperaturen die Concentration der ein- atomigen Jodmoleküle niemals Null wird, sondern stets einen endlichen, wenn auch kleinen Werth behält, so muss man, genauer genommen, die Zersetzbarkeit des Joddampfs auch schon in dem § 245 behandelten Falle, bei der Dissociation des Jod- wasserstoflfgases, berücksichtigen. Praktisch wird dies auf die dort gegebenen Zahlen keinen erheblichen Einfluss haben, doch sei hier wegen des principiellen Interesses die theoretisch strengere Lösung der Aufgabe auch noch durchgeführt. Das System besteht dann aus vier Molekülarten: fi^UJ, ngHg, WgJg, W.4J. Planck, Thermodynamik. 14 210 Anwendungen auf spe^elle Okichgeicnchtsxttstände. Die Concentrationen sind: Co = : : , C^ = Hier sind nun zwei Arten von chemischen Umwandlungen mög- lich, nämlich: 1. |/j=— 2 ^2~ ^ ^3=1 «^4=0 2. i//=0 1^2'= <=-! <=2 Gleichgewicht gegen jede der beiden Umwandlungen ist vor- handen, wenn nach (204): b' 2. c/»' c/^' c,»'»' c/*' = -*- = -^ ^*— - ^ = a' r "^ • - , 1^3* ßg ^(ni + Wj + WgH- n4) p' wobei die Constanten a, 5, a', 5' die oben berechneten Werthe haben. Da die Gesammtzahl der im System vorhandenen Wasser- atoflEatome {n^+ 2n^) und ebenso die der Jodatome {nj^ + 2n^+ nj als bekannt vorausgesetzt *wird, so hat man im Ganzen vier Gleichungen zur eindeutigen Bestimmung der vier Grössen ^i> ^> »*8> ^4- § 248. Aus der allgemeinen Gleichgewichtsformel (204) ersieht man, dass bei endlicher Temperatur und endlichem Druck keine der Concentrationen c jemals gleich Null sein kann, oder mit anderen Worten, dass die Dissociation niemals eine voll- ständige ist, aber auch niemals ganz verschwinden kann; es finden sich in dem System stets Moleküle von allen möglichen Arten in endlicher, wenn auch vielleicht sehr geringer Anzahl vor. So muss z. B. im Wasserdampf bei jeder Temperatur auch etwas Knallgas, wenn auch nur spurweise, vorhanden sein (vgl. unten § 259). Bei vielen Erscheinungen spielt natürlich dieser Umstand keine Bolle. V. Capitel. VerdGnnte Lösungen. § 249. Zur Bestimmung der für das thermodynamische Gleichgewicht charakteristischen Funktion O in ihrer Abhängig- Verdürmte Lösungen, 211 keit von der Temperatur &y dem Druck p und den Zahlen n aller verschiedenen Molekülarten in einem System, welches be- liebig viele unabhängige Bestandtheile in beliebig vielen Phasen enthält^ kann man genau denselben Weg einschlagen^ der uns bei der Untersuchung einer einzigen gasformigen Phase im vorigen Capitel zum Ziele gefuhrt hat. Zunächst wird durch geeignete Messungen das Volumen V und die Energie ü einer einzehien Phase bestimmt, daraus dann gemäss der Definition (60) die Entropie S dieser Phase berechnet, und somit alle Grössen gewonnen, aus denen nach (75) zusammengesetzt ist. Durch einfache Addition über alle Phasen erhält man dann schliesslich die Funktion des ganzen Systems. Angesichts der mangelnden Vollständigkeit der bisherigen Messungen lässt sich aber gegenwärtig diese Rechnung, ausser für eine gasformige Phase, nur durchfuhren für eine verdünnte Lösung, d. h. für eine Phase, in welcher die Anzahl einer be- stimmten Art von Molekülen weitaus überwiegt über die Anzahl aller übrigen in der Phase vorhandenen Molekülarten. Die so ausgezeichnete Molekülart nennen wir von jetzt an das Lösungs- mittel (vgl. dagegen § 220), die übrigen Molekülarten die ge- lösten Stoffe. Bezeichnet also n^ die Molekülzahl des Lösungs- mittels, Wj, Wg, ^3 . . . die Molekülzahlen der gelösten Stoffe, so ist die Lösung dann als verdünnt anzusehen, wenn n^ gross ist gegen jede der Zahleü n^, n^, n^ ... Der Aggregatzustand der Lösung ist vollkommen gleichgültig, sie kann fest, flüssig oder gasformig sein. § 350. Berechnen wir nun, gemäss dem geschilderten Plane, zunächst die Energie U und das Volumen V einer ver- dünnten Lösung. Die wichtige Vereinfachung, welche die soeben angeführte Definition einer verdünnten Lösung zur Folge hat, beruht auf dem mathematischen Satze, dass eine endliche, stetige und diflFerentiirbare Funktion mehrerer Variabein, welche sehr kleine Werthe haben, noth wendig eine lineare Funktion dieser Variabein ist. Dadurch wird die Art der Abhängigkeit der Grössen U und V von Wq, Wj, Wg, ... von vorneherein angebbar. Physikalisch gesprochen heisst dies, dass die Eigenschaften einer verdünnten Lösung, ausser von den Wirkungen der Moleküle des Lösungsmittels unter sich, nothwendig nur von den Wechsel- wirkungen zwischen den Molekülen des Lösungsmittels einerseits 14* 212 Anwendungen auf spexieUe Oleichgewichtszusiände, und den Molekülen der gelösten Stoffe andrerseits, nicht aber von den Wirkungen der gelösten Stoffe untereinander abhängen können; denn diese letzteren sind klein von höherer Ordnung, § 251. In der That: Betrachten wir zunächst die Energie U der Lösung und bilden den Quotienten von U und n^, der Molekülzahl des Lösungsmittels. Da U nach dem allgemeinen, in § 201 aufgestellten Satze eine homogene Funktion ersten TT Grades der Molekülzahlen darstellt, so bleibt der Quotient — ungeändert^ wenn sämmtliche Molekülzahlen w^,, Wj, Wg . . . in gleichem Verhältniss verändert werden, d. h. dieser Quotient ist eine Funktion der Verhältnisse — , — , ... Nun sind aber alle diese Verhältnisse kleine Zahlen, folglich ist die Funktion, die wir als differentiirbar voraussetzen, eine lineare, und daher von der Form: U , Wi , w, , — = Uq + u^— +U2- + . . . , wobei die Grössen w^, u^, u^, ... nicht von den Molekülzahlen, sondern nur von der Temperatur &, dem Druck p und der Beschaffenheit der in der Lösung vorhandenen Molekülarten ab- hängen, und zwar u^ nur von der Beschaffenheit des Lösungs- mittels (denn für ti^ = = Wg = . . . reducirt sich die Energie auf %Uq) femer u^ nur von der Beschaffenheit der ersten gelösten Molekülart und der des Lösungsmittels, u^ nur von der Be- schaffenheit der zweiten gelösten Molekülart und der des Liösungs- mittels, u. s. w. Uq entspricht also den Wechselwirkungen der Moleküle des Lösungsmittels unter sich, u^ denjenigen zwischen dem Lösungsmittel und den gelösten Molekülen erster Art, u^ denjenigen zwischen dem Lösungsmittel und den gelösten Mole- külen zweiter Art, u. s. w. Hiemit ist zugleich ein Einwurf widerlegt, welcher der neueren Theorie verdünnter Lösungen zu wiederholten Malen gemacht worden ist, dass sie nämlich die verdünnten Lösungen einfach wie Gase behandle und keine Rücksicht nehme auf den Einfluss des Lösungsmittels. § .253. Wenn die Verdünnung nicht hinreichend ist, um diese einfachste Form der Funktion U zu rechtfertigen, so kann man genauere Beziehungen erhalten, wenn man die Entwicklung nach der TAYLOß'schen Eeihe noch weiter fortsetzt: Verdünnte Lösungen, 213 dann erhält man in den Coeffizienten w^j, w^^, ^22 • • • • auch den Einfluss der Wechselwirkungen der gelösten Molekülarten untereinander. Dies dürfte in der That der einzige gangbare Weg sein, um zu einer rationellen thermodynamischen Theorie von Lösungen beliebiger Concentration zu gelangen. § 253« Wir wollen hier jedoch bei der einfachsten i'orm stehen bleiben und schreiben: U= n^ Uq + /Jj Wj + ^2 ^ + • • • Ganz ebenso: ^=% ^'0 + ^h h + ^2 '^'2 + • • • (209) Inwieweit diese Gleichungen den Thatsachen entsprechen, lässt sich aus den Folgerungen entscheiden, zu denen sie fuhren. Eine derselben soU hier ausfuhrlicher besprochen werden. Ver- dünnt man die Lösung noch weiter, indem man ihr ein Molekül des Lösungsmittels von demselben Aggregatzustand wie die Lösung zusetzt, und hält dabei den Druck p und die Temperatur & constant, so lässt sich mittelst der letzten Gleichungen die ein- tretende Volumenänderung und Wärmetönung berechnen. Ein Molekül des reinen Lösungsmittels, immer bei der nämlichen Temperatur und dem nämlichen Druck genommen, besitzt das Volumen v^ und die Energie u^. Nach vollzogener Verdünnung ist nun das Volumen der Lösung geworden: und die Energie ist geworden: ^= K+ l)Wo+nj Wj+ n2W2+ • • • Die durch die Verdünnung * bewirkte Volumendilatation erhält man, wenn man die Summe des ursprünglichen Volumens V der Lösung und des Volumens Vq eines Moleküls reinen Lösungs- mittels subtrahirt von dem schliesslichen Volumen V\ Also: d. h. die Volumendilatation ist gleich Null. Die von Aussen lu-^ geführte Wärme ergibt sich nach dem ersten Hauptsatze (47) gleich: 214 Anwendungen auf spezielle GfleichgewichtsxMstände. u--{u+u„)+p{v'-{r+v,)) und verschwindet ebenfalls. Bei diesen Schlüssen ist torausgesetzt, dass bei der Ver- dünnung die Molekülzahlen der gelösten Stoffe n^, n^, ... un- geändert bleiben, d. h. dass durch den Verdünnungsprozess keine chemischen Aenderungen der gelösten Stoffe (z. B. Aenderungen des Dissociationsgrades) bewirkt werden. In einem solchen Falle würden in den Gleichungen für LT und V die Molekülzahlen der gelösten Stoffe andere Werthe haben als in denen für U und V, und daher bei der Subtraktion nicht fortfallen. Daher lässt sich folgender Satz aussprechen: Eine verdünnte Lösung besitzt die Eigenschaft, dass eine weitere Verdünnung, die ohne chemische Aenderung der gelösten Stoffe verläuft, weder merk- liche Volumenänderung noch merkUche Wärmetönung hervorruft, oder mit anderen Worten: Jede Volumenänderung oder Wärme- tönung, die eine verdünnte Lösung bei weiterer Verdünnung zeigt, muss einer chemischen Umwandlung unter den Molekülen der gelösten Stoffe zugeschrieben werden. § 354. Gehen wir nun weiter zur Berechnung der Entropie *S' einer verdünnten Lösung. Nach (60) ist für constante Molekül- zahlen /^Q, Wj, Wg . . . . d.^=- > und nach (209): ri ^ — ^ ^^o±pdvo u,+ pdv^ u^-hpdv^ a A^ — n^ ~ — -f- n^ ^ -|- n^ ^ h .... Da nun die u und v nur von & und p, nicht aber von den n abhängen, so müssen die Coeffizienten von w^, n^, n^ .... auch einzeln vollständige Differentiale sein, d. h. es muss gewisse nur von />- und p abhängige Grössen s geben, derart dass ^.. _ ^0+ Pdr^ 6,,- ^ - (210) { !"■ ^ j If^-h p dVq Dann ist: (211) S = nQS^,-{- n^s^+n^s^i- + G, Verdürmte Lösungen, 215 wobei die Integrationsconstante C nicht von ß- und p, wohl aber von den Molekülzahlen abhängen kann. Wenn man daher den Werth von G für irgend eine spezielle Temperatur und einen speziellen Druck in seiner Abhängigkeit von den Molekülzahlen n^, n^, n^ ... kennt, so ist dieser Werth zugleich auch der allgemeine Ausdruck von G für beliebige Temperaturen und Drucke. Nun wollen wir für den speziellen Fall, dass die Tempe- ratur gross und der Druck klein ist, G als Funktion der n be- rechnen. Bei gehöriger Steigerung der Temperatur und ge- höriger Erniedrigung des Druckes wird die Lösung, welchem Aggregatzustand sie ursprünglich auch angehören mag, jedenfalls vollständig in den gasformigen Zustand übergehen. Dabei werden in Wirklichkeit zugleich chemische Aenderungen eintreten, d. h. die Molekülzahlen n werden sich verändern; wir wollen aber den Vorgang derartig voraussetzen, dass alle Molekülzahlen un- geändert bleiben, weil nur dann auch die Grösse G ihren Werth behält. Ein solcher Prozess ist nur in idealem Sinne ausführ- bar, da er durch labile Zustände hindurchführt; allein es steht seiner Benutzung hier nichts im Wege, weil der obige Ausdrück von S nicht allein für stabile Grleichgewichtszustände, sondern für alle Zustände Giltigkeit besitzt, welche durch ganz beliebige Werthe der Variabein iS-, p, n^, n^, n^ . , , charakterisirt sind. Der stabile öleichgewichtszustand geht ja aus diesen Zuständen erst durch eine weitere, unten aufzustellende Bedingung als spezieller Fall hervor. Da bei genügend erhöhter Temperatur und erniedrigtem Druck jedes gasformige System eine so geringe Dichte annimmt, dass man es als Mischung idealer Gase betrachten kann (§21 und § 43), so haben wir hieflir nach (194), unter Berücksichtigung des Umstandes, dass hier die erste Molekülart mit dem Index bezeichnet ist: 5 = /i,(ö,„logi> + i?log^) + 7i,(c„^logi> + i?log^)+...+(7 (212) wobei G, unabhängig von i^- und p, den in (198) angegebenen Werth hat. Durch Vergleichung mit (211) erkennt man, dass der Ausdruck von S durch blosse Temperatur- und Druckänderungen nur dann aus (211) in (212) übergehen kann, wenn die Grösse G in beiden Ausdrücken dieselbe ist, d. h. wenn nach (198) 216 Antoendungen auf spezielle Gleiehgeunchtszustände. O = % iK - ÄlogCo) + »1 (A4 - Bloge^) + Dabei ist k^, k^, A ^ . . . constant und die Concentrationen sind: C« = r C, = ® »0+w, 4-/1,4- ...' ^ n^+n,4-n2 4- ...* Somit wird aus (211) die Entropie einer verdünnten Lösung bei beliebiger Temperatur und Druck: (213) S = n^(s^ + k^ - Rlog e^) + n^{s, + k, - R\ogc^)+ ... Setzen wir noch zur Abkürzung die nur von & und p, nicht aber von den Molekülzahlen n abhängigen Grossen: (214) , , Mo 4- p »0 *i + ^1 ^ — - Vi *'2 "T" '^2 Ä ~ ^ ^2 SO wird schliesslich aus (75), (213) und (209) (2lö) ^=%((Po-B^ogCQ)+n^((p^-^mogc^)+n^((p^-'Rlogc^)+ . . . und damit sind die thermodynamischen Eigenschaften einer ver- dünnten Lösung bestimmt. § 255. Wir können nun sogleich übergehen zur Aufstellung der Gleichgewichtsbedingung für ein aus verschiedenen Phasen bestehendes System. Was zunächst die Bezeichnung betrifft, so wollen wir, wie bisher, die verschiedenen Molekülarten innerhalb einer Phase durch Zahlenindices, die verschiedenen Phasen aber, wie im dritten Capitel, durch beigefügte Striche unterscheiden, wobei der Einfachheit halber die erste Phase ganz ohne Striche bleiben solL Dann wird das ganze System dargestellt durch das Symbol: (216^ I ^®^^' ^^^^' ^2^>--- + W> W]'»»i'j Vw/, ... l + ^0" ^0 f 'h' ^"' + . . . . Die Molekülzahlen sind mit n, die Molekulargewichte mit m be- zeichnet, und die einzelnen Phasen sind durch + Zeichen von einander getrennt. In den allgemeinen Formeln deuten wir die Summirung über die verschiedenen Molekülarten in einer und derselben Phase durch Anschreiben der einzelnen Summenglieder Verdünnte Lösungen. 217 an, die Summirung über verschiedene Phasen dagegen durch das Zeichen 2- Um nun die abgeleiteten Formeln anwenden zu können, wollen wir voraussetzen, dass jede Phase entweder eine Mischung idealer Gase, oder eine verdünnte Lösung darstellt Letzteres triflEt auch dann zu, wenn die Phase überhaupt nur eine einzige Molekülart enthält, wie z. B. ein chemisch homogener fester Niederschlag aus einer flüssigen Lösung. Denn eine einzige Molekülart stellt den speziellen Fall einer verdünnten Lösung dar, in welcher die Cöncentrationen aller gelösten Stoflfe gleich Null sind. § 356. Gesetzt nun, es sei in dem System (216) eine iso- thermisch -isopiestische Aenderung möglich, derart, dass die Molekülzahlen w^, Wj, Wg, . . ., n^y w^', n^, .... sich gleichzeitig um Sn^y Sn^j Sn^, . . ., Sn^, Sn^', Sn^, . . . ändern; dann be- steht nach (79) gegen das Eintreten dieser Aenderung Gleich- gewicht, wenn für constant gehaltenes 0- und p oder nach (215): ^{(pQ-Rlogc^8nQ+[(p^-E\ogG^)Sn^+{(f^-R\ogG^)8n^+.., (Die Sommationen 2 ^ber alle Phasen des Systems erstreckt.) Die zweite Reihe verschwindet identisch aus denselben Gründen, die oben, im Anschluss an die Gleichung (200), entwickelt wurden. Führen wir ferner wieder die einfachen ganzzahligen Verhältnisse ein: ön^^ : Ön^ : Ön^ : . . . : Sn^ : Sn^' : ^'^2' = 1^0 : Vj : 1^2 • • • • • ^0' • ^1' • ^2' • • • • (^^'^) 80 lautet die Gleichgewichtsbedingung: oder: S^ologCo + ^logCj + 1/3 log C2 + ... =^2^oyo + «'i9^i + -- = log^. (218) K hängt, ebenso wie die Grössen ffo» V^if V2> • • •> ^icht von den Molekülzahlen n ab. 218 Anwendungen auf spezielle Oleichgewichtszustände. § 257, Die Abhängigkeit der Grösse K von & und p er- gibt sich aus ihrer Definition: dp ~ Ä-^^o dp ^^^ dp ^^'^ dp ^ '" Nun ist nach (214) für irgend eine unendlich kleine Aenderung von ?9- und p: »9^0 = ^*o ^ 1 -^2 — »'^» folgUch nach (210): d^Pi) = — ^2- -d^t ^- , und daraus: ö^o _ ^ ^0 + p^i^, dq^ = _ ?o d& &' ' dp ^* Ebenso: ö> "■ ^^ ' dp ^ &' Daher ergibt sich: Bezeichnen wir nun mit s die Volumenvergrösserung des Systems, mit r die von Aussen zugeführte Wärme, wenn bei constanter Temperatur und Druck die Aenderung (217) vor sich geht, so ist nach dem Werthe von V in (209): und nach dem ersten Hauptsatz der Wärmetheorie: ^' = 2K ^0+ ^1 «*! + • • • ) + jpK ^0+ ^1 ^1 + • • •) Folglich: /oiQx dlogK _ r (220) d\ogK_ s dp R&' Der Einlluss der Temperatur auf die Grösse K und mithin auf die Bedingung des Gleichgewichts gegen eine bestimmte chemische Reaktion wird also durch die bei dieser Reaktion eintretende Wärmetönung, der Einfluss des Druckes durch die entsprechende Verdünnte Lösungen, 219 Volumenänderung des Systems geregelt. Geht die Reaktion ganz ohne Wärmetönung vor sich, so hat die Temperatur garkeinen Einfluss auf das Gleichgewicht; verursacht sie keine Volumen- änderung des Systems ; so hat der Druck keinen Einfluss auf das Gleichgewicht (vgl § 211). Die früheren Gleichungen (205) und (206) sind spezielle Fälle der letzten beiden Gleichungen, wie man sogleich erkennt, wenn für log K der durch Vergleichung von (218) und (204) hervorgehende spezielle Werth: h ^ log-K'=loga — ^ + (1/1+^2+ --Olog- gesetzt wird. § 258. Mittelst der Gleichung (218) lassen sich für ein chemisch veränderliches System so viel Gleichgewichtsbedingungen aufstellen, als Arten von Veränderungen möglich sind, wobei natürlich jedesmal die Grösse K einen anderen Werth hat. Dies entspricht ganz den Forderungen der allgemein gültigen Gibbs- schen Phasenregel (§ 204). Denn man muss die Zahl der im System vorhandenen Molekülarten wohl unterscheiden von der Zahl der unabhängigen Bestandtheile des Systems (§ 198). Nur die letztere ist für die Bestimmung der Anzahl und Art der möglichen Phasen entscheidend^ während die Zahl der Molekül- arten bei der Anwendung der Phasenregel garkeine EoUe spielt. Denn durch Einführung einer neuen Molekülart wird zwar die Zahl der Variabein vermehrt, dafür wächst aber auch die Zahl der im System möglichen chemischen Umwandlungen und damit auch die der Gleichgewichtsbedingungen in demselben Betrage, so dass die Anzahl der unabhängigen Variabein davon ganz un- berührt bleibt. § 259. Die Gleichung (218) lehrt ferner, dass, vom allge- meinen Standpunkte aus betrachtet, alle im ganzen System über- haupt möglichen Molekülarten auch in jeder einzelnen Phase in endlicher Zahl vertreten sein müssen, dass z. B. in einem aus einer wässrigen Lösung ausgefallenen festen Niederschlag immer auch Wassermoleküle vorkommen, ja dass sogar bei der Be- rührung fester Körper, sobald man nur hinreichend lange wartet, eine theilweise Auflösung des einen in dem andern eintritt. Denn die für das Gleichgewicht maassgebende Grösse K besitzt nach ihrer Definition (218) für jede überhaupt mögliche chemische 220 Anwendungen auf spezielle Gleichgewichts^iiMstände, Veränderung einen bestimmten im Allgemeinen endlichen Werth, und es kann daher nach der Gleichung (218) keine der Con- Centrationen o genau gleich Null werden, solange Temperatur und Druck endlich bleiben. Diese durch die Thermodynamik bedingte prinzipielle Auffassung hat sich schon nach yerschiedenen Seiten hin fruchtbar gezeigt, wie z. B. in der Erklärung der Thatsache, dass weder ein Gas, noch eine Flüssigkeit^ noch auch ein fester Körper jemals vollständig von den letzten Spuren fremder gelöster Stoffe befreit werden kann. Aus ihr folgt auch, dass es im absoluten Sinne keine semipermeable Wand geben kann. Denn unter allen Umständen wird sich mit der Zeit die Substa^iz der Wand mit jedem der in einer angrenzenden Phase befindlichen Stoffe sättigen, und daher auch jeden Stoff nach der anderen Seite wieder abgeben (vgl. § 229). Andrerseits wird durch die genannte Auffassimg die Be- rechnung der thermodynamischen Eigenschaften einer Lösung beträchtlich complicirt, da man, um sicher zu gehen, von vorne- herein immer alle bei den gegebenen Bestandtheilen überhaupt möglichen Arten von Molekülen als in der Lösung wirklich vor- handen annehmen muss, und erst dann Vernachlässigungen ein- treten lassen darf, wenn man sich durch eine besondere Unter- suchung überzeugt hat, dass einzelne Molekülarten in ihr nicht in merklichem Maasse vorkommen. Auf diesen Punkt ist wahr- scheinlich in vielen Fällen eine scheinbar auftretende Nicht- übereinstimmung der Theorie mit der Erfahrung zurückzufuhren. Es sollen nun einige der wichtigsten speziellen Fälle näher besprochen werden. Die Anordnung ist in erster Linie nach der Zahl der unabhängigen Bestandtheile des Systems (§ 198), in zweiter nach der Zahl der Phasen eingerichtet § 260« Ein unabhängiger Bestandtheil in einer Phase. Nach der Phasenregel hängt der innere Zustand der Phase von zwei Variabein ab, also z. B. von der Temperatur iS- und dem Druck p. Dabei kann die Phase beliebig viele Molekülarten enthalten. So wird eine Quantität flüssiges Wasser ausser den einfachen HjO-Molekülen auch Doppel- und mehrfache Moleküle, ferner Moleküle Hg und Og, auch HgOg, femer geladene Ionen + - H, HO und 0, u. s. w. in endlichem Betrage enthalten. Die elektrischen Ladungen der Ionen spielen in der Thermodynamik Verdünnte Lösungen. 221 keine besondere Rolle, solange nicht die elektrischen Kräfte mit den thermodynamischen in CoUision gerathen, was nur und immer dann eintritt, wenn die thermodynamische Gleichgewichtsbedingung eine Vertheilung der Ionen in den verschiedenen Phasen des Systems verlangt, bei welcher vermöge der unveränderlichen Ladungen der Ionen freie Elektricität im Innern einer Phase auftreten müsste. Einem solchen Zustande widersetzen sich die elektrischen Kräfte mit grosser Stärke, und es tritt eine Ab- weichung von dem rein thermodynamischen Gleichgewicht ein, welche andrerseits durch entstehende Potentialdiflferenzen zwischen den betr. Phasen compensirt wird. Eine allgemeine Uebersicht über diese elektromolekularen Erscheinungen lässt sich gewinnen, wenn man die Werthe der Entropie und der Energie des Systems durch Hinzufügung elektrischer Glieder verallgemeinert. Doch beschränken wir uns hier auf die Betrachtung unelektrischer Zustände, und brauchen daher garkeine Rücksicht zu nehmen auf die elektrischen Ladungen der Ionen, die wir einfach wie andere Moleküle behandeln. In dem vorliegenden Falle sind also die Concentrationen sämmtlicher Molekülarten durch i9* und p bestimmt. Eine Be- rechnung der Concentrationen ist bisher nur für die Ionen + - H und HO gelungen (die Zahl der 0- Ionen ist dagegen zu ver- nachlässigen) und zwar u. A. durch die Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Lösung, die allein von den Ionen herrührt. Nach KoHLRAuscH und Heydweilleb ist der Dissociationsgrad des Wassers, d. h. das Verhältniss der Masse des in Ionen + H und HO gespaltenen Wassers zu der Gesammtmasse des Wassers bei 18^ Gels.: 14,3.10-1^. Diese Zahl stellt zugleich das Verhältniss der Zahl der dissociirten Moleküle zu der Gesammtzahl der Moleküle vor. Die Thermo- dynamik gestattet die Abhängigkeit der Dissociation von der Temperatur zu berechnen. Stellen wir die Bedingung des Gleichgewichtszustandes auf. Das Symbol des Systems ist nach (216): + w^HgO, Wj H, 7^2 HO. 222 Anwendungen auf spezielle Oleiehgewichiszv^tcmde. Die Gesammtzahl der Moleküle sei n =^nQ+ n^+ n^^ die Con- centrationen der einzelnen Molekülarten demnach: Wo Wi Wj " » ' In' * » Die in Betracht kommende chemische Umwandlung: besteht in der Dissociation eines Moleküls H^O in je ein Mole^ + kül H und HO, also: i/o=-l «'1 = 1 v^-=l' Also ist nach (218) im Gleichgewichtszustand: - logco+ logCi+ logC2= logZ oder, da c^ = c^ und c^ nahezu = 1 2 log Cj = log K. Dies ergibt für die Abhängigkeit der Concentration c^ von der Temperatur nach (219): r, die für die Dissociation eines Moleküls HgO in die Ionen + H und HO nöthige Wärmezufuhr, ist nach Arrheniüs gleich der Wärmetönung bei der Neutralisation einwerthiger starker Basen und Säuren in verdünnter wässriger Lösung, also nach den Messungen von J. Thomsen bei mittleren Temperaturen annähernd: 4045000 T r — — cal. Daraus folgt mit ßeduktion der cal. auf absolutes Maass nach (34): d log C i __ J^ 40 45 000 Integrirt: , 4045000 1 513000 , , Cj= G-e 519000 Verdünnte Lösungen. 223 Der Werth der Constanten C ergibt sich aus der oben für 18®, also ß- = 291, angeführten Zahl für den Dissociationsgrad: r.^ = c^= 14,3-10-1« als: C= 6,1 -10-7 und damit auch der Dissociationsgrad für jede beliebige Temperatur. Derselbe befindet sich in guter üebereinstimmung mit der bei verschiedenen Temperaturen gemessenen elektrischen Leitfähig- keit des reinen Wassers. Erst für den absoluten Nullpunkt der Temperatur verschwindet die Dissociation und mit ihr die Leit- fähigkeit, während sie mit wachsender Temperatur nicht etwa über alle Grenzen wächst, sondern nur bis zu einem bestimmten durch die Constante G ausgedrückten Maximum. § 261. Ein unabhängiger Bestandtheil in zwei oder in drei Phasen. Das Wesentlichste dieser Fälle ist schon früher im zweiten Capitel und in den §§ 205 — 207, sowie § 213 be- handelt worden. § 262. Zwei unabhängige Bestandtheile in einer Phase (Lösung eines Stoffes in einem homogenen Lösungsmittel). Nach der Phasenregel ist ausser dem Druck und der Temperatur noch eine Variable beliebig, z. B. die in 1 Liter Lösung enthaltene Zahl der Moleküle des gelösten Stoffes, wie sie unmittelbar ge- messen wird. Dann ist die Concentration jeder einzelnen Molekül- art bestimmt, mag sie durch Dissociation, durch Association, durch Hydratbildung oder durch Hydrolyse der gelösten Moleküle entstehen. Betrachten wir zunächst den einfachen Fall eines binären Elektrolyten, z. B. Essigsäure in Wasser. Das Symbol des Systems ist nach (216): Die Gesammtzahl der Moleküle sei: ** = ^0+ ^1+ ^2+ ^3 (nahe gleich 7*^). Die Concentrationen sind: __Wo _**1 —^ — ^ ^0--^» ^1-^' ^^-^^ ^8""7r* Die einzige thatsächlich in Betracht kommende Umwandlung v^w^w^w^ =^ (i n^\ 8 n^\ 8 yi^\ 8 n^ 224 Anwendungen auf spezielle Oleichgeunchtsxitstände, besteht in der Dissociation eines Moleküls H^C^Oj in seine beiden Ionen, also Daher ist nach (218) im Gleichgewichtszustand: - log Cj + log Cj+ log 63= log K oder, da c^^ c^, c« (222) 7- = ^• Nun ist als bekannt anzusehen die Summe: da die Gesammtzahl {n^ + n^) der undissociirten und dissociirten Säuremoleküle und auch die Gesammtzahl n^ der Wasser- moleküle, welche = n gesetzt werden kann, direkt gemessen wird. Daher lassen sich 0^ und c^ aus den letzten beiden Gleichungen berechnen. Es folgt daraus för die Concentrationen Cj und Cg der undissociirten und der dissociirten Moleküle, im Verhältniss zu der Gesammtconcentration c: ^ = — ^- = 1- — fi/l + i£- il Mit wachsender Verdünnung, also abnehmendem c wächst, das e, Verhältniss - in bestimmter Weise bis gegen 1, d. h. bis zur vollständigen Dissociation, und daraus ergibt sich för die elek- trische Leitfähigkeit einer Lösung von gegebener Concentration das zuerst von Ostwald aufgestellte sogenannte Verdünnungs- gesetz der binären Elektrolyte, welches in zahlreichen Fällen durch die Erfahrung bestätigt worden ist (vgl. aber § 259). Auch die Abhängigkeit des Dissociationsgrades von der Tem- peratur ergibt sich hier in ganz ähnlicher Weise wie in § 260 durch Berücksichtigung der bei der Dissociation aufkretenden Wärmetönung. Umgekehrt lässt sich aus der Veränderlichkeit der Dissociation mit der Temperatur die Dissociationswärme be- rechnen, wie zuerst von Ajubhbnius gezeigt wurde. § 363. Gewöhnlich wird in der Lösung eines Stoffes nicht eine einzige, sondern eine grosse Anzahl von chemischen Re- Verdünnte Lösv/ngen» 225 aktionen möglich sein^ und dementsprechend enthält das voll- ständige System eine lange Eeihe von Molekülarten. Wir wollen hier beispielsweise noch den Fall eines Elektrolyten behandeln, der sich auf verschiedene Weise in Ionen spalten kann, nämlich eine wässerige Lösung von Schwefelsäure. Das System ist nach (216): Die Gesammtzahl der Moleküle ist: w = Wq + Wj + ^2 + % + ^*4 (nahe gleich n^). Die Concentrationen sind: Wo n^ n^ Wg _ ^4 ^0-^^ ^i-n' ^3-^^ ^3-^^ ^4-7^- Hier kommen zwei verschiedenartige Umwandlungen: in Betracht, nämlich erstens die Spaltung eines Moleküls H3SO4 + - in die Ionen H und HSO^: 1/^ = i/i = -l 1/2 = 1 ^3 = 1 ^4 = 0, + -- zweitens die Spaltung eines Ions HSO^ in die Ionen H und SO^ : ^0 = 1^1=0 1/2 = 1 ^3=-l «'4 = 1- Daher gelten nach (218) im Gleichgewichtszustand die beiden Bedingungen: - log Cj + log C2+ log 63= log K log C2- log C3+ log 04= log e: oder: /•_ /» = K, C% Cg Cx ^2 ^4 __ 1^ <^8 Hiezu kommt noch die Bedingung, welche ausspricht, dass in der Gesammtmenge des gelösten Stoffes die Zahl der SO^- Eadikale (Wj + n^+ %) halb so gross ist als die der H- Atome {2n^+ n2+ n^)] denn sonst enthielte das System mehr als zwei unabhängige Bestandtheile. Diese Bedingung lautet: 2 C4 + Cg = ^2 . Planck, Thermodynamik. 15 226 Anwendungen auf spezielle Oleichgewichtszustände. Endlich ist als gegeben anzusehen die Gesammtmenge der ge- lösten Schwefelsäure, also Die letzten vier Gleichungen ergeben für die vier Concentrationen Cj, Cg, Cg, c^ bestimmte Werthe, wodurch der Gleichgewichts- zustand gefunden ist. Für eine genauere Rechnung müsste man in der Lösung jedenfalls noch andere Molekülarten berücksichtigen. Jede neue Molekülart bedingt eine neue Unbekannte, aber auch eine neue Art der Umwandlung und daher eine neue Bedingung für das Gleichgewicht, so dass der Gleichgewichtszustand eindeutig be- stimmt bleibt. § 264. Zwei unabhängige Bestandtheile in zwei Phasen. Nach der Phasenregel ist der Gleichgewichtszustand durch zwei Variable, etwa Temperatur und Druck, bestimmt. Zur besseren Uebersicht über dies weite Gebiet von Erscheinungen empfiehlt es sich, hier zwei Fälle zu unterscheiden, je nachdem nur eine der beiden Phasen beide Bestandtheile in merklichen Mengen enthält, oder beide Phasen beide Bestandtheile enthalten. Nehmen wir zunächst den einfacheren Fall, dass die eine (erste) Phase beide Bestandtheile, die andere (zweite) Phase da- gegen nur einen einzigen Bestandtheil enthält. Genau ge- nommen ist nach § 259 diese Voraussetzung niemals zutreffend, aber sie genügt doch in sehr vielen Fällen bis auf unmessbar kleine Fehler den beobachtbaren Thatsachen. Die Anwendung der allgemeinen Gleichgewichtsbedingung (218) auf diesen Fall führt auf ganz verschiedene Gesetze, je nachdem der in der zweiten Phase isolirt vorkommende Bestandtheil in der ersten Phase als gelöster Stoff oder als Lösungsmittel (§ 249) auftritt. Wir scheiden daher den Fall noch in zwei Unterabtheilungen. § 265. Der in der zweiten Phase isolirt vorkommende Be- standtheil bildet in der ersten Phase den gelösten Stoff. Ein Beispiel dafür ist die Absorption eines Gases, z. B. Kohlensäure, in einer Flüssigkeit von verhältnissmässig unmerklich kleiner Dampfspannung, z. B. Wasser bei einer nicht zu hohen Temperatur. Das Symbol des aus zwei Phasen bestehenden Systems ist nach (216): n,ll,0, n^CO^+VCO,. Verdünnte Lösungen, 227 Die Concentrationen der einzelnen Molekülarten des Systems in den beiden Phasen sind: ''o~no^-7^,' ''i-no+n,' ''o-^^'-A. Die in Betracht kommende Umwandlung: VqIV^: Vq = SnQ : Sn^ : Sn^ besteht hier in der Verdampfung eines Moleküls Kohlensäure aus der Lösung, also: Die Gleichgewichtsbedingung (218): Vq log Co + v^ log Cj + v^ log Gq = log E: wird daher hier: -.logCi=logZ (223) d. h. bei bestimmter Temperatur und Druck (wodurch K be- stimmt ist) ist auch die Concentration g^ des Gases in der Lösung bestimmt. Die Aenderung der Concentration mit Druck und Temperatur ergibt sich durch Substitution der letzten Gleichung in die Gleichungen (219) und (220). Es folgt daraus: (224) (225) 8 ist die bei der isothermischen und isopiestischen Verdampfung eines Moleküls COj eintretende Volumenzunahme des Systems, r die dabei von Aussen eintretende Wärmemenge. Da nun s nahezu das Volumen eines Moleküls gasformiger Kohlensäure darstellt^ so kann man nach (16) angenähert setzen: s = P und die Gleichung (224) ergibt: ÖlogCj _ 1 dp p ' Integrirt: logCj= logp + const. oder: c^=G-p, (226) 15* d log Cj dp • — 1 s R'& d leg Ci d& 1 r R&^' 228 Anwendungen auf spezielle Oleichgewiohtszusiände. d. h. die Concentration des gelösten Gases ist proportional dem Druck des freien Gases über der Lösung (Gesetz von Henby). Der Proportionalitätsfaktor C, der ein Maass für die Löslichkeit des Gases abgibt, hängt noch von der Temperatur ab; in welcher Weise, lehrt die Gleichung (225), die mit (226) combinirt ergibt: ölog ^ __ __ 1 ^ Erfolgt also die Verdampfung des Gases aus der Lösung unter Wärmezufuhr von Aussen, so ist r positiv, und die Löslichkeit nimmt mit steigender Temperatur ab. Umgekehrt lässt sich aus der Veränderlichkeit von G mit der Temperatur die Wärme- tönung r bei der Absorption berechnen. Es ergibt sich: B&^ d G G d&' Nach den Versuchen von Naccaei und Paguani ist bei 20^ C. (t9'=293) die Löslichkeit von Kohlensäure in Wasser, ausgedrückt in einer Einheit, auf die es hier nicht wesentlich ankommt: 0,8928, und ihr Temperaturcoeffizient: — 0,02483 und daher, mit Berücksichtigung von (34): 1,971 . 293« . 0,02483 .„^n i r = — TTT^T^iTTT- = 4700 cal. 0,8928 Thomsen fand für die Wärmetönung bei der Absorption eines Moleküls Kohlensäure in Wasser 5880 cal. Der Fehler liegt (nach Nehnst) wohl auf Seite der Messung des Löslichkeits- coeffizienten. Von dem ganzen Betrage der Wärmetönung entfällt nach (48) der Theil: R& oder 1,97-293 = 586 cal. auf die äussere Arbeit. § 366. Ein weiteres hieher gehöriges Beispiel ist die Sättigung eines flüssigen Lösungsmittels mit einem schwer- löslichen Salze, z. B. Bemsteinsäure in Wasser. Das Symbol dieses Systems ist nach (216): wenn man von der geringen Dissociation der Säure in der Lösung absieht. Die Berechnung des Gleichgewichtszustandes ergibt genau in der nämlichen Bezeichnung wie in (223): Verdünnte Lösungen, 229 — logCj=logZ, also bestimiiit durch Temperatur und Druck; femer nach (219): r==^R^2^-^. (227) Mittelst dieser Gleichung berechnete zuerst vai^'t Hoff r aus der Lösüchkeit der Bernsteinsäure bei 0« (2,88) und bei 8,5® (4,22). Es ist dann nahezu: öbgci ^ log4,22- log 2,88 _ q 04494 . d & 8,5 ' Daraus folgt für ^9- = 273 in Calorieen: r = - 1,971 . 2732.0,04494 = -- 6600 cal. d. h. beim Ausfällen eines Moleküls fester Substanz aus der Lösung werden 6600 cal. nach Aussen abgegeben. Bebthelot fand dagegen als Lösungswärme 6700 cal. Betrachtet man r als von der Temperatur unabhängig, was in manchen Fällen in erster Annäherung gestattet sein wird, so lässt sich die Gleichung (227) nach & integriren und liefert: log <^i = ;ß^ + const. § 367. Die Beziehung (227) zwischen der Lösungswärme und dem Temperaturcoeffizienten der Löslichkeit wird ungültig, wenn das Salz in der Lösung eine merkliche chemische Umbildung, z. B. Dissociation, erleidet. Dann sind in der Lösung neben den normalen Molekülen auch dissocürte vorhanden, wie z. B. in folgendem System von Wasser und Silberacetat: + - n^R^O, WiAgHgCaOg, n^Ag, n^R^C.fi^+ n^'Agll^C^O^. Hier ist die Gesammtzahl aller Moleküle in der Lösung: n = nQ+ n^+ n^+ n^ (nahe gleich w^^) , dann sind die Concentrationen der einzelnen Molekülarten in beiden Phasen: ^o-^J ^i-"n' ^»""w' ^3-«' «""<"■ Die möglichen Umwandlungen: 230 Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. bestehen erstens in der Ausfällung eines Moleküls Silberacetat aus der Lösung; ^0=0, 1^1= -1, 1^2=0, 1^3=0, V=l, zweitens in der Dissociation eines Moleküls Silberacetat: ^0=0 1^1= -1 v^^l i/g^ 1 V=0. Es gelten also nach (218) die beiden Gleichgewichtsbedingungen: erstens : — log c^ = log K, zweitens : — log c^ + log c^ + log Cg = log K' oder, da 03=^3 e.^ d. h. bei bestimmter Temperatur und Druck ist erstens die Con- centration c^ der undissociirten Moleküle in der mit dem Salz ge- sättigten Lösung eine ganz bestimmte, und die Concentration c^ der dissociirten Moleküle bestimmt sich zweitens aus der der un- dissociirten Cj nach dem schon oben unter (222) abgeleiteten Disso- ciationsgesetz eines Elektrolyten. Da nun durch die Messung der Löslichkeit der Werth von c^+ c^, durch die Messung der elek- trischen Leitfähigkeit der Lösung aber der Werth von c^ ge- funden wird, so lassen sich hieraus die Grössen K und K' für irgend eine beliebige Temperatur berechnen. Ihre Abhängigkeit von der Temperatur liefert dann nach (219) ein Maass einerseits für die bei der Ausfällung eines undissociirten Moleküls aus der Lösung, andrerseits für die bei der Dissociation eines gelösten Moleküls auftretende Wärmetönung, und daraus ergibt sich nach Jahn eine Methode, um aus der gemessenen Löslichkeit des festen Salzes und der gemessenen Leitfähigkeit der gesättigten Lösung bei verschiedenen Temperaturen die wirkliche Lösungs- wärme des Salzes zu berechnen, d. h. die Wärmetönung, die eintritt, wenn ein Molekulargewicht des festen Salzes aufgelöst und ausserdem der Bruchtheil — - — in seine Ionen dissociirt Cl + C2 wird, sowie es dem thatsächlichen Lösungsvorgang entspricht. § 268. Der in der zweiten Phase isolirt vorkommende Be- standtheil bildet in der ersten Phase das Lösungsmittel. Dieser Fall findet sich immer dann verwirklicht, wenn sich aus einer Lösung beliebigen Aggregatzustandes das reine Lösungsmittel in Verdünnte Lösungen. 231 einem anderen Aggregatzustand, z. B. durch Gefrieren, Ver- dampfen, Schmelzen, Sublimiren, ausscheidet Der allgemeine Typus eines solchen aus zwei Phasen bestehenden Systems ist nach (216): n^niQ, n^m^, n^m^, %m^, + Vm^', wobei noch oflfen gelassen ist, ob das Lösungsmittel in den beiden Aggregatzuständen gleiches oder verschiedenes Molekular- gewicht besitzt. Die Summe der Molekülzahlen in der Lösung ist: w = Wjj + Wj + 7*2 + ^3 + • • • • (nahe gleich n^). Die Concentrationen der einzelnen Molekülarten sind: c-^ ß-^ c-^ ß' -^' - 1 Eine mögliche Umwandlung: VqIv^iv^: , . , : Vq = Sn^ : Sn^ : Sn^ :....: SnQ ist der Austritt eines Moleküls des Lösungsmittels aus der ersten Phase in die zweite, d. h. ' v,= -l, v,= 0, v,= 0,...v,' = ^,. (228) Das Gleichgewicht erfordert also nach (218) die Bedingung: fit — - logCo + -^logV = logZ und mit Berücksichtigung der obigen Werthe von Cq und Cq log ^ = log K. n Nun ist: _!L = i 4. ^+ ^+ ^8+ Wo Wo also, da der Bruch rechts sehr klein ist: w,+ w,+ n,+ ... _ j^g ^ ^229) Nach der allgemeinen Definition in (218) ist hier: oder mit Berücksichtigung der Werthe der v in (228): W/i 232 Amaendungen auf spexMle Oleiohgewiehtazustände, Nach dieser Gleichung ist der Ausdruck rechts, oder logiT, ebenfalls sehr klein. Nehmen wir einmal den speziellen Fall, dass logK genau gleich Null wird, d. h. dass die Zahl der gelösten Moleküle Wj + Wg + ... ganz verschwindet und mithin statt der Lösung das reine Lösungsmittel vorhanden ist. Dann ist nach (230): und da (f^ und ff^ nur von d-^ p und der Natur des Lösungs- mittels abhängen, nicht aber von der Natur der gelösten Stoffe, so spricht diese Gleichung eine bestimmte Bedingung zwischen Temperatur und Druck aus, und dies ist in der That die Be- dingung, welche & und p erfüllen müssen, wenn sich das reine Lösungsmittel in zwei Aggregatzuständen nebeneinander befindet. Denn setzt man für cp^ und cp^ die sich aus (214) ergebenden Werthe ein, so kommt man unmittelbar zu der im zweiten Capitel abgeleiteten Gleichgewichtsbedingung (101) zurück. Dann kann man entweder den Druck (Dampfspannung) als abhängig von der Temperatur, oder die Temperatür (Siedepunkt, Schmelz- punkt) als abhängig vom Druck betrachten. Kehren wir nun zu dem allgemeinen Fall zurück, der in Gleichung (230) ausgesprochen ist. Nach ihr bewirkt jede Auf- lösung fremder Moleküle w^, n^, n^, ... eine entsprechende Ab- weichung von der für das reine Lösungsmittel gültigen Beziehung zwischen Druck und Temperatur, und zwar hängt, wie man sieht, diese Abweichung lediglich von der Gesammtzahl der gelösten Moleküle, nicht aber von ihrer Natur ab. Um ihren Betrag in direkt messbaren Grössen auszudrücken, kann man nach Be- lieben entweder den Druck p^ einführen, der bei der gegebenen Temperatur & im System herrschen würde, wenn keine fremden Moleküle vorhanden wären (Dampfspannungserniedrigung), oder die Temperatur &q, welche bestehen würde, wenn bei dem ge- gebenen Druck p keine fremden Molekülarten vorhanden wären (Siedepunktserhöhung, Schmelzpunktsemiedrigung). Bedienen wir uns zunächst der zweiten Darstellung, so ist ^ — ^Q sehr klein, und wir können daher setzen: logZ = ^.(^-^,), Verdünnte Lösungen. 233 oder nach (219): Daher nach (229): oder: '^- '^0 = I,? • K+ »»2+ "s+ ••••), (231) wonach die Siedepunktserhöhung aus der Anzahl der gelösten Moleküle, der Temperatur und der Verdampfungswärme direkt zu berechnen ist. Da r sich auf die Verdampfimg eines flüssigen Moleküls bezieht, so ist das Produkt n^ r nur abhängig von der Masse des flüssigen Lösungsmittels, nicht aber von dem Molekular- gewicht m^ desselben. Wenn r in Calorieen ausgedrückt wird, so hat man nach (34) für R 1,97 zu setzen. Z. B. ist für 1 Liter wässriger Lösung unter Atmosphärendruck nahezu w^r = 1000 • 536 cal., 19-^ = 373, und daher die Siedepunkts- erhöhung: o a 1,97.373» , , . *-'^o=-ioOOV536(^i-^''2+^3+ •••) = 0,5p -(^^+^2+^3+ . . . . ) Geis. § 369. Vergleichen wir nun die für die Siedepunktserhöhung gefundene Gleichung (231) mit der früher auf Grund allgemeinerer Voraussetzungen, unabhängig von jeder Molekulartheorie, für denselben Fall abgeleiteten Beziehung (183). Dieselbe lautete: ^_^^ = ^:^. (232) Hier bedeutete e nach (162) das Verhältniss der Masse M^ des gelösten, nicht verdampfenden, Stoffes zu der Masse M^ des Lösungsmittels, also in der jetzigen Bezeichnung das Verhältniss: __ nim^-{- n^m^-\- n^m^-\r r23S^ "" Wo Wo Femer bedeutete r die Verdampfungswärme, bezogen auf die Masseneinheit des Lösungsmittels, also in der jetzigen Bezeichnung: - . (234) Damit geht die Gleichung (232) über in: rt o __ {ni m^ + W g m^-\- . . . . ) ^'y " nor 234 Anwendungen auf spezielle Oleichgetoichtsx/ustände. und ein Vergleich mit (231) zeigt, dass nur dann zwischen beiden Theorieen vollständige Uebereinstimmung besteht, wenn gesetzt wird: (235) (f = ^(^1+^+^»+--) , d. h. die hier entwickelte Molekulartheorie spezialisirt die dort entwickelte allgemeine Theorie dahin, dass die damals nur durch (165) definirte Grösse (p hier den speziellen Werth (235) besitzt. § 370. Nun haben wir früher gefunden, dass die nämliche Grösse (p ausser für die Siedepunktserhöhung noch für eine ganze Eeihe anderer Eigenschaften beliebiger Lösungen eine Bedeutung besitzt, und können daher ohne Weiteres alle dort gefundenen Gesetzmässigkeiten hier dadurch weiter spezialisiren, dass wir in den dortigen für verdünnte Lösungen abgeleiteten Gleichungen einfach nach (233) und (235) für ecp den Werth: (236) w = ^K+^+_^8+-.0 und für r und s nach (234) die Werthe (237) — und ' Wo TWo einsetzen. So ergibt sich aus (180) für die Dampfspannungs- emiedrigung einer verdünnten Lösung nach (236) und (237): (238) ^o-2^ = ;r;K+W2+^3+ •••)• Bildet der Dampf des Lösungsmittels ein ideales Gas, und kann man das spezifische Volumen der Lösung gegen das des Gases vernachlässigen, so ist s, die Volumenänderung des Systems bei der Verdampfung eines flüssigen Moleküls, gleich dem Volumen sovieler Dampfinoleküle, als von einem Flüssigkeitsmolekül ge- liefert werden, d. h. nach (228): Wo p und daher nach (238): oder die relative Dampfdruckemiedrigung: \ = (^1 + ^2+ ^3+ ) p V 1 • z • tf ' no^o Verdünnte Lösungen, 235 Häufig findet sich diese Beziehung in der Form ausgesprochen, dass die relative Dampfdruckemiedrigung das Verhältniss der Zahl der gelösten Moleküle (/*i + Wg + Wg + . . . ) zu der Zahl der Moleküle des Lösungsmittels n^j oder, was bei verdünnten Lösungen auf dasselbe hinauskommt, aller Moleküle der Lösung n angibt. Dieser Satz ist jedoch, wie hier ersichtlich, nur dann richtig , wenn w^' = w , d. h. wenn man den Molekülen des Lösungsmittels in der Lösung dasselbe Molekulargewicht zu- schreiben darf, wie im Dampfe. Dies wird aber im Allgemeinen, z. B. für Wasser, nicht zutreffen, und es ist daher nicht über- flüssig, zu betonen, dass man durch die relative Dampfspannungs- emiedrigung einer verdünnten Lösung ebensowenig wie durch ihren Siedepunkt, Gefrierpunkt oder osmotischen Druck, irgend etwas über das Molekulargewicht des Lösungsmittels in der LösuDg erfahren kann. Unter allen Umständen ergibt sich aus diesen Messungen immer nur die Gesammtzahl (^1+^2+ • • • • ) der in der Lösung vorhandenen fremden Moleküle. So ist auch in der letzten Gleichung das Produkt n^niQ durch die Masse des flüssigen Lösungsmittels, und das Molekulargewicht m^' des Dampfes durch seine Dichte unmittelbar bestimmt. § 371. Weiter folgt aus (186), mit Berücksichtigung von (236) und (237), für die Gefrierpunktserniedrigung einer ver- dünnten Lösung: wobei / die Gefrierwärme eines Moleküls des Lösungsmittels bedeutet. Das Produkt n^ r' ist also durch die Masse des Lösungsmittels bedingt, unabhängig vom Molekulargewicht des- selben. Wenn / in Calorieen ausgedrückt wird, so ist für R nach (34) 1,97 zu setzen. Z. B. ist für 1 Liter wässriger Lösung unter Atmosphärendruck nahezu %r' = 1000 «80 cal. -^^=^ 273 und daher die Gefrierpunktserniedrigung: = 1,84^(^1+^2+ /^3+ . . . ) Geis. § 272. Für den osmotischen Druck P schliesslich ergibt sich aus (190) mit Berücksichtigung von (236) P = (^1 + Wo + ^3 + ••••)• 286 Anwendungen auf spezieile Gleiehgeunehtsxustände, Hier bedeutet v das spezifische Yolmnen der Losung, also das Produkt Hq m^ v nahezu das ganze Volumen der Losung: V, und daraus folgt: eine Beziehung, die nach (16) identisch ist mit der Zustands- gieichung einer Mischung idealer Grase mit den Molekülzahlen nj, n^, Wg, • • • • § 273. Jeder der in den letzten Paragraphen abgeleiteten Sätze enthält eine Methode zur Bestimmung der Gresammtzahl (/ij + «2 + • • • • ) der in einer verdünnten Lösung vorhandenen fremden Moleküle. Wenn diese durch eine derartige Messung gefundene Zahl eine Abweichung zeigt von der aus dem Prozent- gehalt der Lösung unter der Annahme normaler Moleküle be- rechneten Zahl, so muss also nach der entwickelten Theorie nothwendig eine chemische Veränderung der gelösten Moleküle durch Dissociation, Association, Hydrolyse oder dgl. eingetreten sein, — eine Folgerung, die grosse Bedeutung erlangt hat für die Beurtheilung der chemischen Natur verdünnter Lösungen. Doch ist der Schluss aus der Gresammtmolekülzahl auf die Zahl und Beschaffenheit der einzelnen Molekülarten in der Lösung nur in ganz speziellen Fällen eindeutig, nämlich dann, wenn der gelöste Stoff in der Lösung nur auf eine einzige Weise eine chemische Umwandlung erfährt. Denn dann hat man in der bekannten Gesammtmasse des gelösten Stoffes und in der bekannten Gesammtzahl der von ihm in der Lösung wirklich gebildeten Moleküle gerade die nöthigen Daten, um die Zahlen aller einzelnen Molekülarten zu berechnen. Wir haben aber schon früher (§ 259) bemerkt, dass dieser Fall genau genommen nur eine Ausnahme bildet, da in der Lösung nothwendig alle Molekülarten, welche überhaupt möglich sind, in endlicher Anzahl vorkommen müssen. Sobald nun neben einer bestimmten + — Art der chemischen Umwandlung (z. B. HgSO^ in 2H und SOJ eine zweite Art der Umwandlung (z. B. HgSO^ in H und HSOJ merklich wird, übersteigt die Zahl der Unbekannten die der zu ihrer Bestimmung dienenden Gleichungen, und die Analyse des Gleichgewichtszustandes bleibt unbestimmt. Daher besteht z. B. im Allgemeinen gar kein bestimmter Zusammenhang zwischen der Verdünnte Lösungen, 237 Gefrierpunktsemiedrigung, Dampfspannungsemiedrigung, Siede- punktserhöhung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit andrerseits; denn die ersteren Grössen hängen von der Gesammt- zahl aller gelösten, geladenen und ungeladenen, Moleküle ab, die letztere aber von der Zahl und Art der geladenen Moleküle (Ionen), welche sich nicht immer von vorneherein aus der vorigen Zahl berechnen lässt. Umgekehrt darf eine Divergenz zwischen der aus der Leitfähigkeit berechneten und der direkt gemessenen Gefrierpunktserniedrigung an sich nicht als ein Einwand gegen die Gültigkeit der Theorie angesehen werden, sondern nur als ein Einwand gegen die bei der Berechnung des Gefrierpunktes aus der Leitfähigkeit gemachten Annahmen über die in der Lösung vorhandenen Molekülarten. Der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunktsemiedrigung und der Molekülzahl des gelösten Stoffes ist zuerst von Eaoult experimentell mit voller Schärfe nachgewiesen worden, thermo- dynamisch begründet und erweitert wurde er von van't Hoff mittelst seiner Theorie des osmotischen Druckes. Die volle Durchführung auch für Elektrolyte hat Arrhenius ermöglicht durch seine Theorie der elektrolytischen Dissociation, während unabhängig davon auch die Thermodynamik gerade auf dem hier beschriebenen Wege zu der Forderung chemischer Um- wandlungen gelöster Stofife in verdünnten Lösungen geführt hat. § 274. Jede der beiden Phasen enthält beide Bestandtheile in merklicher Menge. Der wichtigste hiehergehörige Fall ist der der Verdampfung einer flüssigen Lösung, in welcher nicht nur das Lösungsmittel, sondern auch der gelöste Stoff flüchtig ist Da die Anwendbarkeit der allgemeinen Gleichgewichts- bedingung (218) auf eine Mischung idealer Gase nicht davon abhängt, ob die Mischung als eine verdünnte Lösung angesehen werden kann, so gilt jene Gleichung hier in entsprechender An- näherung ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Dampfes, während dagegen die Flüssigkeit als verdünnte Lösung ange- nommen werden muss. . Im Allgemeinen wird jede überhaupt mögliche Molekülart sowohl in der Flüssigkeit als auch im Dampf vertreten sein; man erhält daher nach (216) als allgemeines Symbol des Systems: n^niQ, n^m^, n^m^, + %' m^j n^'m^j n^ rn^, • • • 238 Anwendungen auf spezielle Oleichgewichtsxu^tände. indem jede Ziffer sich auf eine Molekülart bezieht, die in beiden Phasen das nämliche Molekulargewicht besitzt. In der Flüssigkeit ist die Gesammtzahl der Moleküle: w = ^0 + ^1 + ^2 + • • • • (nahe gleich n^) . Im Dampf sei dieselbe: n = Wq'+ w/+ n^'+ .... Dann sind die Concentrationen der einzelnen Molekülarten in der Flüssigkeit: "«- n' 1 n ' c -"• im Dampf: "« ~ n" ^2 — ^' ' • • • Besteht nun die Umwandlung: ^0 • ^1 • ^2 • • • • • ^o' • ^/ • ^2' • • • • = Jw^ :Si\: Sn^ : ... : Jn^' : (5 w/ : Sn^' : . . . . darin, dass ein gelöstes Molekül der ersten Art aus der Flüssig- keit in den Dampf übergeht, so ist: und die Gleichgewichtsbedingung (218) wird: -logßi+logc/=log£' oder: ^ = K. d. h. es findet für jede einzelne Molekülart, welche in beiden Phasen das nämliche Molekulargewicht besitzt, ein constantes, von der Anwesenheit der übrigen Moleküle unabhängiges, Theilungsverhältniss zwischen Flüssigkeit und Dampf statt (Ver- theilungssatz von Nernst). Besteht aber die Umwandlung darin, dass ein Molekül des Lösungsmittels aus der Flüssigkeit in den Dampf übergeht, so ist: *'o=-l> «'i = ö> «'2 = ö^--- V=i> <=0, < = 0, und die Gleichgewichtsbedingung wird: -logco+log< = logZ. Hierin ist: - log c^ = log ^ = log f 1 + ""' '^ "^^ ' -— ) (239) = rvL^^Ji^ = ^^1+^2+ ... Verdünnte Lösungen, 239 folglich : Ci+c^-f- ... + log Co' = log JT, (240) wobei Cj, c^, . . ., die Concentrationen der gelösten Moleküle in der Flüssigkeit, kleine Werthe haben. Nun sind zwei Fälle zu unterscheiden : Entweder bilden die Moleküle m^ im Dampf nur einen kleinen oder wenigstens nur einen massigen Theil der Gesammt- zahl der Dampfmoleküle. Dann kann man die kleinen Zahlen Cj, Cg, .... gegen den log vernachlässigen und schreiben: log c^' = log Ä , d. h. die Concentration der Moleküle des Lösungsmittels im Dampf ist gamicht abhängig von der Zusammensetzung der Lösung. Ein Beispiel hiefür bietet die Verdampfung einer ver- dünnten Lösung, wenn das Lösungsmittel nicht sehr stark flüchtig ist, z. B. Alkohol in Wasser. Dann hängt der Partialdruck des Lösungsmittels (Wasser) im Dampf garnicht von der Concentration der Lösung ab, ist also gleich dem des reinen Lösungsmittels. Oder: Die Moleküle niQ sind im Dampf den übrigen Molekülen an Zahl stark überlegen, wie z. B. wenn in der flüssigen Phase Alkohol das Lösungsmittel, Wasser der gelöste Stoff ist. Dann kann man jene Vereinfachung der Gleichgewichtsbedingung nicht ohne merklichen Fehler vornehmen, sondern man hat wie in (239) logV= - (c/+C3'+ ), wodurch die Gleichung (240) wird: (^1+ 02+^3+ • • • ) - (^l'+ V+ V+ '") = ^OgK. Diese Beziehung stellt eine Erweiterung der oben durch (229) ausgedrückten van^t HoFF'schen Gesetze der Siedepunktserhöhung, Dampfspannungsemiedrigung u. s.w. vor, dahin lautend, dass, wenn der in der Flüssigkeit aufgelöste Stoff theilwei^ auch in den Dampf übergeht, die Siedepunktserhöhung bez. Dampf- spannungserniedrigung nicht mehr durch die Concentrationen der in der Flüssigkeit aufgelösten Moleküle bedingt wird, sondern durch die Differenz der Concentrationen in der Flüssigkeit und im Dampf. Ist diese Differenz gleich Null, d. h. besitzt das Destillat die nämliche Zusammensetzung wie die Flüssigkeit, so wird auch die Siedepunktserhöhung und ebenso die Dampf- spannungsemiedrigung gleich Null, wie das schon früher (§ 219) 240 Anwendungen auf spezielle Oldehgeunchtsxu^tände, von einem allgemeineren Standpunkte aus gefolgert wurde. Ist aber die Concentration des gelösten Stoffes im Dampf sogar grösser als in der Flüssigkeit, wie es bei der Verdampfung einer wässrigen Lösung von Alkohol eintreten kann, so wird der Siedepunkt erniedrigt, die Dampfspannung erhöht. Ganz der nämliche Satz lässt sich natürlich in der näm- lichen Weise auch für andere Aggregatzustände ableiten; so lautet z.B. das Gefrierpunktsgesetz in der allgemeineren Fassung: Wenn aus einer verdünnten Lösung nicht nur das Lösungs- mittel, sondern auch der gelöste Stoff ausfriert, in der Weise, dass die festen Stoffe zusammen ebenfalls eine verdünnte Lösung bilden, wie z. B. beim Erstarren mancher Legirungen, so ist die Gefrierpunktserniedrigung nicht proportional der Concentration des gelösten Stoffes in der Flüssigkeit, sondern proportional der Differenz der Concentrationen des gelösten Stoffes in der flüssigen und in der festen Phase, sie wechselt also auch zugleich mit dieser Differenz ihr Vorzeichen. Während so die Vertheilung jeder einzelnen Molekülart auf beide Phasen geregelt ist, stellt sich das Gleichgewicht der ver- schiedenen Molekülarten innerhalb einer jeden einzelnen Phase ganz nach den oben § 262 f. entwickelten Gesetzmässigkeiten her. Wir treffen also hier wieder auf die nämlichen Gesetze der Dissociation, Association u. s. w. (Neenst). § 275. Drei unabhängige Bestandtheile in einer Phase. Wenn eine verdünnte Lösung ausser dem Lösungsmittel zwei verschiedene gelöste Stoffe enthält, so werden sich die letzteren, falls sie keine Molekülarten gemeinsam haben, durchaus nicht gegenseitig beeinflussen ; denn dann ist keine Umwandlung zwischen ihnen möglich und daher auch keine besondere Gleichgewichts- bedingung zu erfüllen. Mischt man also etwa eine verdünnte wässrige X^sung eines Elektrolyten mit der verdünnten Lösung eines andern gänzlich verschiedenartigen Elektrolyten, so wird sich jede Lösung so verhalten, als wenn sie mit dem ent- sprechenden Quantum reinem Wasser verdünnt würde; so wird auch ihr Dissociationsgrad in einer der Verdünnung entsprechen- den Weise zunehmen. Anders ist es, wenn die beiden Elektrolyte ein Ion gemein- schaftlich haben, wie z. B. Essigsäure und essigsaures Natron. Li diesem Falle hat man vor der Vermischung die beiden Systeme: Verdünnte Lösungen, 241 (243) + - und n^H^O, VNaH3C303, j^ ''4-¥'^ß~W* In dem System sind zwei verschiedene Umwandlungen: ^0 • ^1 * ^2 • ^3 * ^4 • ^6 ~ ^^0 * ^^1 • ^^2 * ^^3 * ^^4 • ^^6 möglich, nämlich erstens die Dissociation eines Moleküls Essig- säure : 1/^=0 «/i=-l 1/2=0 «^3=1 ^4=0 «'ß=l, woraus nacli (218) als Gleichgewichtsbedingung folgt: - log Cj + log C3 + log "fjß = log A% oder: ^8 ^'6 __. ^ o(l<^r: >^8i!i5_ _ ^83.. = A% (244) W, -Wo Wi(Wo+Wo) ^ ' IM.ANOK, Thormodynaiuik. H> e, =^'' 242 Anwendungen auf spezielle Oleichgewichtsxtistände, zweitens die Dissociation eines Moleküls Natriumacetat: 1/^=0 «/i=0 v^='-l 1/3=0 v^=\ v^=l woraus als Gleichgewichtsbedingung folgt: - log C2 + log c^ + log c;, = log K', oder: C4 Cr. oder: (245) ■ !^^ = .^;-*A5^ ^^'. Die Grössen K und jBT' sind hier die nämlichen wie oben in (241) und (242), da sie ausser von i^- und p nur von der Art der betreffenden Umwandlung, nicht aber von den Concentrationen und von anderen daneben möglichen Umwandlungen abhängen. Aus den beiden Gleichgewichtsbedingungen (244) und (245) zu- sammen mit den vier Gleichungen (243) folgen eindeutig die Werthe der sechs Molekülzahlen %, n^, .... n^, wenn die beiden ursprünglich vorhandenen Lösungen, also auch die Molekül- zahlen n^, Wj, . . . und n^\ n^\ ... gegeben sind. § 276. Die Bedingung, dass die beiden ursprünglichen Lösungen von Essigsäure und von essigsaurem Natron „isohydrisch" sind, d. h. bei ihrer Vermischung keinerlei Aenderung ihres Disso- ciationsgrades erleiden, wird offenbar ausgedrückt durch die beiden Gleichungen: ^^ _ ^^ ^^ _ .^^'^ welche aussprechen, dass die Anzahl der undissociirten Moleküle Essigsäure und Natriumacetat in den ursprünglichen Lösungen gleich der in der Mischung ist. Daraus folgt nach (243) so- gleich weiter: ^3 = ^2 ^ %= '^Hy ^5 =^2 +^2' • Diese Werthe in die Gleichungen (244) und (245) eingesetzt und mit (241) und (242) verbunden ergeben: ?22j(^2+ m/) __ ^ __ n^ woraus als einzige Bedingung der Isohydrie folgt: ^1 r= -*?? ()^er C« = Co' ( = Co = c') , Verdünnte Lösungen. 243 d. h. die beiden Lösungen sind isohy drisch, wenn in ihnen die Concentration des gemeinsamen Ions HgCgO^ die nämliche ist. Dieser Satz wurde zuerst von Arrhenius ausgesprochen und an zahkeichen Messungen verificirt. In allen Fällen, wo die genannte Bedingung der Isohydrie nicht realisirt ist, müssen bei der Vermischung der Lösungen chemische Umwandlungen: Dissociation oder Association, vor sich gehen. Von der Richtung und der Grösse dieser Um- wandlungen gewinnt man eine Vorstellung, wenn man sich die beiden gelösten Stoflfe (Essigsäure und Natriumacetat) getrennt, und die gesammte Menge des Lösungsmittels (Wasser) so auf dieselben vertheilt denkt, dass die Lösungen isohydrisch werden. Belinden sich z. B. beide Lösungen ursprünglich in normaler Verdünnung (I gr Molekül in 1 Liter Lösung), so werden sie nicht isohydrisch sein, weil Natriumacetat in normaler Ver- dünnung bedeutend stärker dissociirt ist, also eine grössere Con- centration der Hg C2O2 -Ionen besitzt als Essigsäure. Um nun das gesammte Lösungswasser so auf die beiden Elektrolyte zu vertheilen, dass die Concentration des gemeinsamen Ions HgCgOg in beiden Lösungen dieselbe wird, muss man dem schwächer dissociirten Elektrolyt Essigsäure Lösungswasser entziehen und dies dem stärker dissociirten Natriumacetat hinzufügen. Denn in Folge der abnehmenden Verdünnung geht zwar die Dissociation der Essigsäure zurück, die Concentration der freien Ionen in der Säure wächst aber dennoch, wie man leicht aus § 262 findet, weil die Ionen auf eine kleinere Wassermenge zusammengedrängt werden. Ebenso nimmt die Dissociation des Natriumacetats mit dem Wasserzusatz zu, die Concentration der freien Ionen des Salzes nimmt aber ab, weil die Ionen sich durch eine grössere Wassermenge verbreiten. So kann man es erreichen, dass die Concentration des gemeinsamen Ions HgCgOg in beiden Lösungen gleich wird, und dann sind die Lösungen isohydrisch, d. h. sie befinden sich in demjenigen Dissociationszustand, der bei einer Vermischung der Lösungen nicht mehr geändert wird. Dies ist also zugleich auch der Zustand, den die beiden gemischten Normall()sungen schliesslich im Gleichgewicht annehmen, und es folgt daraus der Satz, dass bei der Vermischung zweier gleich 16* 244 Anwendungen auf spezielle GhichgewicMszustände. verdünnter Lösungen binärer Elektrolyse die Dissociation des schwächer dissociirten Elekti'olyten (Essigsäure) noch weiter zurückgeht, während die des stärker dissociirten (Natriumacetat) noch weiter zunimmt. § 277. Drei unabhängige Bestandtheile in zwei Phasen. Wir behandeln zunächst ein Beispiel des einfachen Falls, dass die zweite Phase nur einen einzigen Bestandtheil in merklicher Menge enthält. Ein solches Beispiel bietet die Auflösung eines schwerlöslichen Salzes (Silberbromat) in einer Flüssigkeit (Wasser) bei Zusatz einer geringen Menge eines dritten Bestandtheils (Silbemitrat) zur Lösung. Das aus zwei Phasen bestehende System wird nach (216) dargestellt durch: + - - M^HgO, WjAgBrOg, WjjAgNOg, WgAg, w^BrOg, /igNOg+Vx^gBrOg. Die Concentrationen sind: ._^ ._"JL c-^ .'-<_i ^0 — ^ ' h — ^ * ^2 — ^ ^ > *> "~ Wo' "" ' wobei n =^ n^+ n^+ n.^ + ^3 + ^*4 + % (nahezu gleich 71^). Von den möglichen Umwandlungen: ^0 • ^1 • ^2 • ^3 • ^4 • *'6 • V = ^ '^o • ^^1 • ^^h ' ^% :Sn^: Sn^ : Sn^ ist in Betracht zu ziehen zunächst der Austritt eines Moleküls AgBrOg aus der Lösung, also: «'o = ^j «^1 = -^ «^2=0, V=l, woraus nach (218) die Gleichgewichtsbedingung folgt: - log Ci + log Co' = log Z oder: (246) c,= i, d. h. die Concentration der undissociirteu Moleküle Silberbromat in der gesättigten Lösung hängt ausschliesshch von Temperatur und Druck ab. Femer ist zu berücksichtigen die Dissociation eines Moleküls AgBrOg in die beiden Ionen: *'o = 0, «'i=-l, 1^2 = 0, r3 = l, i'^=l, r, = 0, <=ü, was nach (218) ergibt: - logCi+ Iogrg+ logc^= logA", Verdünnte Lösungen, 245 Cj C4 oder nach (246) ^3«4 = 5. (247) + - d. h. das Produkt der Coucentrationen der Ionen Ag und BrOg hängt nur von Temperatur und Druck ab. Jeder Umstand also, der eine Aenderung in der Concentration Cg der Ag- Ionen herbeiführt, beeinttusst in umgekehrtem Verhältniss die Concentration c^ der BrOg -Ionen. Da nun durch den Zusatz von Silbernitrat die Zahl + der Ag-Ionen in der Lösung vergrössert wird, so wirkt eben dadurch dieser Zusatz verkleinernd auf die Zahl der BrOg-Ionen und somit auch verkleinernd auf die Löslichkeit des bromsauren Salzes, welche offenbar durch die Summe Cj + c^ gemessen wird. Endlich ist noch zu betrachten die Dissociation eines Moleküls AgNOg in die beiden Ionen: ^0 = 0, «^1 = 0, v^^^-h «^3 = 1, «^4 = 0, 1/5 = 1, V=0, welche für das Gleichgewicht nach (218) die Beziehung erfordert: ^^ = K'\ (248) Zu den 3 Gleichungen (246), (247) und (248) kommt als vierte noch die Bedingung: und als* fünfte der'Werth von c.^+ c^, welcher durch die Menge des zugesetzten Nitrats gegeben ist, so dass hieraus die 5 Un- bekannten Cj, C2, Cg, c^, Cg im Gleichgewichtszustand eindeutig bestimmt werden. Die Theorie derartiger Löslichkeitsbeeintiussungen ist zuerst von Nernst entwickelt und von ihm, und später namentlich auch von Noyes durch Messungen bestätigt worden. § 378. Der allgemeinere Fall, dass jede der beiden Phasen alle drei Bestandtheile enthält, wird u. A. verwirklicht bei der Vertheilung eines löslichen Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln, die sich selber in geringem Grade gegenseitig lösen (z. B. Wasser und Aether). Der Gleichgewichtszustand des Systems wird voll- ständig bestimmt durch eine Combination derjenigen Bedingungen, 246 Anwendungen auf spezielle Oleiehgewichtszustände, welche für den Uebertritt eines Moleküls aus der einen Phase in die andere, und derjenigen, welche für die chemische Um- wandlung der Moleküle innerhalb einer und derselben Phase gelten. Die ersteren lassen sich zusammenfassen in den Ver- theilungssatz von Nernst (§ 274), wonach für jede in beiden Phasen vorkommende Molekülgattung ein constantes, von der Anwesenheit anderer gelöster Moleküle unabhängiges Theilungs- verhältniss existirt, die letzteren in die Sätze, welche für 3 un- abhängige Bestandtheile in einer einzigen Phase gelten (§ 275), und zu denen auch die ÄRRHENius'sche Theorie isohydrischer Lösungen gehört. § 279. In ganz derselben Weise ist der Fall zu behandeln, dass 4 oder mehr unabhängige Bestandtheile zu einer oder mehreren Phasen zusammentreten. Immer lässt sich der Zustand des Systems durch das Symbol (216) ausdrücken, und immer lässt sich jede mögliche Umwandlung des Systems auf die Form (217) bringen, der dann die Gleichgewichtsbedingung (218) ent- spricht. Alle Gleichgewichtsbedingungen zusammen mit den festen Bedingungen ergeben dann die nach der Phasenregel vorauszusehende Anzahl Gleichungen, um den Gleichgewichts- zustand des Systems zu bestimmen. Wenn es sich um eine Lösung von mehreren gegenseitig umwandelbaren Stoffen, etwa elektrolytisch dissociirbaren Salzen oder Säuren mit gemeinsamen Ionen handelt, so hat es im All- gemeinen keinen Sinn mehr, von einem bestimmten „Dissociations- grad" dieser Substanzen zu reden, da die Ionen ganz willkühr- lich zu dissociirten Molekülen combinirt werden können.* Z. B. in der Lösung: + + - - n^^^P, ^ijNaCl, n^KC\ WgNaNOg, n^'K^O^jn^^2i,nQK,7ijG\,n^'iiO^ + lässt sich garnicht entscheiden, welche der Na-Ionen dem NaCl und welche dem NaNOg zuzurechnen sind. Hier bleibt zur Charakterisirung des Zustandes nichts übrig, als zu den wirk- lich in der Lösung enthaltenen Molekülzahlen bez. den betr. Concentrationen zurückzugehen und sich lediglich auf die An- gabe dieser zu beschränken. Das genannte System wird von Wasser und von 4 Salzen gebildet, es enthält aber trotzdem ausser dem Lösungsmittel nur 3 unabhängige Bestandtheile, weil durch die Menge des Na, des Verdünnte Lösungen, 247 K und des Cl die des NO3 von vorneherein bereits mitbestimmt ist (§ 198). Demgemäss. sind auch die Concentrationen aller einzelnen Molekülarten nach § 204 {cc = 4, /S = 1) bei gegebenem Druck und Temperatur durch 3 derselben vollkommen bestimmt. Dies gilt natürlich unabhängig davon, ob, wie es höchst wahr- scheinlich zutrifft, bei der Aufstellung der Gleichgewichts- bedingungen für die betrachtete Lösung noch andere Molekül- arten und andere chemische Umwandlungen als die hier vor- gesehenen berücksichtigt werden müssen. § 380. Wenn in dem System (216) von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen in beliebig vielen Phasen die Gleich- gewichtsbedingung (218) nicht erfüllt ist, wenn also für eine beliebige virtuelle isothermisch-isopiestische Aenderung: 2 «'o log Cq + i/j log Cj + 1/3 log C2 + SlogÄ^ so ist die Richtung der in der Natur thatsächlich eintretenden Veränderung durch die Bedingung d > (§ 147) bestimmt. Bezeichnen wir also jetzt mit v^^, v^, v^, ... einfache ganze Zahlen, welche nicht nur proportional, sondern auch von gleichem Vorzeichen sind wie die bei der wirklichen Umwandlung ein- tretenden Aenderungen der Molekülzahlen, so ergibt sich aus (215) für die Richtung der in der Natur eintretenden isothermisch- isopiestischen Veränderung ganz allgemein, sei es dass es sich um eine chemische Umwandlung innerhalb einer einzelnen Phase oder um den Uebergang von Molekülen zwischen verschiedenen Phasen handelt: wobei K wieder durch (218) definirt ist. Es liegt nahe, die Differenz der Ausdrücke rechts und links in Zusammenhang zu bringen mit dem zeitlichen Verlauf der Veränderung, und in der That lässt sich hieraus ein allgemeines Gesetz für die Geschwindigkeit irreversibler isothermisch -iso- piestischer Prozesse ableiten, worauf indessen in diesem Buche nicht weiter eingegangen werden soll. 248 Verzeichniss, Verzeichniss der vom Verfasser bisher veröffentlichten Schriften aus dem Gebiete der Thermodynamik, ausschliesslich der Anwendungen auf Elektricität, mit Angabe derjenigen Paragraphen dieses Buches, in denen der nämliche Gegenstand behandelt ist. Ucbcr den zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie. Inaugural- dissertation. München, Th. Ackermann. S. 1—61, 1879. (§§ 106—136.) Gleichgewichtszustände isotroper Körper in verschiedenen Temperaturen. Habilitationsschrift. München, Th. Ackermann, S. 1 — 63, 1880. (§§ 153-187.) Die Theorie des Sättigungsgesetzes, Wied. Ann. 13, S. 535—543, 1881. (§ 172.) Verdampfen, Schmelzen und Sublimiren, Wied. Ann. 15, S. 446 — 475, 1882. (§§ 188-196.) Ueber das thermodynamische Gleichgewicht von Gasgemengen, Wied. Ann. 19, S. 358-378, 1883. (§§ 232—248.) Das Princip der Erhaltung der Energie, Leipzig, B. G. Teubner, S. 1 — 247, 1887. (§§ 55—105.) Ueber das Princip der Vermehrung der Entropie. Erste Abhandlung. Gesetze des Verlaufs von Reaktionen, die nach constanten Gewichts- verhältnissen vor sich gehen. Wied. Ann. 30, S. 562—582, 1887. (§§ 206, 212.) Ueber das Princip der Vermehrung der Entropie. Zweite Abhandlung. Gesetze der Dissociation gasförmiger Verbindungen. Wied. Ann. 31, S. 189—203, 1887. (§§ 232—248.) Ueber das Princip der Vermehrung der Entropie. Dritte Abhandlung. Gesetze des Eintritts beliebiger thermodjnamischer und chemischer Reaktionen. Wied. Ann. 32, S. 462—503, 1887. (§§ 232—279.) Ueber die molekulare Constitution verdünnter Lösungen. Zeitschr. f. phys. Chem. 1, S. 577—582, 1887. (§§ 271, 273.) Das chemische Gleichgewicht in verdünnten Lösungen. Wied. Ann. 34, S. 139—154, 1888. (§ 262 f., §§ 268—273.) Ueber die Hypothese der Dissociation der Salze in sehr verdünnten Lösungen, Zeitschr. f. phys. Chem. 2, S. 343, 1888. (§ 271.) Ueber die Dampfspannung von verdünnten Lösungen flüchtiger Stoffe, Zeitschr. f. phys. Chem. 2, S. 405—414, 1888. (§ 274.) Ueber den osmotischen Druck. Zeitschr. f. phys. Chem. 6, S. 187 — 189, 1890. (§§ 229, 272.) Allgemeines zur neueren Entwicklung der Wärmetheorie. Zeitschr. f. phys. Chem. 8, S. 647—656, 1891. (§ 136.) Bemerkungen über das CARNOT-CLAUsius'sche Princip. Wied. Ann. 46, S. 162—166, 1892. (§ 134.) Erwiderung auf einen von Herrn Abrheniüs erhobenen Einwand. Zeitschr. f. phys. Chem. 9, S. 636 f., 1892 (§ 253.) Der Kern des zweiten Hauptsatzes der Wärmetheorie, Zeitschr. f. d. phys. und ehem. Unterricht 6, S. 217—221. 1893. (§§ 106—115). Grundriss der allgemeinen Thermochemie, Breslau, E. Trewendt, S. 1 — 140. 1893. (§§ 1—66, 92—152, 197—279.) Gegen die neuere Energetik, Wied. Ann. 57, S. 72—78, 1896. (§§ 108, 113.) Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. PHYSIKALISCHE KRISTALLOGRAPHIE. Von Dr. Theodor Liebisch, o. ö. Professor der Mineralogie an der Universität C4öttingen. Mit 298 Abbildungen im Text und 9 Tafeln. Lex. 8. 1891. geh. 25 Ji. GRUNDRISS DER PHYSIKALISCHEN KRYSTALLOGRAPHIE. Von Dr. Theodor Liebisch, o. ö. Professor der Mineralogie an der Universität Göttingen. Mit 898 Figuren im Text. Lex. 8. 1896. geh. 13 J(, 40 3^, geb. in Halbfr. 15 J(, 40 :f. Der Grundriß ist vorzugsweise dazu bestimmt, Studierenden zur Ein- führung in das Gebiet der Krystallographie zu dienen. Er setzt spezifische Vorkenntnisse nicht voraus, sondern beginnt mit den einfachsten Erfahrungen über die äußeren Formen der Krystalle, die den An- stoß zur Erforschung des krystallisierten Zustandes fester Körper gegeben haben. Daraus werden auf elementarem Wege die Symmetriegesetze abge- leitet, welche die Vorgänge des Wachstums und der Auflösung der Krystalle beherrschen. Das Ergebnis dieser Betrachtung ist die Einteilung der krystaUi- sierten Körper in 32 Gruppen, deren Eigenschafton im einzelnen untersucht und an ausgewählten Beispielen erläutert werden. Der zweite Teil des Buches ist der physikalischen Krystallographie im engeren Sinne gewidmet. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung der optischen Eigenschaften für die Untersuchung krystallisierter Körper sind die Gesetze und die wichtigsten Beobachtungsmethoden der Krystalloptik ausführlich er- läutert worden. GRUNDZÜGE DER PHYSISCHEN ERDKUNDE von Prof. Dr. Alexander Supan, Herausgeber von Potermanns geographischen Mitteilungen. Zweite, umgearbeitete und verbesserte Auflage. Mit 203 Abbildungen im Text und 20 Karten in Farbendruck. gr. 8. 1896. geh. 14 ^, geb. in Halbfr. 16 J(,. Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. ELEKTROCHEMIE. Ihre Geschichte und Lehre. Von Dr. Wilhelm Ostwald, Professor der Chemie an der Universität Leipzig. Mit 260 Nachbildungen geschiclitlicher Originalfiguren. Lex. 8. 1896. geh. 28 ^, eleg. geb. 30 M, Die wissenschaftliche Elektrochemie scheint dazu berufen, nicht nur für die allgemeine Chemie von entscheidender Bedeutung zu werden, sondern auch der Technik bei ihrem Vordringen in neue Bahnen behilflich zu sein und ihr neue Wege zu weisen. Es läßt sich wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit voraussagen, daß der nächste große und umgestaltende Schritt der modernen Technik sich auf dem Gebiete der Elektrochemie vollziehen wird. Deshalb darf ein Werk, das sich die Aufgabe gestellt hat, die wissenschaftlichen Anfänge dieser Disziplin von Galvani und.Volta ab in ihrem Zusammenhange aus den Quellen zu schildern und die Ent^ Wickelung derselben bis zur Gegenwart fortzuführen, auf die Beachtung weitester Kreise Anspruch machen — ganz besonders wenn es von einem so hervorragenden Forscher und in so äußerst anziehender Form dar- geboten wird. KOMPENDIUM DER THEORETISCHEN PHYSIK. Von Dr. Woldemar Voigt, o. ü. rrofcssor der Pliyslk au der Universität (iöttiugeu. Zwei Bände. gr. 8. 1895 u. 1896. geh. 32^, geb. in Halbfranz Sß J6, Krster Band: Mechanik starrer und nichtstarrer Körper. Wärmelehre, geh. 14 ^, geb. in Halbfranz Iß J6. Zweiter Band: Klektricität und Magnetismus. Optik. geh. IS Ji, geb. in Halbfranz 20 J6. Je weiter die theoretische Physik sich entwickelt, und je gewaltiger die Werke anschwellen, welche einzelne Teile derselben erschöpfend zu behandeln bestrebt sind, um so gebieterischer stellt sich das Bedüiihis nach einer zusammenfassenden Darstellung der gewonnenen Resultate heraus, welche dem Lernenden nach Bewältigung einiger Spezialgebiete einen Überblick über die gesamte Disziplin zu erwerben gestattet. Eine solche Darstellung, die auch dem reifen Forscher willkommen sein dürfte, fehlte bisher in der deutschen Litteratur. s>a Zwei Bände. Mit über 600 Figuren im Text. gr. 8. 1893 und 1896. geh. Preis 25 Ji, eleg. gebunden 27 Ji. Die Wichtigkeit des durch Schulung herangebildeten Vermögens, sich räuinliclu) Verhältnisse sicher und klar vorzustellen, wird in neuerer Zeit immer mehr gewürdigt. Die Bedeutung dieses Vorstellungsvermögens für die Mechanik und Technik war von jeher anerkannt, neuerdings machen aber auch Physik, Chemie, die mit ihnen verwandte Krystallographie u. a. davon einen weit- gehenden Gebrauch. So hat die darstellende Geometrie gegenwärtig eine doppelte Bedeutung: die der Darstellung räumlicher Gebilde und die der Ent- wickelung der Raumanschauung. Ihre Bedeutung in letzterer Richtung und })osmmm«mmm.mm«mmt.:>!.